Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.

Bild:
<< vorherige Seite
Zelinde.
Dein Gemüth durchschau' ich endlich, welches, dieß erkenn'
ich klar,
Nie das Rauchgefäß der wahren, überird'schen Liebe war,
Das von reiner Hand geschwungen nach des reinen Himmels
Dom,
Dampft vom Wohlgeruch der Seele, wie von Myrrhen und
Amom!
Diagoras.
Gern in solche Höhen hätt' ich meine Phantasie geschraubt,
Die sich wider meinen Willen andre Phantasien erlaubt:
Statt des Himmels Dom erblick' ich deines Bettes Himmel
blos,
Und am Vorhang zieh' ich, knüpfe seine goldnen Schnüre los.
Zelinde.
Hör' ich recht? O welche Sitten! Welch ein Abscheu! Welche
Pest!
Deine Kühnheit tödtet meiner kühlen Liebe schwachen Rest!
Dieses Kind, das du so eben in die Hände mir gespielt,
Hast du sicherlich mit einer Concubine selbst erzielt:
Während ich platonisch klagte, bist du heimlich mir entschlüpft,
Hast Gardinen aufgezogen, goldne Quasten aufgeknüpft;
Mich begabst du mit dem Bankert, den du in die Welt
gesetzt,
Machst mich glauben, auf den Pinien wüchsen kleine Kinder
jetzt?
Doch das Kind behalten will ich, und damit es nicht verrucht
Wie der Vater werde, will ich's auferziehn in strenger Zucht;
Aber du entweiche, fliehe dieß Gemach in raschem Lauf,
Eine lange Probe leg' ich, o Diagoras, dir auf!
Dreißig Jahre sollst du, meine Blicke meidend, irre gehn,
Zelinde.
Dein Gemuͤth durchſchau' ich endlich, welches, dieß erkenn'
ich klar,
Nie das Rauchgefaͤß der wahren, uͤberird'ſchen Liebe war,
Das von reiner Hand geſchwungen nach des reinen Himmels
Dom,
Dampft vom Wohlgeruch der Seele, wie von Myrrhen und
Amom!
Diagoras.
Gern in ſolche Hoͤhen haͤtt' ich meine Phantaſie geſchraubt,
Die ſich wider meinen Willen andre Phantaſien erlaubt:
Statt des Himmels Dom erblick' ich deines Bettes Himmel
blos,
Und am Vorhang zieh' ich, knuͤpfe ſeine goldnen Schnuͤre los.
Zelinde.
Hoͤr' ich recht? O welche Sitten! Welch ein Abſcheu! Welche
Peſt!
Deine Kuͤhnheit toͤdtet meiner kuͤhlen Liebe ſchwachen Reſt!
Dieſes Kind, das du ſo eben in die Haͤnde mir geſpielt,
Haſt du ſicherlich mit einer Concubine ſelbſt erzielt:
Waͤhrend ich platoniſch klagte, biſt du heimlich mir entſchluͤpft,
Haſt Gardinen aufgezogen, goldne Quaſten aufgeknuͤpft;
Mich begabſt du mit dem Bankert, den du in die Welt
geſetzt,
Machſt mich glauben, auf den Pinien wuͤchſen kleine Kinder
jetzt?
Doch das Kind behalten will ich, und damit es nicht verrucht
Wie der Vater werde, will ich's auferziehn in ſtrenger Zucht;
Aber du entweiche, fliehe dieß Gemach in raſchem Lauf,
Eine lange Probe leg' ich, o Diagoras, dir auf!
