Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Temperatur.
den kritischen Druck; für ihn wird der gesättigte Dampf mit
seinem Niederschlag identisch. Oberhalb der kritischen Tem-
peratur und oberhalb des kritischen Druckes gibt es überhaupt
keine Condensation, wie leicht aus der Fig. zu ersehen. Daher
mussten alle Versuche scheitern, Wasserstoff, Sauerstoff und
Stickstoff zu condensiren, solange die Temperatur nicht unter
die kritische Temperatur, die bei diesen Substanzen sehr tief
liegt, erniedrigt wurde.

§ 29. Man sieht aus der Fig. 1 auch, dass es garkeine
bestimmte Grenze gibt zwischen dem gasförmigen und dem
flüssigen Zustand, da man leicht aus dem Bereich der ent-
schieden gasförmigen Zustände, z. B. vom Punkte C aus, auf
einer Curve, die um den kritischen Punkt oben herumführt, in
das Gebiet der entschieden flüssigen Zustände, z. B. nach A
kommen kann, ohne irgendwo einen gesättigten Zustand zu
überschreiten. Man erwärme z. B. den Dampf bei constantem
Volumen über die kritische Temperatur hinaus und kühle
ihn hierauf bei constant gehaltenem Drucke bis unter das
kritische Volumen ab. Dann tritt niemals Condensation ein, und
doch befindet man sich schliesslich im Gebiet der unzweifel-
haft flüssigen Zustände. Die frühere principielle Unterscheidung
zwischen Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen muss daher als
nicht mehr durchführbar fallen gelassen werden.

Auch der in neuerer Zeit gemachte Vorschlag, diejenigen
Zustände, welche einer höheren Temperatur als der kritischen
angehören, als gasförmig, die übrigen dagegen als dampfförmig
oder flüssig zu bezeichnen, je nachdem sie in der Fig. 1 rechts
oder links von den theoretischen Gebieten liegen, hat gewisse
Unzuträglichkeiten im Gefolge, da hiedurch namentlich eine
Grenze einerseits zwischen Flüssigkeit und Gas, andrerseits
zwischen Dampf und Gas festgesetzt wird, die keine unmittel-
bare physikalische Bedeutung hat. Denn das Ueberschreiten
der kritischen Temperatur bei einem anderen als dem kritischen
Druck unterscheidet sich in keiner wesentlichen Hinsicht von
dem Ueberschreiten irgend einer anderen Temperatur.

§ 30. Der kritische Punkt lässt sich leicht aus der allge-
meinen Zustandsgleichung berechnen. Denn für ihn gelten nach
§ 28 die Gleichungen:

Planck, Thermodynamik. 2

Temperatur.
den kritischen Druck; für ihn wird der gesättigte Dampf mit
seinem Niederschlag identisch. Oberhalb der kritischen Tem-
peratur und oberhalb des kritischen Druckes gibt es überhaupt
keine Condensation, wie leicht aus der Fig. zu ersehen. Daher
mussten alle Versuche scheitern, Wasserstoff, Sauerstoff und
Stickstoff zu condensiren, solange die Temperatur nicht unter
die kritische Temperatur, die bei diesen Substanzen sehr tief
liegt, erniedrigt wurde.

§ 29. Man sieht aus der Fig. 1 auch, dass es garkeine
bestimmte Grenze gibt zwischen dem gasförmigen und dem
flüssigen Zustand, da man leicht aus dem Bereich der ent-
schieden gasförmigen Zustände, z. B. vom Punkte C aus, auf
einer Curve, die um den kritischen Punkt oben herumführt, in
das Gebiet der entschieden flüssigen Zustände, z. B. nach A
kommen kann, ohne irgendwo einen gesättigten Zustand zu
überschreiten. Man erwärme z. B. den Dampf bei constantem
Volumen über die kritische Temperatur hinaus und kühle
ihn hierauf bei constant gehaltenem Drucke bis unter das
kritische Volumen ab. Dann tritt niemals Condensation ein, und
doch befindet man sich schliesslich im Gebiet der unzweifel-
haft flüssigen Zustände. Die frühere principielle Unterscheidung
zwischen Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen muss daher als
nicht mehr durchführbar fallen gelassen werden.

Auch der in neuerer Zeit gemachte Vorschlag, diejenigen
Zustände, welche einer höheren Temperatur als der kritischen
angehören, als gasförmig, die übrigen dagegen als dampfförmig
oder flüssig zu bezeichnen, je nachdem sie in der Fig. 1 rechts
oder links von den theoretischen Gebieten liegen, hat gewisse
Unzuträglichkeiten im Gefolge, da hiedurch namentlich eine
Grenze einerseits zwischen Flüssigkeit und Gas, andrerseits
zwischen Dampf und Gas festgesetzt wird, die keine unmittel-
bare physikalische Bedeutung hat. Denn das Ueberschreiten
der kritischen Temperatur bei einem anderen als dem kritischen
Druck unterscheidet sich in keiner wesentlichen Hinsicht von
dem Ueberschreiten irgend einer anderen Temperatur.

