Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.
Wenn Vertumnus ausgeschüttet seines Ueberflusses Horn, In Campanien vor die Augen trat mir ein Berliner Christ, Und ich sah, daß dieser Leute Gott ein bloßer Apis ist; Auch die Krüdner, wo sie jemals lehrte, wo sie wirkte je, Nicht Velleda war sie, scheint es; aber wohl Pasiphae! Zelinde. Hast du denn auf deinen Reisen nichts als Heuchlervolk erblickt, Keinen, welcher gegen Himmel wirkliche Gebete schickt? Diagoras. Einen wahren Frommen sah ich, den das Erzgebürg gebar, Der, was Jene tölpisch äffen, wirklich in der Seele war; Doch wie Mancher, der so linkisch itzt den Himmel klimmt hinan, Thut es, weil gerad' er eines frommen Königs Unterthan: Wäre noch, wie sonst, ein Freigeist Flügelmann, wie schnell belehrt Würden Jene Gott verläugnen durch ein steifes Rechtsumkehrt! Zelinde. Laß uns von uns selber sprechen! Liebst du wirklich mich getreu? Diagoras. Kannst du fragen? Zelinde. Deine Worte, sind es keine leere Spreu? Diagoras. Prüfe mich! Die größte Probe scheint mir, dir zu Liebe, klein. Zelinde. Nun so schenke mir dein Herz! Diagoras. Seit sechzig Jahren ist es dein!
Wenn Vertumnus ausgeſchuͤttet ſeines Ueberfluſſes Horn, In Campanien vor die Augen trat mir ein Berliner Chriſt, Und ich ſah, daß dieſer Leute Gott ein bloßer Apis iſt; Auch die Kruͤdner, wo ſie jemals lehrte, wo ſie wirkte je, Nicht Velleda war ſie, ſcheint es; aber wohl Paſiphae! Zelinde. Haſt du denn auf deinen Reiſen nichts als Heuchlervolk erblickt, Keinen, welcher gegen Himmel wirkliche Gebete ſchickt? Diagoras. Einen wahren Frommen ſah ich, den das Erzgebuͤrg gebar, Der, was Jene toͤlpiſch aͤffen, wirklich in der Seele war; Doch wie Mancher, der ſo linkiſch itzt den Himmel klimmt hinan, Thut es, weil gerad' er eines frommen Koͤnigs Unterthan: Waͤre noch, wie ſonſt, ein Freigeiſt Fluͤgelmann, wie ſchnell belehrt Wuͤrden Jene Gott verlaͤugnen durch ein ſteifes Rechtsumkehrt! Zelinde. Laß uns von uns ſelber ſprechen! Liebſt du wirklich mich getreu? Diagoras. Kannſt du fragen? Zelinde. Deine Worte, ſind es keine leere Spreu? Diagoras. Pruͤfe mich! Die groͤßte Probe ſcheint mir, dir zu Liebe, klein. Zelinde. Nun ſo ſchenke mir dein Herz! Diagoras. Seit ſechzig Jahren iſt es dein! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#DIA"> <p><pb facs="#f0066" n="60"/> Wenn Vertumnus ausgeſchuͤttet ſeines Ueberfluſſes Horn,<lb/> In Campanien vor die Augen trat mir ein Berliner Chriſt,<lb/> Und ich ſah, daß dieſer Leute Gott ein bloßer Apis iſt;<lb/> Auch die Kruͤdner, wo ſie jemals lehrte, wo ſie wirkte je,<lb/> Nicht Velleda war ſie, ſcheint es; aber wohl Paſiphae!</p> </sp><lb/> <sp who="#ZEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Haſt du denn auf deinen Reiſen nichts als Heuchlervolk<lb/> erblickt,<lb/> Keinen, welcher gegen Himmel wirkliche Gebete ſchickt?</p> </sp><lb/> <sp who="#DIA"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Diagoras</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Einen wahren Frommen ſah ich, den das Erzgebuͤrg gebar,<lb/> Der, was Jene toͤlpiſch aͤffen, wirklich in der Seele war;<lb/> Doch wie Mancher, der ſo linkiſch itzt den Himmel klimmt<lb/> hinan,<lb/> Thut es, weil gerad' er eines frommen Koͤnigs Unterthan:<lb/> Waͤre noch, wie ſonſt, ein Freigeiſt Fluͤgelmann, wie ſchnell<lb/> belehrt<lb/> Wuͤrden Jene Gott verlaͤugnen durch ein ſteifes Rechtsumkehrt!</p> </sp><lb/> <sp who="#ZEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Laß uns von uns ſelber ſprechen! Liebſt du wirklich mich<lb/> getreu?</p> </sp><lb/> <sp who="#DIA"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Diagoras</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Kannſt du fragen?</p> </sp><lb/> <sp who="#ZEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Deine Worte, ſind es keine leere Spreu?</p> </sp><lb/> <sp who="#DIA"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Diagoras</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Pruͤfe mich! Die groͤßte Probe ſcheint mir, dir zu Liebe, klein.</p> </sp><lb/> <sp who="#ZEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Nun ſo ſchenke mir dein Herz!</p> </sp><lb/> <sp who="#DIA"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Diagoras</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Seit ſechzig Jahren iſt es dein!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0066]
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Und ich ſah, daß dieſer Leute Gott ein bloßer Apis iſt;
Auch die Kruͤdner, wo ſie jemals lehrte, wo ſie wirkte je,
Nicht Velleda war ſie, ſcheint es; aber wohl Paſiphae!
Zelinde.
Haſt du denn auf deinen Reiſen nichts als Heuchlervolk
erblickt,
Keinen, welcher gegen Himmel wirkliche Gebete ſchickt?
Diagoras.
Einen wahren Frommen ſah ich, den das Erzgebuͤrg gebar,
Der, was Jene toͤlpiſch aͤffen, wirklich in der Seele war;
Doch wie Mancher, der ſo linkiſch itzt den Himmel klimmt
hinan,
Thut es, weil gerad' er eines frommen Koͤnigs Unterthan:
Waͤre noch, wie ſonſt, ein Freigeiſt Fluͤgelmann, wie ſchnell
belehrt
Wuͤrden Jene Gott verlaͤugnen durch ein ſteifes Rechtsumkehrt!
Zelinde.
Laß uns von uns ſelber ſprechen! Liebſt du wirklich mich
getreu?
Diagoras.
Kannſt du fragen?
Zelinde.
Deine Worte, ſind es keine leere Spreu?
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Pruͤfe mich! Die groͤßte Probe ſcheint mir, dir zu Liebe, klein.
Zelinde.
Nun ſo ſchenke mir dein Herz!
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