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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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manchmal ohne jeden Kampf um's Dasein unter den Indi-
viduen erfolgt ist, giebt kein geringerer wie Darwin be-
reitwillig zu: "Es lässt sich auch kaum daran zweifeln, dass
die Neigung in einer und derselben Art zu variiren, häufig
so stark gewesen ist, dass alle Individuen derselben Spe-
cies ohne Hülfe irgend einer Form von Zuchtwahl ähnlich
modifizirt worden sind." *) Ferner schreibt er in einem
Briefe an Moritz Wagner: "Nach meinem eigenen Urtheil
liegt der grösste Irrthum, den ich beging, darin, dass ich
nicht genügendes Gewicht der unmittelbaren Wirkung der
Umgebungen (Nahrung, Klima etc.), unabhängig von natür-
licher Auswahl, beilegte.**)

Man könnte auf den ersten Blick noch zweifeln, ob
eine nicht nur erhaltende, sondern wirklich fortschreitende
Variabilität dabei bewahrt bleiben würde. Allein erstens
muss man sich in Erinnerung rufen, dass ja auch alle bis-
herige Vervollkommnung durch Variiren über den Status
der Eltern hinaus entstanden sein muss, dass also in der
Natur stets unter den Devarianten eine Anzahl progressiver
vorhanden sind, und zweitens möchte ich hier an einige
Worte von Wallace und Darwin erinnern, die sich treffend
über den Punkt ausgesprochen haben. Wallace meint:
"Ausnahmsweis gute und grosse Menschen werden immer
in genügender Zahl produzirt und sind auf jeder Civilisa-
tionsstufe immer produzirt worden" ***) und an einer andern
Stelle: "Wenn diese Hebung des Durchschnitts zu Stande
gekommen ist, dann muss das Ergebniss auch eine ent-
sprechende Hebung des Hochfluthstriches der Menschheit
sein .... Denn jene günstigen Keimcombinationen, die
nach der Theorie, die wir erörtern, die grossen Männer

*) Entstehung der Arten. Deutsch von Carus. S. 113 u. 114.
**) Citirt in Ratzel, Fr. Anthropo-Geographie. Stuttgart 1882.
S. 79.
***) Menschliche Auslese. Zukunft von Harden. Berlin 1894.
No. 93. S. 23.

manchmal ohne jeden Kampf um’s Dasein unter den Indi-
viduen erfolgt ist, giebt kein geringerer wie Darwin be-
reitwillig zu: „Es lässt sich auch kaum daran zweifeln, dass
die Neigung in einer und derselben Art zu variiren, häufig
so stark gewesen ist, dass alle Individuen derselben Spe-
cies ohne Hülfe irgend einer Form von Zuchtwahl ähnlich
modifizirt worden sind.“ *) Ferner schreibt er in einem
Briefe an Moritz Wagner: „Nach meinem eigenen Urtheil
liegt der grösste Irrthum, den ich beging, darin, dass ich
nicht genügendes Gewicht der unmittelbaren Wirkung der
Umgebungen (Nahrung, Klima etc.), unabhängig von natür-
licher Auswahl, beilegte.**)

Man könnte auf den ersten Blick noch zweifeln, ob
eine nicht nur erhaltende, sondern wirklich fortschreitende
Variabilität dabei bewahrt bleiben würde. Allein erstens
muss man sich in Erinnerung rufen, dass ja auch alle bis-
herige Vervollkommnung durch Variiren über den Status
der Eltern hinaus entstanden sein muss, dass also in der
Natur stets unter den Devarianten eine Anzahl progressiver
vorhanden sind, und zweitens möchte ich hier an einige
Worte von Wallace und Darwin erinnern, die sich treffend
über den Punkt ausgesprochen haben. Wallace meint:
„Ausnahmsweis gute und grosse Menschen werden immer
in genügender Zahl produzirt und sind auf jeder Civilisa-
tionsstufe immer produzirt worden“ ***) und an einer andern
Stelle: „Wenn diese Hebung des Durchschnitts zu Stande
gekommen ist, dann muss das Ergebniss auch eine ent-
sprechende Hebung des Hochfluthstriches der Menschheit
sein .... Denn jene günstigen Keimcombinationen, die
nach der Theorie, die wir erörtern, die grossen Männer

*) Entstehung der Arten. Deutsch von Carus. S. 113 u. 114.
**) Citirt in Ratzel, Fr. Anthropo-Geographie. Stuttgart 1882.
S. 79.
***) Menschliche Auslese. Zukunft von Harden. Berlin 1894.
No. 93. S. 23.
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[232/0252] manchmal ohne jeden Kampf um’s Dasein unter den Indi- viduen erfolgt ist, giebt kein geringerer wie Darwin be- reitwillig zu: „Es lässt sich auch kaum daran zweifeln, dass die Neigung in einer und derselben Art zu variiren, häufig so stark gewesen ist, dass alle Individuen derselben Spe- cies ohne Hülfe irgend einer Form von Zuchtwahl ähnlich modifizirt worden sind.“ *) Ferner schreibt er in einem Briefe an Moritz Wagner: „Nach meinem eigenen Urtheil liegt der grösste Irrthum, den ich beging, darin, dass ich nicht genügendes Gewicht der unmittelbaren Wirkung der Umgebungen (Nahrung, Klima etc.), unabhängig von natür- licher Auswahl, beilegte. **) Man könnte auf den ersten Blick noch zweifeln, ob eine nicht nur erhaltende, sondern wirklich fortschreitende Variabilität dabei bewahrt bleiben würde. Allein erstens muss man sich in Erinnerung rufen, dass ja auch alle bis- herige Vervollkommnung durch Variiren über den Status der Eltern hinaus entstanden sein muss, dass also in der Natur stets unter den Devarianten eine Anzahl progressiver vorhanden sind, und zweitens möchte ich hier an einige Worte von Wallace und Darwin erinnern, die sich treffend über den Punkt ausgesprochen haben. Wallace meint: „Ausnahmsweis gute und grosse Menschen werden immer in genügender Zahl produzirt und sind auf jeder Civilisa- tionsstufe immer produzirt worden“ ***) und an einer andern Stelle: „Wenn diese Hebung des Durchschnitts zu Stande gekommen ist, dann muss das Ergebniss auch eine ent- sprechende Hebung des Hochfluthstriches der Menschheit sein .... Denn jene günstigen Keimcombinationen, die nach der Theorie, die wir erörtern, die grossen Männer *) Entstehung der Arten. Deutsch von Carus. S. 113 u. 114. **) Citirt in Ratzel, Fr. Anthropo-Geographie. Stuttgart 1882. S. 79. ***) Menschliche Auslese. Zukunft von Harden. Berlin 1894. No. 93. S. 23.

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/252>, abgerufen am 22.11.2024.