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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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etwas magere, muskelkräftige, intelligente Männer mit
muthigem Gesichtsausdruck schöner finden als fette, schwache
mit dummem oder feigem Ausdruck, so liegt der Grund
darin, dass Männer der ersten Sorte eher im Stande waren,
für Nahrung zu sorgen und Weib und Kinder vor Gefahren
zu beschützen. Frauen, die an Männern der zweiten Sorte
Geschmack fanden, oder die auch nur indifferent bei der
Geschlechtswahl waren, liefen oft Gefahr, in ihren Kindern
mitsammt ihrer Geschmacksrichtung im Kampf um's Dasein
ausgejätet zu werden.

Dies geht noch weiter. Der Geschmack bei der
sexuellen Zuchtwahl musste sich nicht nur in der Richtung
der besseren Fortpflanzungskraft ausbilden, sondern auch
in der Richtung der besseren individuellen Erhaltungskraft.
Denn bei geringer Erhaltungskraft, Schwäche, Kränklichkeit
und Tod eines der Eltern kam nicht nur die Zulänglichkeit
und richtige Zeitdauer der Kinderpflege in Gefahr, sondern
der schlechte Elter hatte ausserdem noch die Tendenz,
seine schwache Erhaltungskraft den Kindern zu vererben,
so dass durch deren leichtere Ausjätung der andere Elter,
der schlecht gewählt hatte, oft mit ausgejätet wurde. Die
natürliche Auslese gab also schliesslich der sexuellen Auslese
die Directive, die ganz im Allgemeinen auf die stärkere
Gesammt-Constitutionskraft gerichtet war. Mit anderen
Worten: das eine Geschlecht findet im Grossen und Ganzen
die starken Convarianten des andern Geschlechtes schön,
die schwachen dagegen weniger schön bis abstossend.

In wie hohem Grade unser Schönheitsgefühl an die
Entwickelung unserer Geschlechtsorgane gebunden ist, also
zu den Sexualfunctionen gehört, können wir aus der be-
kannten Thatsache entnehmen, dass bei früh Castrirten der
Schönheitssinn sich nur äusserst schwach oder gar nicht
entwickelt.

Der Grund, weshalb wir sonst, abgesehen von den
geschlechtlichen Beziehungen, Leute mit hübschen Gesich-

etwas magere, muskelkräftige, intelligente Männer mit
muthigem Gesichtsausdruck schöner finden als fette, schwache
mit dummem oder feigem Ausdruck, so liegt der Grund
darin, dass Männer der ersten Sorte eher im Stande waren,
für Nahrung zu sorgen und Weib und Kinder vor Gefahren
zu beschützen. Frauen, die an Männern der zweiten Sorte
Geschmack fanden, oder die auch nur indifferent bei der
Geschlechtswahl waren, liefen oft Gefahr, in ihren Kindern
mitsammt ihrer Geschmacksrichtung im Kampf um’s Dasein
ausgejätet zu werden.

Dies geht noch weiter. Der Geschmack bei der
sexuellen Zuchtwahl musste sich nicht nur in der Richtung
der besseren Fortpflanzungskraft ausbilden, sondern auch
in der Richtung der besseren individuellen Erhaltungskraft.
Denn bei geringer Erhaltungskraft, Schwäche, Kränklichkeit
und Tod eines der Eltern kam nicht nur die Zulänglichkeit
und richtige Zeitdauer der Kinderpflege in Gefahr, sondern
der schlechte Elter hatte ausserdem noch die Tendenz,
seine schwache Erhaltungskraft den Kindern zu vererben,
so dass durch deren leichtere Ausjätung der andere Elter,
der schlecht gewählt hatte, oft mit ausgejätet wurde. Die
natürliche Auslese gab also schliesslich der sexuellen Auslese
die Directive, die ganz im Allgemeinen auf die stärkere
Gesammt-Constitutionskraft gerichtet war. Mit anderen
Worten: das eine Geschlecht findet im Grossen und Ganzen
die starken Convarianten des andern Geschlechtes schön,
die schwachen dagegen weniger schön bis abstossend.

In wie hohem Grade unser Schönheitsgefühl an die
Entwickelung unserer Geschlechtsorgane gebunden ist, also
zu den Sexualfunctionen gehört, können wir aus der be-
kannten Thatsache entnehmen, dass bei früh Castrirten der
Schönheitssinn sich nur äusserst schwach oder gar nicht
entwickelt.

Der Grund, weshalb wir sonst, abgesehen von den
geschlechtlichen Beziehungen, Leute mit hübschen Gesich-

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[108/0128] etwas magere, muskelkräftige, intelligente Männer mit muthigem Gesichtsausdruck schöner finden als fette, schwache mit dummem oder feigem Ausdruck, so liegt der Grund darin, dass Männer der ersten Sorte eher im Stande waren, für Nahrung zu sorgen und Weib und Kinder vor Gefahren zu beschützen. Frauen, die an Männern der zweiten Sorte Geschmack fanden, oder die auch nur indifferent bei der Geschlechtswahl waren, liefen oft Gefahr, in ihren Kindern mitsammt ihrer Geschmacksrichtung im Kampf um’s Dasein ausgejätet zu werden. Dies geht noch weiter. Der Geschmack bei der sexuellen Zuchtwahl musste sich nicht nur in der Richtung der besseren Fortpflanzungskraft ausbilden, sondern auch in der Richtung der besseren individuellen Erhaltungskraft. Denn bei geringer Erhaltungskraft, Schwäche, Kränklichkeit und Tod eines der Eltern kam nicht nur die Zulänglichkeit und richtige Zeitdauer der Kinderpflege in Gefahr, sondern der schlechte Elter hatte ausserdem noch die Tendenz, seine schwache Erhaltungskraft den Kindern zu vererben, so dass durch deren leichtere Ausjätung der andere Elter, der schlecht gewählt hatte, oft mit ausgejätet wurde. Die natürliche Auslese gab also schliesslich der sexuellen Auslese die Directive, die ganz im Allgemeinen auf die stärkere Gesammt-Constitutionskraft gerichtet war. Mit anderen Worten: das eine Geschlecht findet im Grossen und Ganzen die starken Convarianten des andern Geschlechtes schön, die schwachen dagegen weniger schön bis abstossend. In wie hohem Grade unser Schönheitsgefühl an die Entwickelung unserer Geschlechtsorgane gebunden ist, also zu den Sexualfunctionen gehört, können wir aus der be- kannten Thatsache entnehmen, dass bei früh Castrirten der Schönheitssinn sich nur äusserst schwach oder gar nicht entwickelt. Der Grund, weshalb wir sonst, abgesehen von den geschlechtlichen Beziehungen, Leute mit hübschen Gesich-

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/128>, abgerufen am 25.08.2024.