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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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Der Leser sieht jetzt schon, welche grossen Schwierig-
keiten die Beurtheilung aller dieser einzelnen Momente
verursachen würde. Aber nehmen wir einmal an, die Zahl
der Kinder einer Mutter und das Alter der Eltern bei der
Zeugung sei heute und im Alterthum so ziemlich gleich.
Dann handelt es sich immer noch um die Feststellung,
ob die äuseren Einflüsse gleich geblieben sind, oder ob
sie milder oder schärfer geworden sind. Erst wenn wir
auch hier constatiren können, dass sie sich nicht wesentlich
verändert haben, dürften wir aus der ziemlich allgemein
angenommenen Erhöhung der mittleren Lebensdauer auf
eine Erhöhung der Constitutionskraft schliessen. Könnten
wir sogar erweisen, dass die äusseren Einwirkungen
heute mannigfaltiger und ungünstiger sind als damals, so
wäre die jetzige höhere Lebensdauer erst recht ein Zeichen
der Vervollkommnung. Wenn wir uns dagegen überzeugen
müssten, dass die äusseren Bedingungen einfacher und
leichter geworden sind, dann fehlt uns, im Fall wir den
Grad der Erleichterung nicht messen können, jeder An-
halt für eine Beurtheilung der Constitutionskraft durch die
Lebensdauer. Denn bei Erleichterung oder Vereinfachung
der Bedingungen kann die mittlere Lebensdauer sogar bei
Verringerung der Constitutionskraft noch steigen, wenn
nämlich die Bedingungen in verhältnissmässig noch stär-
kerem Masse einfacher geworden sind, als die Constitutions-
kraft sich verschlechterte. Es fehlt uns dann jede Berechti-
gung, die mittlere Lebensdauer für den Nachweis einer
Verbesserung unserer Rasse zu verwenden.

Es handelt sich demnach zuerst um die Entscheidung
der Vorfrage, ist die Gesammtheit der ausseren Einwir-
kungen nicht etwa einfacher, milder geworden. Wie wir
früher sahen, haben Extral- wie Socialeinflüsse bei der Ver-
vollkommnung mitgewirkt, wir müssen also beide in den
Vergleichszeiten prüfen.

Die extralen, d. h. die nicht in irgend einer Art durch

Der Leser sieht jetzt schon, welche grossen Schwierig-
keiten die Beurtheilung aller dieser einzelnen Momente
verursachen würde. Aber nehmen wir einmal an, die Zahl
der Kinder einer Mutter und das Alter der Eltern bei der
Zeugung sei heute und im Alterthum so ziemlich gleich.
Dann handelt es sich immer noch um die Feststellung,
ob die äuseren Einflüsse gleich geblieben sind, oder ob
sie milder oder schärfer geworden sind. Erst wenn wir
auch hier constatiren können, dass sie sich nicht wesentlich
verändert haben, dürften wir aus der ziemlich allgemein
angenommenen Erhöhung der mittleren Lebensdauer auf
eine Erhöhung der Constitutionskraft schliessen. Könnten
wir sogar erweisen, dass die äusseren Einwirkungen
heute mannigfaltiger und ungünstiger sind als damals, so
wäre die jetzige höhere Lebensdauer erst recht ein Zeichen
der Vervollkommnung. Wenn wir uns dagegen überzeugen
müssten, dass die äusseren Bedingungen einfacher und
leichter geworden sind, dann fehlt uns, im Fall wir den
Grad der Erleichterung nicht messen können, jeder An-
halt für eine Beurtheilung der Constitutionskraft durch die
Lebensdauer. Denn bei Erleichterung oder Vereinfachung
der Bedingungen kann die mittlere Lebensdauer sogar bei
Verringerung der Constitutionskraft noch steigen, wenn
nämlich die Bedingungen in verhältnissmässig noch stär-
kerem Masse einfacher geworden sind, als die Constitutions-
kraft sich verschlechterte. Es fehlt uns dann jede Berechti-
gung, die mittlere Lebensdauer für den Nachweis einer
Verbesserung unserer Rasse zu verwenden.

Es handelt sich demnach zuerst um die Entscheidung
der Vorfrage, ist die Gesammtheit der ausseren Einwir-
kungen nicht etwa einfacher, milder geworden. Wie wir
früher sahen, haben Extral- wie Socialeinflüsse bei der Ver-
vollkommnung mitgewirkt, wir müssen also beide in den
Vergleichszeiten prüfen.

Die extralen, d. h. die nicht in irgend einer Art durch

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[119/0139] Der Leser sieht jetzt schon, welche grossen Schwierig- keiten die Beurtheilung aller dieser einzelnen Momente verursachen würde. Aber nehmen wir einmal an, die Zahl der Kinder einer Mutter und das Alter der Eltern bei der Zeugung sei heute und im Alterthum so ziemlich gleich. Dann handelt es sich immer noch um die Feststellung, ob die äuseren Einflüsse gleich geblieben sind, oder ob sie milder oder schärfer geworden sind. Erst wenn wir auch hier constatiren können, dass sie sich nicht wesentlich verändert haben, dürften wir aus der ziemlich allgemein angenommenen Erhöhung der mittleren Lebensdauer auf eine Erhöhung der Constitutionskraft schliessen. Könnten wir sogar erweisen, dass die äusseren Einwirkungen heute mannigfaltiger und ungünstiger sind als damals, so wäre die jetzige höhere Lebensdauer erst recht ein Zeichen der Vervollkommnung. Wenn wir uns dagegen überzeugen müssten, dass die äusseren Bedingungen einfacher und leichter geworden sind, dann fehlt uns, im Fall wir den Grad der Erleichterung nicht messen können, jeder An- halt für eine Beurtheilung der Constitutionskraft durch die Lebensdauer. Denn bei Erleichterung oder Vereinfachung der Bedingungen kann die mittlere Lebensdauer sogar bei Verringerung der Constitutionskraft noch steigen, wenn nämlich die Bedingungen in verhältnissmässig noch stär- kerem Masse einfacher geworden sind, als die Constitutions- kraft sich verschlechterte. Es fehlt uns dann jede Berechti- gung, die mittlere Lebensdauer für den Nachweis einer Verbesserung unserer Rasse zu verwenden. Es handelt sich demnach zuerst um die Entscheidung der Vorfrage, ist die Gesammtheit der ausseren Einwir- kungen nicht etwa einfacher, milder geworden. Wie wir früher sahen, haben Extral- wie Socialeinflüsse bei der Ver- vollkommnung mitgewirkt, wir müssen also beide in den Vergleichszeiten prüfen. Die extralen, d. h. die nicht in irgend einer Art durch

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/139>, abgerufen am 24.11.2024.