Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861. Herbed. Wer ist hier? Moschopulos. Jch bin es -- ein armer alter Mann. (Er tritt näher.) Herbed. Noch keine menschliche Seele fand den Weg in diesen öden Pallast; wie kamst Du hieher? Moschopulos. Wenige Meilen von hier, in tiefster Einsam- keit, mein Sohn, lebe ich als Anachoret der Wüste seit mehr denn einem halben Jahrhundert. Jch habe Dich oft belauscht, wie Du als Knabe am Ufer des Meeres mit Muscheln spieltest; oft habe ich Dir vom fernen Felsen aus zugeschaut, wie Du als Jüngling mit sicherem Speerwurfe den Tiger erlegt hast. Jch liebte Dich; denn Dein Wesen ge- fiel mir. Dein Schicksal erregte meine Theilnahme und so wartete ich den Augenblick der Entfernung Mobed's ab, um Dir meine Liebe nicht nur aus der Ferne zu bezeigen. Herbed. Und warum wolltest Du aber Mobed's Abwe- senheit benützen, um es zu thun? Hast Du nicht Herbed. Wer iſt hier? Moſchopulos. Jch bin es — ein armer alter Mann. (Er tritt näher.) Herbed. Noch keine menſchliche Seele fand den Weg in dieſen öden Pallaſt; wie kamſt Du hieher? Moſchopulos. Wenige Meilen von hier, in tiefſter Einſam- keit, mein Sohn, lebe ich als Anachoret der Wüſte ſeit mehr denn einem halben Jahrhundert. Jch habe Dich oft belauſcht, wie Du als Knabe am Ufer des Meeres mit Muſcheln ſpielteſt; oft habe ich Dir vom fernen Felſen aus zugeſchaut, wie Du als Jüngling mit ſicherem Speerwurfe den Tiger erlegt haſt. Jch liebte Dich; denn Dein Weſen ge- fiel mir. Dein Schickſal erregte meine Theilnahme und ſo wartete ich den Augenblick der Entfernung Mobed’s ab, um Dir meine Liebe nicht nur aus der Ferne zu bezeigen. Herbed. Und warum wollteſt Du aber Mobed’s Abwe- ſenheit benützen, um es zu thun? Haſt Du nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0255" n="235"/> <sp who="#HERBED"> <speaker> <hi rendition="#c">Herbed.</hi> </speaker><lb/> <p>Wer iſt hier?</p> </sp><lb/> <sp who="#MOSCH"> <speaker> <hi rendition="#c">Moſchopulos.</hi> </speaker><lb/> <p>Jch bin es — ein armer alter Mann.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(Er tritt näher.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#HERBED"> <speaker> <hi rendition="#c">Herbed.</hi> </speaker><lb/> <p>Noch keine menſchliche Seele fand den Weg in<lb/> dieſen öden Pallaſt; wie kamſt Du hieher?</p> </sp><lb/> <sp who="#MOSCH"> <speaker> <hi rendition="#c">Moſchopulos.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenige Meilen von hier, in tiefſter Einſam-<lb/> keit, mein Sohn, lebe ich als Anachoret der Wüſte<lb/> ſeit mehr denn einem halben Jahrhundert. Jch<lb/> habe Dich oft belauſcht, wie Du als Knabe am<lb/> Ufer des Meeres mit Muſcheln ſpielteſt; oft habe<lb/> ich Dir vom fernen Felſen aus zugeſchaut, wie Du<lb/> als Jüngling mit ſicherem Speerwurfe den Tiger<lb/> erlegt haſt. Jch liebte Dich; denn Dein Weſen ge-<lb/> fiel mir. Dein Schickſal erregte meine Theilnahme<lb/> und ſo wartete ich den Augenblick der Entfernung<lb/> Mobed’s ab, um Dir meine Liebe nicht nur aus<lb/> der Ferne zu bezeigen.</p> </sp><lb/> <sp who="#HERBED"> <speaker> <hi rendition="#c">Herbed.</hi> </speaker><lb/> <p>Und warum wollteſt Du aber Mobed’s Abwe-<lb/> ſenheit benützen, um es zu thun? Haſt Du nicht<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0255]
Herbed.
Wer iſt hier?
Moſchopulos.
Jch bin es — ein armer alter Mann.
(Er tritt näher.)
Herbed.
Noch keine menſchliche Seele fand den Weg in
dieſen öden Pallaſt; wie kamſt Du hieher?
Moſchopulos.
Wenige Meilen von hier, in tiefſter Einſam-
keit, mein Sohn, lebe ich als Anachoret der Wüſte
ſeit mehr denn einem halben Jahrhundert. Jch
habe Dich oft belauſcht, wie Du als Knabe am
Ufer des Meeres mit Muſcheln ſpielteſt; oft habe
ich Dir vom fernen Felſen aus zugeſchaut, wie Du
als Jüngling mit ſicherem Speerwurfe den Tiger
erlegt haſt. Jch liebte Dich; denn Dein Weſen ge-
fiel mir. Dein Schickſal erregte meine Theilnahme
und ſo wartete ich den Augenblick der Entfernung
Mobed’s ab, um Dir meine Liebe nicht nur aus
der Ferne zu bezeigen.
Herbed.
Und warum wollteſt Du aber Mobed’s Abwe-
ſenheit benützen, um es zu thun? Haſt Du nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |