Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.Wenn Wahrheiten er denkt, die er verschweigen muß, Wenn Wahnsinn dem Verstand schmiedet ein ehrnes Joch, Wenn Schwäche des Starken Geißel Wie ein heiliges Zepter küßt: Ja, dann wird er gemach müde des bunten Spiels, Freyheitathmender weh'n Lüfte des Heils um ihn, Weg legt er der Täuschung Mantel, Und der Sinne gesticktes Kleid." Ob zwey Seelen es giebt, welche sich ganz verstehn? Wer antwortet? Der Mensch forsche dem Räthsel nach, Gleichstimmige Menschen suchend, Bis er stirbt, bis er sucht und stirbt. Wenn Wahrheiten er denkt, die er verſchweigen muß, Wenn Wahnſinn dem Verſtand ſchmiedet ein ehrnes Joch, Wenn Schwaͤche des Starken Geißel Wie ein heiliges Zepter kuͤßt: Ja, dann wird er gemach muͤde des bunten Spiels, Freyheitathmender weh'n Luͤfte des Heils um ihn, Weg legt er der Taͤuſchung Mantel, Und der Sinne geſticktes Kleid.“ Ob zwey Seelen es giebt, welche ſich ganz verſtehn? Wer antwortet? Der Menſch forſche dem Raͤthſel nach, Gleichſtimmige Menſchen ſuchend, Bis er ſtirbt, bis er ſucht und ſtirbt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0269" n="259"/> <lg n="7"> <l>Wenn Wahrheiten er denkt, die er verſchweigen muß,</l><lb/> <l>Wenn Wahnſinn dem Verſtand ſchmiedet ein ehrnes Joch,</l><lb/> <l>Wenn Schwaͤche des Starken Geißel</l><lb/> <l>Wie ein heiliges Zepter kuͤßt:</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Ja, dann wird er gemach muͤde des bunten Spiels,</l><lb/> <l>Freyheitathmender weh'n Luͤfte des Heils um ihn,</l><lb/> <l>Weg legt er der Taͤuſchung Mantel,</l><lb/> <l>Und der Sinne geſticktes Kleid.“</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Ob zwey Seelen es giebt, welche ſich ganz verſtehn?</l><lb/> <l>Wer antwortet? Der Menſch forſche dem Raͤthſel nach,</l><lb/> <l>Gleichſtimmige Menſchen ſuchend,</l><lb/> <l>Bis er ſtirbt, bis er ſucht und ſtirbt.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [259/0269]
Wenn Wahrheiten er denkt, die er verſchweigen muß,
Wenn Wahnſinn dem Verſtand ſchmiedet ein ehrnes Joch,
Wenn Schwaͤche des Starken Geißel
Wie ein heiliges Zepter kuͤßt:
Ja, dann wird er gemach muͤde des bunten Spiels,
Freyheitathmender weh'n Luͤfte des Heils um ihn,
Weg legt er der Taͤuſchung Mantel,
Und der Sinne geſticktes Kleid.“
Ob zwey Seelen es giebt, welche ſich ganz verſtehn?
Wer antwortet? Der Menſch forſche dem Raͤthſel nach,
Gleichſtimmige Menſchen ſuchend,
Bis er ſtirbt, bis er ſucht und ſtirbt.
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/269>, abgerufen am 16.02.2025. |