Dreißig Jahre ſollſt du, meine Blicke meidend, irre gehn,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0040" n="34"/>
          <sp who="#ZEL">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Dein Gemu&#x0364;th durch&#x017F;chau' ich endlich, welches, dieß erkenn'<lb/>
ich klar,<lb/>
Nie das Rauchgefa&#x0364;ß der wahren, u&#x0364;berird'&#x017F;chen Liebe war,<lb/>
Das von reiner Hand ge&#x017F;chwungen nach des reinen Himmels<lb/>
Dom,<lb/>
Dampft vom Wohlgeruch der Seele, wie von Myrrhen und<lb/>
Amom!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#DIA">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Diagoras</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Gern in &#x017F;olche Ho&#x0364;hen ha&#x0364;tt' ich meine Phanta&#x017F;ie ge&#x017F;chraubt,<lb/>
Die &#x017F;ich wider meinen Willen andre Phanta&#x017F;ien erlaubt:<lb/>
Statt des Himmels Dom erblick' ich deines Bettes Himmel<lb/>
blos,<lb/>
Und am Vorhang zieh' ich, knu&#x0364;pfe &#x017F;eine goldnen Schnu&#x0364;re los.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ZEL">
            <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Ho&#x0364;r' ich recht? O welche Sitten! Welch ein Ab&#x017F;cheu! Welche<lb/>
Pe&#x017F;t!<lb/>
Deine Ku&#x0364;hnheit to&#x0364;dtet meiner ku&#x0364;hlen Liebe &#x017F;chwachen Re&#x017F;t!<lb/>
Die&#x017F;es Kind, das du &#x017F;o eben in die Ha&#x0364;nde mir ge&#x017F;pielt,<lb/>
Ha&#x017F;t du &#x017F;icherlich mit einer Concubine &#x017F;elb&#x017F;t erzielt:<lb/>
Wa&#x0364;hrend ich platoni&#x017F;ch klagte, bi&#x017F;t du heimlich mir ent&#x017F;chlu&#x0364;pft,<lb/>
Ha&#x017F;t Gardinen aufgezogen, goldne Qua&#x017F;ten aufgeknu&#x0364;pft;<lb/>
Mich begab&#x017F;t du mit dem Bankert, den du in die Welt<lb/>
ge&#x017F;etzt,<lb/>
Mach&#x017F;t mich glauben, auf den Pinien wu&#x0364;ch&#x017F;en kleine Kinder<lb/>
jetzt?<lb/>
Doch das Kind behalten will ich, und damit es nicht verrucht<lb/>
Wie der Vater werde, will ich's auferziehn in &#x017F;trenger Zucht;<lb/>
Aber du entweiche, fliehe dieß Gemach in ra&#x017F;chem Lauf,<lb/>
Eine lange Probe leg' ich, o <choice><sic>Diogaras</sic><corr>Diagoras</corr></choice>, dir auf!<lb/>
Dreißig Jahre &#x017F;oll&#x017F;t du, meine Blicke meidend, irre gehn,<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0040] Zelinde. Dein Gemuͤth durchſchau' ich endlich, welches, dieß erkenn' ich klar, Nie das Rauchgefaͤß der wahren, uͤberird'ſchen Liebe war, Das von reiner Hand geſchwungen nach des reinen Himmels Dom, Dampft vom Wohlgeruch der Seele, wie von Myrrhen und Amom! Diagoras. Gern in ſolche Hoͤhen haͤtt' ich meine Phantaſie geſchraubt, Die ſich wider meinen Willen andre Phantaſien erlaubt: Statt des Himmels Dom erblick' ich deines Bettes Himmel blos, Und am Vorhang zieh' ich, knuͤpfe ſeine goldnen Schnuͤre los. Zelinde. Hoͤr' ich recht? O welche Sitten! Welch ein Abſcheu! Welche Peſt! Deine Kuͤhnheit toͤdtet meiner kuͤhlen Liebe ſchwachen Reſt! Dieſes Kind, das du ſo eben in die Haͤnde mir geſpielt, Haſt du ſicherlich mit einer Concubine ſelbſt erzielt: Waͤhrend ich platoniſch klagte, biſt du heimlich mir entſchluͤpft, Haſt Gardinen aufgezogen, goldne Quaſten aufgeknuͤpft; Mich begabſt du mit dem Bankert, den du in die Welt geſetzt, Machſt mich glauben, auf den Pinien wuͤchſen kleine Kinder jetzt? Doch das Kind behalten will ich, und damit es nicht verrucht Wie der Vater werde, will ich's auferziehn in ſtrenger Zucht; Aber du entweiche, fliehe dieß Gemach in raſchem Lauf, Eine lange Probe leg' ich, o Diagoras, dir auf! Dreißig Jahre ſollſt du, meine Blicke meidend, irre gehn,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/40
Zitationshilfe: Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/40>, abgerufen am 11.12.2024.