Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826. Salome. Genire dich nicht! thu was der Instinkt dir gebietet! Man metzelt in neuen Tragödien auch schlechtweg, nach kurzer Versuchung. Mopsus. Doch, wenn du befiehlst -- Salome. O nein! wie gesagt, ich billige deine Begierden. Mopsus. Doch möcht' ich dich noch ausfragen, warum -- Salome. Jetzt nicht, da verronnen die Zeit ist: In den Kerker zurück eilt jetzt mein Geist, und schmachtet ent- gegen der Freiheit: O Erlösungstag, wann seh' ich entzückt die Vergoldungen deiner Aurora? (Sie verschwindet.) Mopsus. Vortrefflicher Geist! Du erriethst mich gleich, wohl kennst du das menschliche Herz recht. Nun könnt' ich vor Muth mein ganzes Geschlecht, als wär's Pappdeckel, zerstechen! O Gabel, du bist in der Hand mir jetzt der plutonische, gräß- liche Zweizack! Jetzt könnt' ich mit dir, in titanischer Kraft, aufgabeln als Ku- gel den Erdball, Ihn laden, und dann todtschießen mit ihm die gestirnten Ar- meen des Himmels! Was hör' ich denn da? Salome. Genire dich nicht! thu was der Inſtinkt dir gebietet! Man metzelt in neuen Tragoͤdien auch ſchlechtweg, nach kurzer Verſuchung. Mopſus. Doch, wenn du befiehlſt — Salome. O nein! wie geſagt, ich billige deine Begierden. Mopſus. Doch moͤcht' ich dich noch ausfragen, warum — Salome. Jetzt nicht, da verronnen die Zeit iſt: In den Kerker zuruͤck eilt jetzt mein Geiſt, und ſchmachtet ent- gegen der Freiheit: O Erloͤſungstag, wann ſeh' ich entzuͤckt die Vergoldungen deiner Aurora? (Sie verſchwindet.) Mopſus. Vortrefflicher Geiſt! Du erriethſt mich gleich, wohl kennſt du das menſchliche Herz recht. Nun koͤnnt' ich vor Muth mein ganzes Geſchlecht, als waͤr's Pappdeckel, zerſtechen! O Gabel, du biſt in der Hand mir jetzt der plutoniſche, graͤß- liche Zweizack! Jetzt koͤnnt' ich mit dir, in titaniſcher Kraft, aufgabeln als Ku- gel den Erdball, Ihn laden, und dann todtſchießen mit ihm die geſtirnten Ar- meen des Himmels! Was hoͤr' ich denn da? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0058" n="52"/> <sp who="#SAL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Salome</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Genire dich nicht! thu was der Inſtinkt dir gebietet!<lb/> Man metzelt in neuen Tragoͤdien auch ſchlechtweg, nach<lb/> kurzer Verſuchung.</p> </sp><lb/> <sp who="#MOP"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Mopſus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Doch, wenn du befiehlſt —</p> </sp><lb/> <sp who="#SAL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Salome</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>O nein! wie geſagt, ich billige deine Begierden.</p> </sp><lb/> <sp who="#MOP"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Mopſus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Doch moͤcht' ich dich noch ausfragen, warum —</p> </sp><lb/> <sp who="#SAL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Salome</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Jetzt nicht, da verronnen die Zeit iſt:<lb/> In den Kerker zuruͤck eilt jetzt mein Geiſt, und ſchmachtet ent-<lb/> gegen der Freiheit:<lb/> O Erloͤſungstag, wann ſeh' ich entzuͤckt die Vergoldungen deiner<lb/> Aurora?</p><lb/> <stage> <hi rendition="#right">(Sie verſchwindet.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#MOP"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Mopſus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Vortrefflicher Geiſt! Du erriethſt mich gleich, wohl kennſt du<lb/> das menſchliche Herz recht.<lb/> Nun koͤnnt' ich vor Muth mein ganzes Geſchlecht, als waͤr's<lb/> Pappdeckel, zerſtechen!<lb/> O Gabel, du biſt in der Hand mir jetzt der plutoniſche, graͤß-<lb/> liche Zweizack!<lb/> Jetzt koͤnnt' ich mit dir, in titaniſcher Kraft, aufgabeln als Ku-<lb/> gel den Erdball,<lb/> Ihn laden, und dann todtſchießen mit ihm die geſtirnten Ar-<lb/> meen des Himmels!<lb/> Was hoͤr' ich denn da?</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0058]
Salome.
Genire dich nicht! thu was der Inſtinkt dir gebietet!
Man metzelt in neuen Tragoͤdien auch ſchlechtweg, nach
kurzer Verſuchung.
Mopſus.
Doch, wenn du befiehlſt —
Salome.
O nein! wie geſagt, ich billige deine Begierden.
Mopſus.
Doch moͤcht' ich dich noch ausfragen, warum —
Salome.
Jetzt nicht, da verronnen die Zeit iſt:
In den Kerker zuruͤck eilt jetzt mein Geiſt, und ſchmachtet ent-
gegen der Freiheit:
O Erloͤſungstag, wann ſeh' ich entzuͤckt die Vergoldungen deiner
Aurora?
(Sie verſchwindet.)
Mopſus.
Vortrefflicher Geiſt! Du erriethſt mich gleich, wohl kennſt du
das menſchliche Herz recht.
Nun koͤnnt' ich vor Muth mein ganzes Geſchlecht, als waͤr's
Pappdeckel, zerſtechen!
O Gabel, du biſt in der Hand mir jetzt der plutoniſche, graͤß-
liche Zweizack!
Jetzt koͤnnt' ich mit dir, in titaniſcher Kraft, aufgabeln als Ku-
gel den Erdball,
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/58>, abgerufen am 16.02.2025. |