Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.
Dort, wo bewundert ward Fouque und wer in dessen Stapfen trat, Wo man den Raupel jetzt verehrt und sein Tragödienfabrikat (Deswegen, heißt es, soll er auch, wie ein Genie die Backen blähn; Doch will er Philomele sein, so muß er flöten, statt zu krähn: Es ist der Ruhm an manchem Ort ein gar zu leicht erworbner Schatz, Wo Alles nach den Sphären lauscht, wenn auf dem Schlote singt ein Spatz!) O stünde doch im Lande Teuts ein Solon auf, und sagte dreist: Nie schreibe mehr ein Trauerspiel, wer ganz versimpelt ist an Geist! Und da's so viel Calvine giebt, durch ihre Strenge wohl- bekannt, So werde wöchentlich ein Stoß Tragödien öffentlich ver- brannt: Die Flamme schlage hoch empor, und mächtig lodernd schwängre sie Tholucks gelehrte Stubenluft mit einem Hauch von Poesie, Verwandle vor dem trüben Blick des ganz ascetischen Cumpans Die ew'gen Fröste von Berlin in einen Frühling Kanaans! Doch merk' ich, daß umsonst ich nur, der Poetasterei zu Trutz, Die Rechtsgelehrten angeregt, die Geistlichen gefleht um Schutz: Euch Aerzte ruf' ich endlich auf, da sonst mir keine Hülfe bleibt, Euch Aerzte, die ihr manchem Mann manch nützliches Recept verschreibt,
Dort, wo bewundert ward Fouqué und wer in deſſen Stapfen trat, Wo man den Raupel jetzt verehrt und ſein Tragoͤdienfabrikat (Deswegen, heißt es, ſoll er auch, wie ein Genie die Backen blaͤhn; Doch will er Philomele ſein, ſo muß er floͤten, ſtatt zu kraͤhn: Es iſt der Ruhm an manchem Ort ein gar zu leicht erworbner Schatz, Wo Alles nach den Sphaͤren lauſcht, wenn auf dem Schlote ſingt ein Spatz!) O ſtuͤnde doch im Lande Teuts ein Solon auf, und ſagte dreiſt: Nie ſchreibe mehr ein Trauerſpiel, wer ganz verſimpelt iſt an Geiſt! Und da's ſo viel Calvine giebt, durch ihre Strenge wohl- bekannt, So werde woͤchentlich ein Stoß Tragoͤdien oͤffentlich ver- brannt: Die Flamme ſchlage hoch empor, und maͤchtig lodernd ſchwaͤngre ſie Tholucks gelehrte Stubenluft mit einem Hauch von Poeſie, Verwandle vor dem truͤben Blick des ganz ascetiſchen Cumpans Die ew'gen Froͤſte von Berlin in einen Fruͤhling Kanaans! Doch merk' ich, daß umſonſt ich nur, der Poetaſterei zu Trutz, Die Rechtsgelehrten angeregt, die Geiſtlichen gefleht um Schutz: Euch Aerzte ruf' ich endlich auf, da ſonſt mir keine Huͤlfe bleibt, Euch Aerzte, die ihr manchem Mann manch nuͤtzliches Recept verſchreibt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SPH"> <p><pb facs="#f0063" n="57"/> Dort, wo bewundert ward Fouqué und wer in deſſen Stapfen<lb/> trat,<lb/> Wo man den Raupel jetzt verehrt und ſein Tragoͤdienfabrikat<lb/> (Deswegen, heißt es, ſoll er auch, wie ein Genie die Backen<lb/> blaͤhn;<lb/> Doch will er Philomele ſein, ſo muß er floͤten, ſtatt zu kraͤhn:<lb/> Es iſt der Ruhm an manchem Ort ein gar zu leicht erworbner<lb/> Schatz,<lb/> Wo Alles nach den Sphaͤren lauſcht, wenn auf dem Schlote<lb/> ſingt ein Spatz!)<lb/> O ſtuͤnde doch im Lande Teuts ein Solon auf, und ſagte<lb/> dreiſt:<lb/> Nie ſchreibe mehr ein Trauerſpiel, wer ganz verſimpelt iſt<lb/> an Geiſt!<lb/> Und da's ſo viel Calvine giebt, durch ihre Strenge wohl-<lb/> bekannt,<lb/> So werde woͤchentlich ein Stoß Tragoͤdien oͤffentlich ver-<lb/> brannt:<lb/> Die Flamme ſchlage hoch empor, und maͤchtig lodernd<lb/> ſchwaͤngre ſie<lb/> Tholucks gelehrte Stubenluft mit einem Hauch von Poeſie,<lb/> Verwandle vor dem truͤben Blick des ganz ascetiſchen Cumpans<lb/> Die ew'gen Froͤſte von Berlin in einen Fruͤhling Kanaans!<lb/> Doch merk' ich, daß umſonſt ich nur, der Poetaſterei zu<lb/> Trutz,<lb/> Die Rechtsgelehrten angeregt, die Geiſtlichen gefleht um<lb/> Schutz:<lb/> Euch Aerzte ruf' ich endlich auf, da ſonſt mir keine Huͤlfe<lb/> bleibt,<lb/> Euch Aerzte, die ihr manchem Mann manch nuͤtzliches Recept<lb/> verſchreibt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0063]
Dort, wo bewundert ward Fouqué und wer in deſſen Stapfen
trat,
Wo man den Raupel jetzt verehrt und ſein Tragoͤdienfabrikat
(Deswegen, heißt es, ſoll er auch, wie ein Genie die Backen
blaͤhn;
Doch will er Philomele ſein, ſo muß er floͤten, ſtatt zu kraͤhn:
Es iſt der Ruhm an manchem Ort ein gar zu leicht erworbner
Schatz,
Wo Alles nach den Sphaͤren lauſcht, wenn auf dem Schlote
ſingt ein Spatz!)
O ſtuͤnde doch im Lande Teuts ein Solon auf, und ſagte
dreiſt:
Nie ſchreibe mehr ein Trauerſpiel, wer ganz verſimpelt iſt
an Geiſt!
Und da's ſo viel Calvine giebt, durch ihre Strenge wohl-
bekannt,
So werde woͤchentlich ein Stoß Tragoͤdien oͤffentlich ver-
brannt:
Die Flamme ſchlage hoch empor, und maͤchtig lodernd
ſchwaͤngre ſie
Tholucks gelehrte Stubenluft mit einem Hauch von Poeſie,
Verwandle vor dem truͤben Blick des ganz ascetiſchen Cumpans
Die ew'gen Froͤſte von Berlin in einen Fruͤhling Kanaans!
Doch merk' ich, daß umſonſt ich nur, der Poetaſterei zu
Trutz,
Die Rechtsgelehrten angeregt, die Geiſtlichen gefleht um
Schutz:
Euch Aerzte ruf' ich endlich auf, da ſonſt mir keine Huͤlfe
bleibt,
Euch Aerzte, die ihr manchem Mann manch nuͤtzliches Recept
verſchreibt,
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/63>, abgerufen am 11.02.2025. |