§ 30. Der kritische Punkt lässt sich leicht aus der allge-
meinen Zustandsgleichung berechnen. Denn für ihn gelten nach
§ 28 die Gleichungen:

Planck, Thermodynamik. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Temperatur</hi>.</fw><lb/>
den kritischen Druck; für ihn wird der gesättigte Dampf mit<lb/>
seinem Niederschlag identisch. Oberhalb der kritischen Tem-<lb/>
peratur und oberhalb des kritischen Druckes gibt es überhaupt<lb/>
keine Condensation, wie leicht aus der Fig. zu ersehen. Daher<lb/>
mussten alle Versuche scheitern, Wasserstoff, Sauerstoff und<lb/>
Stickstoff zu condensiren, solange die Temperatur nicht unter<lb/>
die kritische Temperatur, die bei diesen Substanzen sehr tief<lb/>
liegt, erniedrigt wurde.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 29.</hi> Man sieht aus der Fig. 1 auch, dass es garkeine<lb/>
bestimmte Grenze gibt zwischen dem gasförmigen und dem<lb/>
flüssigen Zustand, da man leicht aus dem Bereich der ent-<lb/>
schieden gasförmigen Zustände, z. B. vom Punkte <hi rendition="#i">C</hi> aus, auf<lb/>
einer Curve, die um den kritischen Punkt oben herumführt, in<lb/>
das Gebiet der entschieden flüssigen Zustände, z. B. nach <hi rendition="#i">A</hi><lb/>
kommen kann, ohne irgendwo einen gesättigten Zustand zu<lb/>
überschreiten. Man erwärme z. B. den Dampf bei constantem<lb/>
Volumen über die kritische Temperatur hinaus und kühle<lb/>
ihn hierauf bei constant gehaltenem Drucke bis unter das<lb/>
kritische Volumen ab. Dann tritt niemals Condensation ein, und<lb/>
doch befindet man sich schliesslich im Gebiet der unzweifel-<lb/>
haft flüssigen Zustände. Die frühere principielle Unterscheidung<lb/>
zwischen Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen muss daher als<lb/>
nicht mehr durchführbar fallen gelassen werden.</p><lb/>
          <p>Auch der in neuerer Zeit gemachte Vorschlag, diejenigen<lb/>
Zustände, welche einer höheren Temperatur als der kritischen<lb/>
angehören, als gasförmig, die übrigen dagegen als dampfförmig<lb/>
oder flüssig zu bezeichnen, je nachdem sie in der Fig. 1 rechts<lb/>
oder links von den theoretischen Gebieten liegen, hat gewisse<lb/>
Unzuträglichkeiten im Gefolge, da hiedurch namentlich eine<lb/>
Grenze einerseits zwischen Flüssigkeit und Gas, andrerseits<lb/>
zwischen Dampf und Gas festgesetzt wird, die keine unmittel-<lb/>
bare physikalische Bedeutung hat. Denn das Ueberschreiten<lb/>
der kritischen Temperatur bei einem anderen als dem kritischen<lb/>
Druck unterscheidet sich in keiner wesentlichen Hinsicht von<lb/>
dem Ueberschreiten irgend einer anderen Temperatur.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 30.</hi> Der kritische Punkt lässt sich leicht aus der allge-<lb/>
meinen Zustandsgleichung berechnen. Denn für ihn gelten nach<lb/>
§ 28 die Gleichungen:<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#k">Planck</hi>, Thermodynamik. 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0033] Temperatur. den kritischen Druck; für ihn wird der gesättigte Dampf mit seinem Niederschlag identisch. Oberhalb der kritischen Tem- peratur und oberhalb des kritischen Druckes gibt es überhaupt keine Condensation, wie leicht aus der Fig. zu ersehen. Daher mussten alle Versuche scheitern, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff zu condensiren, solange die Temperatur nicht unter die kritische Temperatur, die bei diesen Substanzen sehr tief liegt, erniedrigt wurde. § 29. Man sieht aus der Fig. 1 auch, dass es garkeine bestimmte Grenze gibt zwischen dem gasförmigen und dem flüssigen Zustand, da man leicht aus dem Bereich der ent- schieden gasförmigen Zustände, z. B. vom Punkte C aus, auf einer Curve, die um den kritischen Punkt oben herumführt, in das Gebiet der entschieden flüssigen Zustände, z. B. nach A kommen kann, ohne irgendwo einen gesättigten Zustand zu überschreiten. Man erwärme z. B. den Dampf bei constantem Volumen über die kritische Temperatur hinaus und kühle ihn hierauf bei constant gehaltenem Drucke bis unter das kritische Volumen ab. Dann tritt niemals Condensation ein, und doch befindet man sich schliesslich im Gebiet der unzweifel- haft flüssigen Zustände. Die frühere principielle Unterscheidung zwischen Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen muss daher als nicht mehr durchführbar fallen gelassen werden. Auch der in neuerer Zeit gemachte Vorschlag, diejenigen Zustände, welche einer höheren Temperatur als der kritischen angehören, als gasförmig, die übrigen dagegen als dampfförmig oder flüssig zu bezeichnen, je nachdem sie in der Fig. 1 rechts oder links von den theoretischen Gebieten liegen, hat gewisse Unzuträglichkeiten im Gefolge, da hiedurch namentlich eine Grenze einerseits zwischen Flüssigkeit und Gas, andrerseits zwischen Dampf und Gas festgesetzt wird, die keine unmittel- bare physikalische Bedeutung hat. Denn das Ueberschreiten der kritischen Temperatur bei einem anderen als dem kritischen Druck unterscheidet sich in keiner wesentlichen Hinsicht von dem Ueberschreiten irgend einer anderen Temperatur. § 30. Der kritische Punkt lässt sich leicht aus der allge- meinen Zustandsgleichung berechnen. Denn für ihn gelten nach § 28 die Gleichungen: Planck, Thermodynamik. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/33
Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/33>, abgerufen am 11.12.2024.