Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859.III. Aufzug. Wald. Jm Hintergrunde das verzauberte Kö- nigsschloß, von Dornrosengesträuch und anderen Gewächsen überwuchert. Vorn eine Einsiedelei, neben deren Pförtlein eine Laute hängt. Auf der andern Seite die Höhle des Riesen Schlaf- dorn. Lautenklang. (Mit langem weißen Barte, im Eremitengewande, den Lorbeerkranz auf dem Haupte.) Nun harr' ich hier so lange schon der Lösung, Daß meinem Sinn der Jahre Zahl entschwand; Still leb' ich in der Hütte, die ich mir Aus Stämmen selbst gebaut; Einsiedlern gleich Hab ich mir Waldesnahrung angewöhnt; Der kühle Felsquell ist mein Trunk, ich ruhe Des Nachts auf Moos. So alt bin ich geworden, Daß mein ergrauter Bart berührt den Boden. Kahl ist mein Haupt, der Lorbeer nur bedeckt es; doch ist mein Herz noch jung und frisch mein Geist, Und täglich greif' ich in das Saitenspiel Und täglich singe ich ein neues Lied. III. Aufzug. Wald. Jm Hintergrunde das verzauberte Kö- nigsſchloß, von Dornroſengeſträuch und anderen Gewächſen überwuchert. Vorn eine Einſiedelei, neben deren Pförtlein eine Laute hängt. Auf der andern Seite die Höhle des Rieſen Schlaf- dorn. Lautenklang. (Mit langem weißen Barte, im Eremitengewande, den Lorbeerkranz auf dem Haupte.) Nun harr’ ich hier ſo lange ſchon der Löſung, Daß meinem Sinn der Jahre Zahl entſchwand; Still leb’ ich in der Hütte, die ich mir Aus Stämmen ſelbſt gebaut; Einſiedlern gleich Hab ich mir Waldesnahrung angewöhnt; Der kühle Felsquell iſt mein Trunk, ich ruhe Des Nachts auf Moos. So alt bin ich geworden, Daß mein ergrauter Bart berührt den Boden. Kahl iſt mein Haupt, der Lorbeer nur bedeckt es; doch iſt mein Herz noch jung und friſch mein Geiſt, Und täglich greif’ ich in das Saitenſpiel Und täglich ſinge ich ein neues Lied. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0262"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Aufzug.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Wald. Jm Hintergrunde das verzauberte Kö-<lb/> nigsſchloß, von Dornroſengeſträuch und anderen<lb/> Gewächſen überwuchert. Vorn eine Einſiedelei,<lb/> neben deren Pförtlein eine Laute hängt. Auf<lb/> der andern Seite die Höhle des Rieſen Schlaf-<lb/> dorn.</hi> </hi> </stage><lb/> <sp who="#LAU"> <speaker> <hi rendition="#c">Lautenklang.</hi> </speaker><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Mit langem weißen Barte, im Eremitengewande, den Lorbeerkranz<lb/> auf dem Haupte.)</hi> </stage><lb/> <p>Nun harr’ ich hier ſo lange ſchon der Löſung,<lb/> Daß meinem Sinn der Jahre Zahl entſchwand;<lb/> Still leb’ ich in der Hütte, die ich mir<lb/> Aus Stämmen ſelbſt gebaut; Einſiedlern gleich<lb/> Hab ich mir Waldesnahrung angewöhnt;<lb/> Der kühle Felsquell iſt mein Trunk, ich ruhe<lb/> Des Nachts auf Moos. So alt bin ich geworden,<lb/> Daß mein ergrauter Bart berührt den Boden.<lb/> Kahl iſt mein Haupt, der Lorbeer nur bedeckt es;<lb/> doch iſt mein Herz noch jung und friſch mein Geiſt,<lb/> Und täglich greif’ ich in das Saitenſpiel<lb/> Und täglich ſinge ich ein neues Lied.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
III. Aufzug.
Wald. Jm Hintergrunde das verzauberte Kö-
nigsſchloß, von Dornroſengeſträuch und anderen
Gewächſen überwuchert. Vorn eine Einſiedelei,
neben deren Pförtlein eine Laute hängt. Auf
der andern Seite die Höhle des Rieſen Schlaf-
dorn.
Lautenklang.
(Mit langem weißen Barte, im Eremitengewande, den Lorbeerkranz
auf dem Haupte.)
Nun harr’ ich hier ſo lange ſchon der Löſung,
Daß meinem Sinn der Jahre Zahl entſchwand;
Still leb’ ich in der Hütte, die ich mir
Aus Stämmen ſelbſt gebaut; Einſiedlern gleich
Hab ich mir Waldesnahrung angewöhnt;
Der kühle Felsquell iſt mein Trunk, ich ruhe
Des Nachts auf Moos. So alt bin ich geworden,
Daß mein ergrauter Bart berührt den Boden.
Kahl iſt mein Haupt, der Lorbeer nur bedeckt es;
doch iſt mein Herz noch jung und friſch mein Geiſt,
Und täglich greif’ ich in das Saitenſpiel
Und täglich ſinge ich ein neues Lied.
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Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859/262>, abgerufen am 16.02.2025. |