Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Eiweiss-Gehalt der Nahrung und der Zahl der Militär-
tauglichen besteht. *)

Was die Verfolgung der näheren Art und Weise an-
langt, wie die Armuth durch schlechte Ernährung, enge
Wohnung, Schmutz, Unwissenheit, Prostitution, Zwang zur
Arbeit unter gesundheitsschädlichen Bedingungen u. s. w.
eine Schädigung der Entwickelung, Krankheit und früh-
zeitigen Tod hervorbringt, so führt das zu weit ab in's
medicinische Gebiet.

Die Armuths-Krankheiten vermindern unter den von
ihnen Betroffenen natürlich die Eheschliessungen und die
Zahl der Nachkommenschaft und liefern dadurch Material
für die Armuths-Praevention. Aber die Armuth wirkt auch
praeventiv in mehr directer Weise. Ein Theil der ärmeren
Männer scheut die Kosten der Ehe, als Zuflucht bleiben ja
die Prostituirten, und ein Theil der ärmeren Mädchen bleibt
wegen zu geringer Mitgift unverheirathet oder fällt durch
Noth und Verführung der Prostitution zum Opfer, wobei
die Wahrscheinlichkeit sich zu verheirathen und Kinder zu
erzeugen bekanntlich minimal, dagegen die Sterblichkeit
gross ist. Dass die Prostitution sich so gut wie ausschliess-
lich aus armen Mädchen rekrutirt, zeigt eine Ermittelung
des Berliner Polizei-Praesidiums**) in den Jahren 1871 bis
1878 über den vorherigen Erwerb von 2224 Prostituirten.
Darnach waren

Dienstmädchen 794 = 35,7 %
Fabrikarbeiterinnen 355 = 16,0 "
in Hausindustrie und Ladengeschäft 936 = 42,0 "
Aufwärterinnen in Verkaufslokalen 139 = 6,3 "
*) Keleti, Dr. Karl. Die Ernährungstatistik der Bevölkerung
Ungarns auf physiologischer Grundlage bearbeitet. Uebersetzung aus
den ungarischen Amtlichen statistischen Mittheilungen. Budapest.
1887. Refer. im Arch. f. soc. Gesetzgeb. u. Statistik. 1. Bd. S. 346.
Tübingen 1888.
**) Lux, a. a. O. pag. 135.
11

Eiweiss-Gehalt der Nahrung und der Zahl der Militär-
tauglichen besteht. *)

Was die Verfolgung der näheren Art und Weise an-
langt, wie die Armuth durch schlechte Ernährung, enge
Wohnung, Schmutz, Unwissenheit, Prostitution, Zwang zur
Arbeit unter gesundheitsschädlichen Bedingungen u. s. w.
eine Schädigung der Entwickelung, Krankheit und früh-
zeitigen Tod hervorbringt, so führt das zu weit ab in’s
medicinische Gebiet.

Die Armuths-Krankheiten vermindern unter den von
ihnen Betroffenen natürlich die Eheschliessungen und die
Zahl der Nachkommenschaft und liefern dadurch Material
für die Armuths-Praevention. Aber die Armuth wirkt auch
praeventiv in mehr directer Weise. Ein Theil der ärmeren
Männer scheut die Kosten der Ehe, als Zuflucht bleiben ja
die Prostituirten, und ein Theil der ärmeren Mädchen bleibt
wegen zu geringer Mitgift unverheirathet oder fällt durch
Noth und Verführung der Prostitution zum Opfer, wobei
die Wahrscheinlichkeit sich zu verheirathen und Kinder zu
erzeugen bekanntlich minimal, dagegen die Sterblichkeit
gross ist. Dass die Prostitution sich so gut wie ausschliess-
lich aus armen Mädchen rekrutirt, zeigt eine Ermittelung
des Berliner Polizei-Praesidiums**) in den Jahren 1871 bis
1878 über den vorherigen Erwerb von 2224 Prostituirten.
Darnach waren

