Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.Die Antiken. 1820. Laßt uns ledig, und öffnet sogleich Rüstkammer und Wandschrank! Nicht am dumpfigen Ort in Gewölben zu wohnen ge¬ ziemt uns: Denkt doch, was wir und wo wir gewesen, und schenket uns Mitleid! Dies uralte Gefäß war einst der egyptischen Gärten Zier, und Cleopatra selbst ließ füllen mit Myrtenge¬ zweig es; Dieser geschnittene Stein, ein doppelgeschichteter Onyx, Zierte des jungen Antinous Hand, als köstlichen Ring¬ schmuck Trug ihn der schöne, doch ach! zu frühe vergötterte Jüngling; Ich, als Hermes, stand in der Halle des Cäsar Augustus, Wo mich ein Lorbeergewächs mit südlichem Duft an¬ hauchte. Und nun habt ihr uns hier aneinandergehäuft und geordnet, Eines das andre verdrängend, und dies durch jenes verdunkelt, Keins am schicklichen Ort, in belebendem Schimmer der Sonne. Selbst das gelehrte Gesicht des begaffenden Kenners er¬ müdend, Liegen geschichtet wir hier, gleich traurigen Knochen im Beinhaus, Die Antiken. 1820. Laßt uns ledig, und oͤffnet ſogleich Ruͤſtkammer und Wandſchrank! Nicht am dumpfigen Ort in Gewoͤlben zu wohnen ge¬ ziemt uns: Denkt doch, was wir und wo wir geweſen, und ſchenket uns Mitleid! Dies uralte Gefaͤß war einſt der egyptiſchen Gaͤrten Zier, und Cleopatra ſelbſt ließ fuͤllen mit Myrtenge¬ zweig es; Dieſer geſchnittene Stein, ein doppelgeſchichteter Onyx, Zierte des jungen Antinous Hand, als koͤſtlichen Ring¬ ſchmuck Trug ihn der ſchoͤne, doch ach! zu fruͤhe vergoͤtterte Juͤngling; Ich, als Hermes, ſtand in der Halle des Caͤſar Auguſtus, Wo mich ein Lorbeergewaͤchs mit ſuͤdlichem Duft an¬ hauchte. Und nun habt ihr uns hier aneinandergehaͤuft und geordnet, Eines das andre verdraͤngend, und dies durch jenes verdunkelt, Keins am ſchicklichen Ort, in belebendem Schimmer der Sonne. Selbſt das gelehrte Geſicht des begaffenden Kenners er¬ muͤdend, Liegen geſchichtet wir hier, gleich traurigen Knochen im Beinhaus, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb n="63" facs="#f0073"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Die Antiken.</hi><lb/> </head> <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">1820.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">L</hi>aßt uns ledig, und oͤffnet ſogleich Ruͤſtkammer und<lb/><hi rendition="#et">Wandſchrank!</hi></l><lb/> <l>Nicht am dumpfigen Ort in Gewoͤlben zu wohnen ge¬<lb/><hi rendition="#et">ziemt uns:</hi></l><lb/> <l>Denkt doch, was wir und wo wir geweſen, und ſchenket<lb/><hi rendition="#et">uns Mitleid!</hi></l><lb/> <l>Dies uralte Gefaͤß war einſt der egyptiſchen Gaͤrten</l><lb/> <l>Zier, und Cleopatra ſelbſt ließ fuͤllen mit Myrtenge¬<lb/><hi rendition="#et">zweig es;</hi></l><lb/> <l>Dieſer geſchnittene Stein, ein doppelgeſchichteter Onyx,</l><lb/> <l>Zierte des jungen Antinous Hand, als koͤſtlichen Ring¬<lb/><hi rendition="#et">ſchmuck</hi></l><lb/> <l>Trug ihn der ſchoͤne, doch ach! zu fruͤhe vergoͤtterte<lb/><hi rendition="#et">Juͤngling;</hi></l><lb/> <l>Ich, als Hermes, ſtand in der Halle des Caͤſar Auguſtus,</l><lb/> <l>Wo mich ein Lorbeergewaͤchs mit ſuͤdlichem Duft an¬<lb/><hi rendition="#et">hauchte.</hi></l><lb/> <l>Und nun habt ihr uns hier aneinandergehaͤuft und<lb/><hi rendition="#et">geordnet,</hi></l><lb/> <l>Eines das andre verdraͤngend, und dies durch jenes<lb/><hi rendition="#et">verdunkelt,</hi></l><lb/> <l>Keins am ſchicklichen Ort, in belebendem Schimmer der<lb/><hi rendition="#et">Sonne.</hi></l><lb/> <l>Selbſt das gelehrte Geſicht des begaffenden Kenners er¬<lb/><hi rendition="#et">muͤdend,</hi></l><lb/> <l>Liegen geſchichtet wir hier, gleich traurigen Knochen im<lb/><hi rendition="#et">Beinhaus,</hi></l><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0073]
Die Antiken.
1820.
Laßt uns ledig, und oͤffnet ſogleich Ruͤſtkammer und
Wandſchrank!
Nicht am dumpfigen Ort in Gewoͤlben zu wohnen ge¬
ziemt uns:
Denkt doch, was wir und wo wir geweſen, und ſchenket
uns Mitleid!
Dies uralte Gefaͤß war einſt der egyptiſchen Gaͤrten
Zier, und Cleopatra ſelbſt ließ fuͤllen mit Myrtenge¬
zweig es;
Dieſer geſchnittene Stein, ein doppelgeſchichteter Onyx,
Zierte des jungen Antinous Hand, als koͤſtlichen Ring¬
ſchmuck
Trug ihn der ſchoͤne, doch ach! zu fruͤhe vergoͤtterte
Juͤngling;
Ich, als Hermes, ſtand in der Halle des Caͤſar Auguſtus,
Wo mich ein Lorbeergewaͤchs mit ſuͤdlichem Duft an¬
hauchte.
Und nun habt ihr uns hier aneinandergehaͤuft und
geordnet,
Eines das andre verdraͤngend, und dies durch jenes
verdunkelt,
Keins am ſchicklichen Ort, in belebendem Schimmer der
Sonne.
Selbſt das gelehrte Geſicht des begaffenden Kenners er¬
muͤdend,
Liegen geſchichtet wir hier, gleich traurigen Knochen im
Beinhaus,
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/73>, abgerufen am 03.03.2025. |