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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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gegen unsere Mitmenschen durch Vernunft, Gerechtigkeit
und Allgemeinsinn leiten lassen und uns zu dem Entschlusse
aufraffen, durch Anerkennung des gleichen Anrechts aller
Bürger unseres gemeinsamen Landes auf einen gleichen An-
theil an dem Reichthum, den das Zusammenwirken Aller
erzeugt, die Armuth abzuschaffen, -- wenn wir somit das
geringere Problem der vernunftgemässen socialen Organisation
gelöst haben, die die gleiche Wohlfahrt Aller zu sichern
geeignet ist; dann können wir das weit höhere und tiefere
Problem der Hebung der Rasse getrost dem gebildeten
Geist und dem reinen Gefühl der Frauen dieser herauf-
kommenden Zeit überlassen".*)

Hieraus geht hervor, dass Wallace sich nicht nur
des Conflicts zwischen den humanen Idealen, insbesondere
dem Socialismus, und den Forderungen der Rassenhygiene
deutlich bewusst ist, sondern auch, dass die Lösung, wie er
sie sich denkt, völlig im Rahmen der modernen Entwicke-
lungslehre liegt. Er glaubt, dass sich eine verbesserte
sexuelle Zuchtwahl schaffen lässt, und dass sie die starke
Abschwächung der natürlichen und besonders der wirth-
schaftlichen Zuchtwahl völlig ausgleichen kann.**)

Das sieht natürlich sehr bestechend aus und ist zweifel-
los von allen bisher gebrachten Lösungsversuchen weitaus
der berechtigste. Die bessere sexuelle Zuchtwahl wird
auch sicherlich in einer verfeinerten Cultur ihre bedeutende
Rolle spielen.

Allein einige Zweifel an das Ausreichende dieser Rolle
drängen sich doch demjenigen auf, der die menschliche
Natur etwas weniger optimistisch ansieht.

*) Wallace, A. R. Menschliche Auslese. Zukunft von Harden.
No. 93. Berlin, 7. Juli 1894. S. 21 ff.
**) In ähnlicher Art denkt sich Aveling die Vereinigung des
Malthusianismus mit der Selectionstheorie. Vgl. Darwinism and
small families. London 1882.

gegen unsere Mitmenschen durch Vernunft, Gerechtigkeit
und Allgemeinsinn leiten lassen und uns zu dem Entschlusse
aufraffen, durch Anerkennung des gleichen Anrechts aller
Bürger unseres gemeinsamen Landes auf einen gleichen An-
theil an dem Reichthum, den das Zusammenwirken Aller
erzeugt, die Armuth abzuschaffen, — wenn wir somit das
geringere Problem der vernunftgemässen socialen Organisation
gelöst haben, die die gleiche Wohlfahrt Aller zu sichern
geeignet ist; dann können wir das weit höhere und tiefere
Problem der Hebung der Rasse getrost dem gebildeten
Geist und dem reinen Gefühl der Frauen dieser herauf-
kommenden Zeit überlassen“.*)

Hieraus geht hervor, dass Wallace sich nicht nur
des Conflicts zwischen den humanen Idealen, insbesondere
dem Socialismus, und den Forderungen der Rassenhygiene
deutlich bewusst ist, sondern auch, dass die Lösung, wie er
sie sich denkt, völlig im Rahmen der modernen Entwicke-
lungslehre liegt. Er glaubt, dass sich eine verbesserte
sexuelle Zuchtwahl schaffen lässt, und dass sie die starke
Abschwächung der natürlichen und besonders der wirth-
schaftlichen Zuchtwahl völlig ausgleichen kann.**)

Das sieht natürlich sehr bestechend aus und ist zweifel-
los von allen bisher gebrachten Lösungsversuchen weitaus
der berechtigste. Die bessere sexuelle Zuchtwahl wird
auch sicherlich in einer verfeinerten Cultur ihre bedeutende
Rolle spielen.

Allein einige Zweifel an das Ausreichende dieser Rolle
drängen sich doch demjenigen auf, der die menschliche
Natur etwas weniger optimistisch ansieht.

*) Wallace, A. R. Menschliche Auslese. Zukunft von Harden.
No. 93. Berlin, 7. Juli 1894. S. 21 ff.
**) In ähnlicher Art denkt sich Aveling die Vereinigung des
Malthusianismus mit der Selectionstheorie. Vgl. Darwinism and
small families. London 1882.
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[220/0240] gegen unsere Mitmenschen durch Vernunft, Gerechtigkeit und Allgemeinsinn leiten lassen und uns zu dem Entschlusse aufraffen, durch Anerkennung des gleichen Anrechts aller Bürger unseres gemeinsamen Landes auf einen gleichen An- theil an dem Reichthum, den das Zusammenwirken Aller erzeugt, die Armuth abzuschaffen, — wenn wir somit das geringere Problem der vernunftgemässen socialen Organisation gelöst haben, die die gleiche Wohlfahrt Aller zu sichern geeignet ist; dann können wir das weit höhere und tiefere Problem der Hebung der Rasse getrost dem gebildeten Geist und dem reinen Gefühl der Frauen dieser herauf- kommenden Zeit überlassen“. *) Hieraus geht hervor, dass Wallace sich nicht nur des Conflicts zwischen den humanen Idealen, insbesondere dem Socialismus, und den Forderungen der Rassenhygiene deutlich bewusst ist, sondern auch, dass die Lösung, wie er sie sich denkt, völlig im Rahmen der modernen Entwicke- lungslehre liegt. Er glaubt, dass sich eine verbesserte sexuelle Zuchtwahl schaffen lässt, und dass sie die starke Abschwächung der natürlichen und besonders der wirth- schaftlichen Zuchtwahl völlig ausgleichen kann. **) Das sieht natürlich sehr bestechend aus und ist zweifel- los von allen bisher gebrachten Lösungsversuchen weitaus der berechtigste. Die bessere sexuelle Zuchtwahl wird auch sicherlich in einer verfeinerten Cultur ihre bedeutende Rolle spielen. Allein einige Zweifel an das Ausreichende dieser Rolle drängen sich doch demjenigen auf, der die menschliche Natur etwas weniger optimistisch ansieht. *) Wallace, A. R. Menschliche Auslese. Zukunft von Harden. No. 93. Berlin, 7. Juli 1894. S. 21 ff. **) In ähnlicher Art denkt sich Aveling die Vereinigung des Malthusianismus mit der Selectionstheorie. Vgl. Darwinism and small families. London 1882.

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/240>, abgerufen am 22.11.2024.