Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.Hülfe ruft er, greift verwegen Zur geschliffnen Wehr im Grimme; Aber ihm versagt der Degen, Aber ihm versagt die Stimme. Und das Mädchen ziehn am Haare Jene fort, das arme, bleiche, Legen dann auf eine Bahre Die lebend'ge, schöne Leiche. Und der König folgte bange, Seiner Sinne halb nur mächtig: In der Kirche Säulengange Hielt der lange Zug bedächtig. An des Altars hoher Schwelle Thut ein Grab sich auf mit Grauen, Ausgehöhlt, gespenstig schnelle, Von den weißvermummten Frauen. Mit Gewalt sein Weib zu holen, Rafft sich auf im Wahn der Gatte; Aber unter seinen Sohlen Dreht sich jede Marmorplatte. Und er sieht die schönen Glieder
Eingesargt in einem Schreine, Will hinzu, doch immer wieder Schwanken unter ihm die Steine. Huͤlfe ruft er, greift verwegen Zur geſchliffnen Wehr im Grimme; Aber ihm verſagt der Degen, Aber ihm verſagt die Stimme. Und das Maͤdchen ziehn am Haare Jene fort, das arme, bleiche, Legen dann auf eine Bahre Die lebend'ge, ſchoͤne Leiche. Und der Koͤnig folgte bange, Seiner Sinne halb nur maͤchtig: In der Kirche Saͤulengange Hielt der lange Zug bedaͤchtig. An des Altars hoher Schwelle Thut ein Grab ſich auf mit Grauen, Ausgehoͤhlt, geſpenſtig ſchnelle, Von den weißvermummten Frauen. Mit Gewalt ſein Weib zu holen, Rafft ſich auf im Wahn der Gatte; Aber unter ſeinen Sohlen Dreht ſich jede Marmorplatte. Und er ſieht die ſchoͤnen Glieder
Eingeſargt in einem Schreine, Will hinzu, doch immer wieder Schwanken unter ihm die Steine. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0031" n="21"/> <lg n="11"> <l>Huͤlfe ruft er, greift verwegen</l><lb/> <l>Zur geſchliffnen Wehr im Grimme;</l><lb/> <l>Aber ihm verſagt der Degen,</l><lb/> <l>Aber ihm verſagt die Stimme.</l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Und das Maͤdchen ziehn am Haare</l><lb/> <l>Jene fort, das arme, bleiche,</l><lb/> <l>Legen dann auf eine Bahre</l><lb/> <l>Die lebend'ge, ſchoͤne Leiche.</l><lb/> </lg> <lg n="13"> <l>Und der Koͤnig folgte bange,</l><lb/> <l>Seiner Sinne halb nur maͤchtig:</l><lb/> <l>In der Kirche Saͤulengange</l><lb/> <l>Hielt der lange Zug bedaͤchtig.</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>An des Altars hoher Schwelle</l><lb/> <l>Thut ein Grab ſich auf mit Grauen,</l><lb/> <l>Ausgehoͤhlt, geſpenſtig ſchnelle,</l><lb/> <l>Von den weißvermummten Frauen.</l><lb/> </lg> <lg n="15"> <l>Mit Gewalt ſein Weib zu holen,</l><lb/> <l>Rafft ſich auf im Wahn der Gatte;</l><lb/> <l>Aber unter ſeinen Sohlen</l><lb/> <l>Dreht ſich jede Marmorplatte.</l><lb/> </lg> <lg n="16"> <l>Und er ſieht die ſchoͤnen Glieder</l><lb/> <l>Eingeſargt in einem Schreine,</l><lb/> <l>Will hinzu, doch immer wieder</l><lb/> <l>Schwanken unter ihm die Steine.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0031]
Huͤlfe ruft er, greift verwegen
Zur geſchliffnen Wehr im Grimme;
Aber ihm verſagt der Degen,
Aber ihm verſagt die Stimme.
Und das Maͤdchen ziehn am Haare
Jene fort, das arme, bleiche,
Legen dann auf eine Bahre
Die lebend'ge, ſchoͤne Leiche.
Und der Koͤnig folgte bange,
Seiner Sinne halb nur maͤchtig:
In der Kirche Saͤulengange
Hielt der lange Zug bedaͤchtig.
An des Altars hoher Schwelle
Thut ein Grab ſich auf mit Grauen,
Ausgehoͤhlt, geſpenſtig ſchnelle,
Von den weißvermummten Frauen.
Mit Gewalt ſein Weib zu holen,
Rafft ſich auf im Wahn der Gatte;
Aber unter ſeinen Sohlen
Dreht ſich jede Marmorplatte.
Und er ſieht die ſchoͤnen Glieder
Eingeſargt in einem Schreine,
Will hinzu, doch immer wieder
Schwanken unter ihm die Steine.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/31 |
Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/31>, abgerufen am 16.07.2024. |