Dienstmädchen 794 = 35,7 %
Fabrikarbeiterinnen 355 = 16,0 „
in Hausindustrie und Ladengeschäft 936 = 42,0 „
Aufwärterinnen in Verkaufslokalen 139 = 6,3 „
*) Keleti, Dr. Karl. Die Ernährungstatistik der Bevölkerung
Ungarns auf physiologischer Grundlage bearbeitet. Uebersetzung aus
den ungarischen Amtlichen statistischen Mittheilungen. Budapest.
1887. Refer. im Arch. f. soc. Gesetzgeb. u. Statistik. 1. Bd. S. 346.
Tübingen 1888.
**) Lux, a. a. O. pag. 135.
11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0181" n="161"/>
Eiweiss-Gehalt der Nahrung und der Zahl der Militär-<lb/>
tauglichen besteht. <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Keleti</hi>, Dr. Karl. Die Ernährungstatistik der Bevölkerung<lb/>
Ungarns auf physiologischer Grundlage bearbeitet. Uebersetzung aus<lb/>
den ungarischen Amtlichen statistischen Mittheilungen. Budapest.<lb/>
1887. Refer. im Arch. f. soc. Gesetzgeb. u. Statistik. 1. Bd. S. 346.<lb/>
Tübingen 1888.</note></p><lb/>
            <p>Was die Verfolgung der näheren Art und Weise an-<lb/>
langt, wie die Armuth durch schlechte Ernährung, enge<lb/>
Wohnung, Schmutz, Unwissenheit, Prostitution, Zwang zur<lb/>
Arbeit unter gesundheitsschädlichen Bedingungen u. s. w.<lb/>
eine Schädigung der Entwickelung, Krankheit und früh-<lb/>
zeitigen Tod hervorbringt, so führt das zu weit ab in&#x2019;s<lb/>
medicinische Gebiet.</p><lb/>
            <p>Die Armuths-Krankheiten vermindern unter den von<lb/>
ihnen Betroffenen natürlich die Eheschliessungen und die<lb/>
Zahl der Nachkommenschaft und liefern dadurch Material<lb/>
für die Armuths-Praevention. Aber die Armuth wirkt auch<lb/>
praeventiv in mehr directer Weise. Ein Theil der ärmeren<lb/>
Männer scheut die Kosten der Ehe, als Zuflucht bleiben ja<lb/>
die Prostituirten, und ein Theil der ärmeren Mädchen bleibt<lb/>
wegen zu geringer Mitgift unverheirathet oder fällt durch<lb/>
Noth und Verführung der Prostitution zum Opfer, wobei<lb/>
die Wahrscheinlichkeit sich zu verheirathen und Kinder zu<lb/>
erzeugen bekanntlich minimal, dagegen die Sterblichkeit<lb/>
gross ist. Dass die Prostitution sich so gut wie ausschliess-<lb/>
lich aus armen Mädchen rekrutirt, zeigt eine Ermittelung<lb/>
des Berliner Polizei-Praesidiums<note place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">Lux</hi>, a. a. O. pag. 135.</note> in den Jahren 1871 bis<lb/>
1878 über den vorherigen Erwerb von 2224 Prostituirten.<lb/>
Darnach waren</p><lb/>
            <list>
              <item>Dienstmädchen 794 = 35,7 %</item><lb/>
              <item>Fabrikarbeiterinnen 355 = 16,0 &#x201E;</item><lb/>
              <item>in Hausindustrie und Ladengeschäft 936 = 42,0 &#x201E;</item><lb/>
              <item>Aufwärterinnen in Verkaufslokalen 139 = 6,3 &#x201E;</item>
            </list><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">11</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0181] Eiweiss-Gehalt der Nahrung und der Zahl der Militär- tauglichen besteht. *) Was die Verfolgung der näheren Art und Weise an- langt, wie die Armuth durch schlechte Ernährung, enge Wohnung, Schmutz, Unwissenheit, Prostitution, Zwang zur Arbeit unter gesundheitsschädlichen Bedingungen u. s. w. eine Schädigung der Entwickelung, Krankheit und früh- zeitigen Tod hervorbringt, so führt das zu weit ab in’s medicinische Gebiet. Die Armuths-Krankheiten vermindern unter den von ihnen Betroffenen natürlich die Eheschliessungen und die Zahl der Nachkommenschaft und liefern dadurch Material für die Armuths-Praevention. Aber die Armuth wirkt auch praeventiv in mehr directer Weise. Ein Theil der ärmeren Männer scheut die Kosten der Ehe, als Zuflucht bleiben ja die Prostituirten, und ein Theil der ärmeren Mädchen bleibt wegen zu geringer Mitgift unverheirathet oder fällt durch Noth und Verführung der Prostitution zum Opfer, wobei die Wahrscheinlichkeit sich zu verheirathen und Kinder zu erzeugen bekanntlich minimal, dagegen die Sterblichkeit gross ist. Dass die Prostitution sich so gut wie ausschliess- lich aus armen Mädchen rekrutirt, zeigt eine Ermittelung des Berliner Polizei-Praesidiums **) in den Jahren 1871 bis 1878 über den vorherigen Erwerb von 2224 Prostituirten. Darnach waren Dienstmädchen 794 = 35,7 % Fabrikarbeiterinnen 355 = 16,0 „ in Hausindustrie und Ladengeschäft 936 = 42,0 „ Aufwärterinnen in Verkaufslokalen 139 = 6,3 „ *) Keleti, Dr. Karl. Die Ernährungstatistik der Bevölkerung Ungarns auf physiologischer Grundlage bearbeitet. Uebersetzung aus den ungarischen Amtlichen statistischen Mittheilungen. Budapest. 1887. Refer. im Arch. f. soc. Gesetzgeb. u. Statistik. 1. Bd. S. 346. Tübingen 1888. **) Lux, a. a. O. pag. 135. 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/181
Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/181>, abgerufen am 22.11.2024.