Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829. Oedipus. Welch Mittel fruchten soll und welche Sühne, Nur einer Götterlippe kann's entschallen; Drum alsogleich verlaß die Rednerbühne, Und flehend eile nach den Tempelhallen, Wo jener Gott, der mächtige, der kühne, Der schöne, der melodische vor Allen, Wo jener fromme Lautenschläger weilet, Der Drachen tödtet und Gebrechen heilet! Und durch ein Lied auf seinem weichen Psalter, Das unsre Dürre, wie ein Strom, umflute, Verkünde gnädig uns der Welterhalter Das Opfer, das für diese Zeiten blute: Wir leben nicht in jenem goldnen Alter, Wo auf dem Siegerwagen schläft das Gute, Um welchen Lorbeern oder Myrten sprossen; Denn diese Zeiten sind aus Erz gegossen! (Er steigt mit raschen Schritten vom Thron herab; Tiresias verläßt den Saal, indem er dem Balthasar begegnet.) Balthasar. Schlimme Botschaft dir zu bringen, komm' ich, König, aus Corinth. Oedipus. Führen wieder mich die Götter durch ein neues Labyrinth, Schwieriger vielleicht als jenes, das bei Nürnberg ward gepflanzt, Wo der Pegnitz Blumenorden unter grünen Buchen tanzt? Balthasar. Polybus ist todt, gestorben ist Zelinde, seine Frau. Oedipus. Welch Mittel fruchten ſoll und welche Suͤhne, Nur einer Goͤtterlippe kann's entſchallen; Drum alſogleich verlaß die Rednerbuͤhne, Und flehend eile nach den Tempelhallen, Wo jener Gott, der maͤchtige, der kuͤhne, Der ſchoͤne, der melodiſche vor Allen, Wo jener fromme Lautenſchlaͤger weilet, Der Drachen toͤdtet und Gebrechen heilet! Und durch ein Lied auf ſeinem weichen Pſalter, Das unſre Duͤrre, wie ein Strom, umflute, Verkuͤnde gnaͤdig uns der Welterhalter Das Opfer, das fuͤr dieſe Zeiten blute: Wir leben nicht in jenem goldnen Alter, Wo auf dem Siegerwagen ſchlaͤft das Gute, Um welchen Lorbeern oder Myrten ſproſſen; Denn dieſe Zeiten ſind aus Erz gegoſſen! (Er ſteigt mit raſchen Schritten vom Thron herab; Tireſias verlaͤßt den Saal, indem er dem Balthaſar begegnet.) Balthaſar. Schlimme Botſchaft dir zu bringen, komm' ich, Koͤnig, aus Corinth. Oedipus. Fuͤhren wieder mich die Goͤtter durch ein neues Labyrinth, Schwieriger vielleicht als jenes, das bei Nuͤrnberg ward gepflanzt, Wo der Pegnitz Blumenorden unter gruͤnen Buchen tanzt? Balthaſar. Polybus iſt todt, geſtorben iſt Zelinde, ſeine Frau. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0075" n="69"/> <sp who="#OED"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Oedipus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Welch Mittel fruchten ſoll und welche Suͤhne,<lb/> Nur einer Goͤtterlippe kann's entſchallen;<lb/> Drum alſogleich verlaß die Rednerbuͤhne,<lb/> Und flehend eile nach den Tempelhallen,<lb/> Wo jener Gott, der maͤchtige, der kuͤhne,<lb/> Der ſchoͤne, der melodiſche vor Allen,<lb/> Wo jener fromme Lautenſchlaͤger weilet,<lb/> Der Drachen toͤdtet und Gebrechen heilet!</p><lb/> <p>Und durch ein Lied auf ſeinem weichen Pſalter,<lb/> Das unſre Duͤrre, wie ein Strom, umflute,<lb/> Verkuͤnde gnaͤdig uns der Welterhalter<lb/> Das Opfer, das fuͤr dieſe Zeiten blute:<lb/> Wir leben nicht in jenem goldnen Alter,<lb/> Wo auf dem Siegerwagen ſchlaͤft das Gute,<lb/> Um welchen Lorbeern oder Myrten ſproſſen;<lb/> Denn dieſe Zeiten ſind aus Erz gegoſſen!</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Er ſteigt mit raſchen Schritten vom Thron herab; <hi rendition="#g">Tireſias</hi><lb/> verlaͤßt den Saal, indem er dem <hi rendition="#g">Balthaſar</hi> begegnet.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#BAL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Balthaſar</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Schlimme Botſchaft dir zu bringen, komm' ich, Koͤnig, aus<lb/> Corinth.</p> </sp><lb/> <sp who="#OED"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Oedipus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Fuͤhren wieder mich die Goͤtter durch ein neues Labyrinth,<lb/> Schwieriger vielleicht als jenes, das bei Nuͤrnberg ward<lb/> gepflanzt,<lb/> Wo der Pegnitz Blumenorden unter gruͤnen Buchen tanzt?</p> </sp><lb/> <sp who="#BAL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Balthaſar</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Polybus iſt todt, geſtorben iſt Zelinde, ſeine Frau.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0075]
Oedipus.
Welch Mittel fruchten ſoll und welche Suͤhne,
Nur einer Goͤtterlippe kann's entſchallen;
Drum alſogleich verlaß die Rednerbuͤhne,
Und flehend eile nach den Tempelhallen,
Wo jener Gott, der maͤchtige, der kuͤhne,
Der ſchoͤne, der melodiſche vor Allen,
Wo jener fromme Lautenſchlaͤger weilet,
Der Drachen toͤdtet und Gebrechen heilet!
Und durch ein Lied auf ſeinem weichen Pſalter,
Das unſre Duͤrre, wie ein Strom, umflute,
Verkuͤnde gnaͤdig uns der Welterhalter
Das Opfer, das fuͤr dieſe Zeiten blute:
Wir leben nicht in jenem goldnen Alter,
Wo auf dem Siegerwagen ſchlaͤft das Gute,
Um welchen Lorbeern oder Myrten ſproſſen;
Denn dieſe Zeiten ſind aus Erz gegoſſen!
(Er ſteigt mit raſchen Schritten vom Thron herab; Tireſias
verlaͤßt den Saal, indem er dem Balthaſar begegnet.)
Balthaſar.
Schlimme Botſchaft dir zu bringen, komm' ich, Koͤnig, aus
Corinth.
Oedipus.
Fuͤhren wieder mich die Goͤtter durch ein neues Labyrinth,
Schwieriger vielleicht als jenes, das bei Nuͤrnberg ward
gepflanzt,
Wo der Pegnitz Blumenorden unter gruͤnen Buchen tanzt?
Balthaſar.
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/75>, abgerufen am 11.02.2025. |