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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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haben. Die ältesten tertiären Säugethiere, welche wir kennen,
hatten sämmtlich ein sehr kleines Gehirn. ... Es fand dann ein
allmähliches Wachsthum des Gehirns während jener Periode
statt, und es ist wichtig, dass dieses Wachsthum sich haupt-
sächlich auf die Hemisphären des grossen Hirns, auf die
höhere Abtheilung des Gehirns, beschränkte. Bei den meisten
Ordnungen und Familien der Säugethiere ist das Hirn all-
mählich mit stärkeren und zahlreicheren Windungen ausge-
stattet und damit an Qualität so gut wie an Quantität
vorgeschritten ... Während des langen Kampfes um's
Dasein während der Tertiärzeit siegten -- damals wie
auch jetzt noch -- die grösseren Gehirne. Die so ge-
wonnene grössere Kraft machte nun manche Vor,
richtungen überflüssig
, welche von Urahnen ererbt-
aber den neuen Verhältnissen nicht mehr angepasst waren."
Weiterhin sagt Wallace selbst: *) "Es ergiebt sich hieraus,
dass seit der Zeit, wo die Urmenschen zuerst aufrecht gingen,
die Hände frei und nicht beim Fortbewegen nöthig hatten,
wo ihre Gehirnthätigkeit sie befähigte, die Hände zur An-
fertigung von Waffen und Werkzeugen, von Wohnungen
und Kleidungsstücken zu verwenden, Feuer zum Kochen
der Speisen zu erzeugen und Samen oder Wurzeln zu säen
oder zu pflanzen, um die nöthige Nahrung zu erzielen, dass
seit dieser Zeit die natürliche Zuchtwahl aufgehört haben
muss, Modificationen ihres Körperbaues zu veranlassen,
sondern vielmehr ihren Geist mit Hülfe des Organs des-
selben, des Hirnes, weiter entwickelte. Auf diesem Wege
mag der Mensch, der wahre Mensch, die Art Homo sapiens
geworden sein -- sogar schon in der Miocänzeit. Und
während alle übrigen Säugethiere von einer Epoche zur
anderen unter dem Einfluss der beständig wechselnden phy-
sischen und durch andere Lebewesen bedingten äusseren
Verhältnisse umgemodelt wurden, nahm er hauptsächlich

*) Wallace, a. a. O. S. 707

haben. Die ältesten tertiären Säugethiere, welche wir kennen,
hatten sämmtlich ein sehr kleines Gehirn. … Es fand dann ein
allmähliches Wachsthum des Gehirns während jener Periode
statt, und es ist wichtig, dass dieses Wachsthum sich haupt-
sächlich auf die Hemisphären des grossen Hirns, auf die
höhere Abtheilung des Gehirns, beschränkte. Bei den meisten
Ordnungen und Familien der Säugethiere ist das Hirn all-
mählich mit stärkeren und zahlreicheren Windungen ausge-
stattet und damit an Qualität so gut wie an Quantität
vorgeschritten … Während des langen Kampfes um’s
Dasein während der Tertiärzeit siegten — damals wie
auch jetzt noch — die grösseren Gehirne. Die so ge-
wonnene grössere Kraft machte nun manche Vor,
richtungen überflüssig
, welche von Urahnen ererbt-
aber den neuen Verhältnissen nicht mehr angepasst waren.“
Weiterhin sagt Wallace selbst: *) „Es ergiebt sich hieraus,
dass seit der Zeit, wo die Urmenschen zuerst aufrecht gingen,
die Hände frei und nicht beim Fortbewegen nöthig hatten,
wo ihre Gehirnthätigkeit sie befähigte, die Hände zur An-
fertigung von Waffen und Werkzeugen, von Wohnungen
und Kleidungsstücken zu verwenden, Feuer zum Kochen
der Speisen zu erzeugen und Samen oder Wurzeln zu säen
oder zu pflanzen, um die nöthige Nahrung zu erzielen, dass
seit dieser Zeit die natürliche Zuchtwahl aufgehört haben
muss, Modificationen ihres Körperbaues zu veranlassen,
sondern vielmehr ihren Geist mit Hülfe des Organs des-
selben, des Hirnes, weiter entwickelte. Auf diesem Wege
mag der Mensch, der wahre Mensch, die Art Homo sapiens
geworden sein — sogar schon in der Miocänzeit. Und
während alle übrigen Säugethiere von einer Epoche zur
anderen unter dem Einfluss der beständig wechselnden phy-
sischen und durch andere Lebewesen bedingten äusseren
Verhältnisse umgemodelt wurden, nahm er hauptsächlich

*) Wallace, a. a. O. S. 707
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[96/0116] haben. Die ältesten tertiären Säugethiere, welche wir kennen, hatten sämmtlich ein sehr kleines Gehirn. … Es fand dann ein allmähliches Wachsthum des Gehirns während jener Periode statt, und es ist wichtig, dass dieses Wachsthum sich haupt- sächlich auf die Hemisphären des grossen Hirns, auf die höhere Abtheilung des Gehirns, beschränkte. Bei den meisten Ordnungen und Familien der Säugethiere ist das Hirn all- mählich mit stärkeren und zahlreicheren Windungen ausge- stattet und damit an Qualität so gut wie an Quantität vorgeschritten … Während des langen Kampfes um’s Dasein während der Tertiärzeit siegten — damals wie auch jetzt noch — die grösseren Gehirne. Die so ge- wonnene grössere Kraft machte nun manche Vor, richtungen überflüssig, welche von Urahnen ererbt- aber den neuen Verhältnissen nicht mehr angepasst waren.“ Weiterhin sagt Wallace selbst: *) „Es ergiebt sich hieraus, dass seit der Zeit, wo die Urmenschen zuerst aufrecht gingen, die Hände frei und nicht beim Fortbewegen nöthig hatten, wo ihre Gehirnthätigkeit sie befähigte, die Hände zur An- fertigung von Waffen und Werkzeugen, von Wohnungen und Kleidungsstücken zu verwenden, Feuer zum Kochen der Speisen zu erzeugen und Samen oder Wurzeln zu säen oder zu pflanzen, um die nöthige Nahrung zu erzielen, dass seit dieser Zeit die natürliche Zuchtwahl aufgehört haben muss, Modificationen ihres Körperbaues zu veranlassen, sondern vielmehr ihren Geist mit Hülfe des Organs des- selben, des Hirnes, weiter entwickelte. Auf diesem Wege mag der Mensch, der wahre Mensch, die Art Homo sapiens geworden sein — sogar schon in der Miocänzeit. Und während alle übrigen Säugethiere von einer Epoche zur anderen unter dem Einfluss der beständig wechselnden phy- sischen und durch andere Lebewesen bedingten äusseren Verhältnisse umgemodelt wurden, nahm er hauptsächlich *) Wallace, a. a. O. S. 707

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/116>, abgerufen am 01.09.2024.