Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.
Scheint sie euch geschwätzig, laßt sie; denn es ist ein alter Brauch, Gerne plaudern ja die Basen, und die Parabasen auch. Doch sie wissen, daß in Deutschland, wo nur Gänse wer- den fett, Nichts die Bretter darf betreten, was nicht hat vor'm Kopf ein Brett; Wissen also, daß ich nie vor euch sie recitiren darf, Darum sind sie um so kecker, um so mehr bestimmt und scharf. Ja, sie wagen euch zu tadeln, wie ihr seyd mit Sack und Pack, Euer ungewisses Urtheil, euern ledernen Geschmack! Mittelmäß'gem klatscht ihr Beifall, duldet das Erhabne blos, Und verbannet fast schon Alles, was nicht ganz gedankenlos. Ja, in einer Stadt des Nordens, die so manches Uebels Quell, Gibt man Clauren's Albernheiten und verbietet Schiller's Tell! Schreibe nur, o Freund, das beste, das gediegenste Ge- dicht, Biet' es aber nie der Bühne, denn das Beste will sie nicht. O verstündet ihr, von bloßen Redensarten überhäuft, Geistigern Genuß zu schlürfen, der aus ew'gen Rhythmen träuft! O ihr würdet bald empfinden, daß man lieber hört von dort, Wo ihr jetzt das Leerste höret, ein mit Sinn begabtes Wort! Aber hoff' ich, daß ihr jemals an ein Lustspiel euch gewöhnt,
Scheint ſie euch geſchwaͤtzig, laßt ſie; denn es iſt ein alter Brauch, Gerne plaudern ja die Baſen, und die Parabaſen auch. Doch ſie wiſſen, daß in Deutſchland, wo nur Gaͤnſe wer- den fett, Nichts die Bretter darf betreten, was nicht hat vor'm Kopf ein Brett; Wiſſen alſo, daß ich nie vor euch ſie recitiren darf, Darum ſind ſie um ſo kecker, um ſo mehr beſtimmt und ſcharf. Ja, ſie wagen euch zu tadeln, wie ihr ſeyd mit Sack und Pack, Euer ungewiſſes Urtheil, euern ledernen Geſchmack! Mittelmaͤß'gem klatſcht ihr Beifall, duldet das Erhabne blos, Und verbannet faſt ſchon Alles, was nicht ganz gedankenlos. Ja, in einer Stadt des Nordens, die ſo manches Uebels Quell, Gibt man Clauren's Albernheiten und verbietet Schiller's Tell! Schreibe nur, o Freund, das beſte, das gediegenſte Ge- dicht, Biet' es aber nie der Buͤhne, denn das Beſte will ſie nicht. O verſtuͤndet ihr, von bloßen Redensarten uͤberhaͤuft, Geiſtigern Genuß zu ſchluͤrfen, der aus ew'gen Rhythmen traͤuft! O ihr wuͤrdet bald empfinden, daß man lieber hoͤrt von dort, Wo ihr jetzt das Leerſte hoͤret, ein mit Sinn begabtes Wort! Aber hoff' ich, daß ihr jemals an ein Luſtſpiel euch gewoͤhnt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SCHM"> <p><pb facs="#f0024" n="18"/> Scheint ſie euch geſchwaͤtzig, laßt ſie; denn es iſt ein alter<lb/> Brauch,<lb/> Gerne plaudern ja die Baſen, und die Parabaſen auch.<lb/> Doch ſie wiſſen, daß in Deutſchland, wo nur Gaͤnſe wer-<lb/> den fett,<lb/> Nichts die Bretter darf betreten, was nicht hat vor'm Kopf<lb/> ein Brett;<lb/> Wiſſen alſo, daß ich nie vor euch ſie recitiren darf,<lb/> Darum ſind ſie um ſo kecker, um ſo mehr beſtimmt und<lb/> ſcharf.<lb/> Ja, ſie wagen euch zu tadeln, wie ihr ſeyd mit Sack<lb/> und Pack,<lb/> Euer ungewiſſes Urtheil, euern ledernen Geſchmack!<lb/> Mittelmaͤß'gem klatſcht ihr Beifall, duldet das Erhabne<lb/> blos,<lb/> Und verbannet faſt ſchon Alles, was nicht ganz gedankenlos.<lb/> Ja, in einer Stadt des Nordens, die ſo manches Uebels<lb/> Quell,<lb/> Gibt man Clauren's Albernheiten und verbietet Schiller's<lb/> Tell!<lb/> Schreibe nur, o Freund, das beſte, das gediegenſte Ge-<lb/> dicht,<lb/> Biet' es aber nie der Buͤhne, denn das Beſte will ſie nicht.<lb/> O verſtuͤndet ihr, von bloßen Redensarten uͤberhaͤuft,<lb/> Geiſtigern Genuß zu ſchluͤrfen, der aus ew'gen Rhythmen<lb/> traͤuft!<lb/> O ihr wuͤrdet bald empfinden, daß man lieber hoͤrt von<lb/> dort,<lb/> Wo ihr jetzt das Leerſte hoͤret, ein mit Sinn begabtes<lb/> Wort!<lb/> Aber hoff' ich, daß ihr jemals an ein Luſtſpiel euch gewoͤhnt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0024]
Scheint ſie euch geſchwaͤtzig, laßt ſie; denn es iſt ein alter
Brauch,
Gerne plaudern ja die Baſen, und die Parabaſen auch.
Doch ſie wiſſen, daß in Deutſchland, wo nur Gaͤnſe wer-
den fett,
Nichts die Bretter darf betreten, was nicht hat vor'm Kopf
ein Brett;
Wiſſen alſo, daß ich nie vor euch ſie recitiren darf,
Darum ſind ſie um ſo kecker, um ſo mehr beſtimmt und
ſcharf.
Ja, ſie wagen euch zu tadeln, wie ihr ſeyd mit Sack
und Pack,
Euer ungewiſſes Urtheil, euern ledernen Geſchmack!
Mittelmaͤß'gem klatſcht ihr Beifall, duldet das Erhabne
blos,
Und verbannet faſt ſchon Alles, was nicht ganz gedankenlos.
Ja, in einer Stadt des Nordens, die ſo manches Uebels
Quell,
Gibt man Clauren's Albernheiten und verbietet Schiller's
Tell!
Schreibe nur, o Freund, das beſte, das gediegenſte Ge-
dicht,
Biet' es aber nie der Buͤhne, denn das Beſte will ſie nicht.
O verſtuͤndet ihr, von bloßen Redensarten uͤberhaͤuft,
Geiſtigern Genuß zu ſchluͤrfen, der aus ew'gen Rhythmen
traͤuft!
O ihr wuͤrdet bald empfinden, daß man lieber hoͤrt von
dort,
Wo ihr jetzt das Leerſte hoͤret, ein mit Sinn begabtes
Wort!
Aber hoff' ich, daß ihr jemals an ein Luſtſpiel euch gewoͤhnt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/24 |
Zitationshilfe: | Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/24>, abgerufen am 16.02.2025. |