Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.Nachschrift an den Romantiker. -- Breve -- Breve Breve --, -- Breve Breve -- Breve -- Vorwürfe hab' ich gehört, noch eh' ich zu Stand gebracht Das Werk, mit welchem ich dich, mein süßer Gesell, bedacht; Es sprachen Freunde zu mir: "Wir sind an Poeten reich, Was wählst du Helden dir aus, die schwach und verrückt zu- gleich? Wer Nachtigallengesang zu tönen versteht, wie du, Zieht sich das Rachegekreisch des Krähengeschlechtes zu? Nie hat Apollo gezielt auf Hasen und andern Troß, Die stolze Niobe nur demüthigte sein Geschoß." Ich muß vor solchem Verdacht vertheidigen jenes Lied: Mein Held, was bist du mir denn, mein hinkender Jamben- schmied? Ein Ueberbleibsel der Zeit, die hoffentlich nun vorbei, Jahrzehntelangen Gequicks romantischer, letzter Schrei! Zwar macht dich keiner so leicht, sammt deinen Gefährten, stumm; Doch denken lerne die Welt, und scheide Gerad' und Krumm! Irrthümern bin ich gefolgt und habe, da falscher Schein Betrügt, die Hefe geschöpft, zu zeigen, wie schlecht der Wein, Dem Volk zu zeigen, wohin, in welches Gewölk von Dunst Unreifer Schwindel geführt, und kindische, lahme Kunst: Erst war man blos paradox, bald folgte der tollste Quark, Wahrheit ergrimmte zuletzt, und siehe, sie war so stark! Nachſchrift an den Romantiker. ⏓ — ⏑ — ⏑ ⏑ —, ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ — Vorwuͤrfe hab' ich gehoͤrt, noch eh' ich zu Stand gebracht Das Werk, mit welchem ich dich, mein ſuͤßer Geſell, bedacht; Es ſprachen Freunde zu mir: „Wir ſind an Poeten reich, Was waͤhlſt du Helden dir aus, die ſchwach und verruͤckt zu- gleich? Wer Nachtigallengeſang zu toͤnen verſteht, wie du, Zieht ſich das Rachegekreiſch des Kraͤhengeſchlechtes zu? Nie hat Apollo gezielt auf Haſen und andern Troß, Die ſtolze Niobe nur demuͤthigte ſein Geſchoß.“ Ich muß vor ſolchem Verdacht vertheidigen jenes Lied: Mein Held, was biſt du mir denn, mein hinkender Jamben- ſchmied? Ein Ueberbleibſel der Zeit, die hoffentlich nun vorbei, Jahrzehntelangen Gequicks romantiſcher, letzter Schrei! Zwar macht dich keiner ſo leicht, ſammt deinen Gefaͤhrten, ſtumm; Doch denken lerne die Welt, und ſcheide Gerad' und Krumm! Irrthuͤmern bin ich gefolgt und habe, da falſcher Schein Betruͤgt, die Hefe geſchoͤpft, zu zeigen, wie ſchlecht der Wein, Dem Volk zu zeigen, wohin, in welches Gewoͤlk von Dunſt Unreifer Schwindel gefuͤhrt, und kindiſche, lahme Kunſt: Erſt war man blos paradox, bald folgte der tollſte Quark, Wahrheit ergrimmte zuletzt, und ſiehe, ſie war ſo ſtark! <TEI> <text> <body> <pb n="[103]" facs="#f0109"/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nachſchrift an den Romantiker</hi>.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">⏓ — ⏑ — ⏑ ⏑ —, ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ —</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Vorwuͤrfe hab' ich gehoͤrt, noch eh' ich zu Stand gebracht</l><lb/> <l>Das Werk, mit welchem ich dich, mein ſuͤßer Geſell, bedacht;</l><lb/> <l>Es ſprachen Freunde zu mir: „Wir ſind an Poeten reich,</l><lb/> <l>Was waͤhlſt du Helden dir aus, die ſchwach und verruͤckt zu-</l><lb/> <l>gleich?</l><lb/> <l>Wer Nachtigallengeſang zu toͤnen verſteht, wie du,</l><lb/> <l>Zieht ſich das Rachegekreiſch des Kraͤhengeſchlechtes zu?</l><lb/> <l>Nie hat Apollo gezielt auf Haſen und andern Troß,</l><lb/> <l>Die ſtolze Niobe nur demuͤthigte ſein Geſchoß.“</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ich muß vor ſolchem Verdacht vertheidigen jenes Lied:</l><lb/> <l>Mein Held, was biſt du mir denn, mein hinkender Jamben-</l><lb/> <l>ſchmied?</l><lb/> <l>Ein Ueberbleibſel der Zeit, die hoffentlich nun vorbei,</l><lb/> <l>Jahrzehntelangen Gequicks romantiſcher, letzter Schrei!</l><lb/> <l>Zwar macht dich keiner ſo leicht, ſammt deinen Gefaͤhrten,</l><lb/> <l>ſtumm;</l><lb/> <l>Doch denken lerne die Welt, und ſcheide Gerad' und Krumm!</l><lb/> <l>Irrthuͤmern bin ich gefolgt und habe, da falſcher Schein</l><lb/> <l>Betruͤgt, die Hefe geſchoͤpft, zu zeigen, wie ſchlecht der Wein,</l><lb/> <l>Dem Volk zu zeigen, wohin, in welches Gewoͤlk von Dunſt</l><lb/> <l>Unreifer Schwindel gefuͤhrt, und kindiſche, lahme Kunſt:</l><lb/> <l>Erſt war man blos paradox, bald folgte der tollſte Quark,</l><lb/> <l>Wahrheit ergrimmte zuletzt, und ſiehe, ſie war ſo ſtark!</l><lb/> <l> </l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [[103]/0109]
Nachſchrift an den Romantiker.
⏓ — ⏑ — ⏑ ⏑ —, ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ —
Vorwuͤrfe hab' ich gehoͤrt, noch eh' ich zu Stand gebracht
Das Werk, mit welchem ich dich, mein ſuͤßer Geſell, bedacht;
Es ſprachen Freunde zu mir: „Wir ſind an Poeten reich,
Was waͤhlſt du Helden dir aus, die ſchwach und verruͤckt zu-
gleich?
Wer Nachtigallengeſang zu toͤnen verſteht, wie du,
Zieht ſich das Rachegekreiſch des Kraͤhengeſchlechtes zu?
Nie hat Apollo gezielt auf Haſen und andern Troß,
Die ſtolze Niobe nur demuͤthigte ſein Geſchoß.“
Ich muß vor ſolchem Verdacht vertheidigen jenes Lied:
Mein Held, was biſt du mir denn, mein hinkender Jamben-
ſchmied?
Ein Ueberbleibſel der Zeit, die hoffentlich nun vorbei,
Jahrzehntelangen Gequicks romantiſcher, letzter Schrei!
Zwar macht dich keiner ſo leicht, ſammt deinen Gefaͤhrten,
ſtumm;
Doch denken lerne die Welt, und ſcheide Gerad' und Krumm!
Irrthuͤmern bin ich gefolgt und habe, da falſcher Schein
Betruͤgt, die Hefe geſchoͤpft, zu zeigen, wie ſchlecht der Wein,
Dem Volk zu zeigen, wohin, in welches Gewoͤlk von Dunſt
Unreifer Schwindel gefuͤhrt, und kindiſche, lahme Kunſt:
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. [103]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/109>, abgerufen am 03.03.2025. |