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Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.

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VIII.
O weh dir, der die Welt verachtet, allein zu seyn,
Und dessen ganze Seele schmachtet, allein zu seyn!
Es schuf der unerschöpfte Schöpfer Geschöpfe rings,
Und nicht ein einzig Wesen trachtet, allein zu seyn:
Allein zu seyn verschmäht die Tulpe des Tulpenbeets,
Es scheut der Stern sich, wenn es nachtet, allein zu seyn;
Verlaß den Stolz, der deine Seele so tief bethört,
Und der es für erhaben achtet, allein zu seyn!

IX.
Du grollst dem Schah, weil du gebunden bist,
Und von dir selber überwunden bist?
Verklage nicht das fromme Schwert der Zeit,
Wenn du der Mann der tausend Wunden bist!
Bezeug' uns erst, daß nichts in dir dich hemmt,
Daß du ein Freund von allen Stunden bist!
Sprich erst zur Rose, wenn sie welk erstirbt:
Was kümmert's mich, daß du verschwunden bist?
Dann, Bruder, glauben wir, wie sehr auch du
Von uns, den Freyen, den Gesunden bist.

VIII.
O weh dir, der die Welt verachtet, allein zu ſeyn,
Und deſſen ganze Seele ſchmachtet, allein zu ſeyn!
Es ſchuf der unerſchoͤpfte Schoͤpfer Geſchoͤpfe rings,
Und nicht ein einzig Weſen trachtet, allein zu ſeyn:
Allein zu ſeyn verſchmaͤht die Tulpe des Tulpenbeets,
Es ſcheut der Stern ſich, wenn es nachtet, allein zu ſeyn;
Verlaß den Stolz, der deine Seele ſo tief bethoͤrt,
Und der es fuͤr erhaben achtet, allein zu ſeyn!

IX.
Du grollſt dem Schah, weil du gebunden biſt,
Und von dir ſelber uͤberwunden biſt?
Verklage nicht das fromme Schwert der Zeit,
Wenn du der Mann der tauſend Wunden biſt!
Bezeug' uns erſt, daß nichts in dir dich hemmt,
Daß du ein Freund von allen Stunden biſt!
Sprich erſt zur Roſe, wenn ſie welk erſtirbt:
Was kuͤmmert's mich, daß du verſchwunden biſt?
Dann, Bruder, glauben wir, wie ſehr auch du
Von uns, den Freyen, den Geſunden biſt.

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[91/0101] VIII. O weh dir, der die Welt verachtet, allein zu ſeyn, Und deſſen ganze Seele ſchmachtet, allein zu ſeyn! Es ſchuf der unerſchoͤpfte Schoͤpfer Geſchoͤpfe rings, Und nicht ein einzig Weſen trachtet, allein zu ſeyn: Allein zu ſeyn verſchmaͤht die Tulpe des Tulpenbeets, Es ſcheut der Stern ſich, wenn es nachtet, allein zu ſeyn; Verlaß den Stolz, der deine Seele ſo tief bethoͤrt, Und der es fuͤr erhaben achtet, allein zu ſeyn! IX. Du grollſt dem Schah, weil du gebunden biſt, Und von dir ſelber uͤberwunden biſt? Verklage nicht das fromme Schwert der Zeit, Wenn du der Mann der tauſend Wunden biſt! Bezeug' uns erſt, daß nichts in dir dich hemmt, Daß du ein Freund von allen Stunden biſt! Sprich erſt zur Roſe, wenn ſie welk erſtirbt: Was kuͤmmert's mich, daß du verſchwunden biſt? Dann, Bruder, glauben wir, wie ſehr auch du Von uns, den Freyen, den Geſunden biſt.

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Zitationshilfe: Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/101>, abgerufen am 22.11.2024.