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Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.

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Turnerschaft, dem Zug der Zeit folgend, den Fußball unter ihre Wett-
spiele gleichfalls aufgenommen hat, ist es nur folgerichtig, wenn auch
das "Fußballweit- und -zielstoßen" unter die "volkstümlichen" Wett-
übungen aufgenommen werden soll. Hörst du wohl? Unter die "volks-
tümlichen" Übungen soll es aufgenommen werden. So sicher fühlt
man sich also schon in der Wertschätzung dieses "Bildungsmittels",
daß es mir nichts dir nichts unserem "Volkstum" eingeimpft werden
soll. Da wollen wir denn doch auch noch ein Wort mitsprechen.

Unsereiner erlaubt sich also nicht nur diese Errungenschaft eng-
lischen Aftersports, sondern auch das Fußballspiel selbst nicht nur ge-
mein, sondern auch lächerlich, häßlich und widernatürlich zu finden.
Am allerunnatürlichsten ist das ob seiner angeblich geringeren Gefähr-
lichkeit vielgepriesene und bei uns fast allein geübte Fußballspiel ohne
Aufheben des Balls, deutsch: "association". Sieh, dort stäubt er da-
hin, der rüstige Jüngling, den Rückgrat hohl aufgerichtet, die Lungen
wie in mächtigem Flügelschlag rührend. Die Haare flattern ihm um
die Stirn, und tosend fächeln die Lüfte ihm Kühlung. Jetzt ist er
dem Ball nahe, im nächsten Augenblick wird er ihn fassen, ihn hochher
über die jubelnden Freunde schwingen und wie zuvor im "fleißigen"
Schwung der Füße, so nun im kraftvollen Stoß der Arme und Hände
die Herrlichkeit der Schöpfung verkünden. O, du Träumer! Du
wandelst nicht auf griechischer Erde und auch nicht in jenem Deutsch-
land, das da kommen wird und muß! Du gehst und stehst auf anglisiert
deutschem Boden zu Anfang des "Neuen Reichs". Wo du dich freuen
möchtest, wirst du geärgert, wo du achten möchtest, wirst du zurückge-
stoßen, wo du zwar nicht die Erhabene, aber doch die anmutig Milde
von Angesicht zu Angesicht zu schauen erwartest, grinst dir die Fratze
und streckt dir die Zunge entgegen.

Wohl ist es gnädigst noch gestattet, den gestauchten Ball mit
beiden Händen aus der Luft zu fassen*), oder ihn mit dem Kopfe auf-
zufangen. Wo bleibt denn aber da die Folgerichtigkeit? Warum denn
nicht lieber gleich die Vorschrift, daß der Ball in der Luft nur mit
beiden Füßen zumal gefaßt werden darf? Das wäre erst der wahre
Sieg über die einfältige Natur! Laßt euch doch lieber beide Arme
abhacken oder mit Lederriemen doppelt und dreifach an den Leib
schnüren! Sie sind ja doch nur eine stete Versuchung bei eurem wunder-

*) So z. B. nach dem vielgebrauchten Spielbuch von Dr. Kohlrausch und Marten.
Nach strengen Sportgesetzen ist nicht einmal dies gestattet. Es darf also der Ball
nur mit Kopf, Brust, Schultern, H -- u. s. w. aufgehalten werden.

Turnerschaft, dem Zug der Zeit folgend, den Fußball unter ihre Wett-
spiele gleichfalls aufgenommen hat, ist es nur folgerichtig, wenn auch
das „Fußballweit- und –zielstoßen“ unter die „volkstümlichen“ Wett-
übungen aufgenommen werden soll. Hörst du wohl? Unter die „volks-
tümlichen“ Übungen soll es aufgenommen werden. So sicher fühlt
man sich also schon in der Wertschätzung dieses „Bildungsmittels“,
daß es mir nichts dir nichts unserem „Volkstum“ eingeimpft werden
soll. Da wollen wir denn doch auch noch ein Wort mitsprechen.

Unsereiner erlaubt sich also nicht nur diese Errungenschaft eng-
lischen Aftersports, sondern auch das Fußballspiel selbst nicht nur ge-
mein, sondern auch lächerlich, häßlich und widernatürlich zu finden.
Am allerunnatürlichsten ist das ob seiner angeblich geringeren Gefähr-
lichkeit vielgepriesene und bei uns fast allein geübte Fußballspiel ohne
Aufheben des Balls, deutsch: „association“. Sieh, dort stäubt er da-
hin, der rüstige Jüngling, den Rückgrat hohl aufgerichtet, die Lungen
wie in mächtigem Flügelschlag rührend. Die Haare flattern ihm um
die Stirn, und tosend fächeln die Lüfte ihm Kühlung. Jetzt ist er
dem Ball nahe, im nächsten Augenblick wird er ihn fassen, ihn hochher
über die jubelnden Freunde schwingen und wie zuvor im „fleißigen“
Schwung der Füße, so nun im kraftvollen Stoß der Arme und Hände
die Herrlichkeit der Schöpfung verkünden. O, du Träumer! Du
wandelst nicht auf griechischer Erde und auch nicht in jenem Deutsch-
land, das da kommen wird und muß! Du gehst und stehst auf anglisiert
deutschem Boden zu Anfang des „Neuen Reichs“. Wo du dich freuen
möchtest, wirst du geärgert, wo du achten möchtest, wirst du zurückge-
stoßen, wo du zwar nicht die Erhabene, aber doch die anmutig Milde
von Angesicht zu Angesicht zu schauen erwartest, grinst dir die Fratze
und streckt dir die Zunge entgegen.

Wohl ist es gnädigst noch gestattet, den gestauchten Ball mit
beiden Händen aus der Luft zu fassen*), oder ihn mit dem Kopfe auf-
zufangen. Wo bleibt denn aber da die Folgerichtigkeit? Warum denn
nicht lieber gleich die Vorschrift, daß der Ball in der Luft nur mit
beiden Füßen zumal gefaßt werden darf? Das wäre erst der wahre
Sieg über die einfältige Natur! Laßt euch doch lieber beide Arme
abhacken oder mit Lederriemen doppelt und dreifach an den Leib
schnüren! Sie sind ja doch nur eine stete Versuchung bei eurem wunder-

*) So z. B. nach dem vielgebrauchten Spielbuch von Dr. Kohlrausch und Marten.
Nach strengen Sportgesetzen ist nicht einmal dies gestattet. Es darf also der Ball
nur mit Kopf, Brust, Schultern, H — u. s. w. aufgehalten werden.
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[10/0016] Turnerschaft, dem Zug der Zeit folgend, den Fußball unter ihre Wett- spiele gleichfalls aufgenommen hat, ist es nur folgerichtig, wenn auch das „Fußballweit- und –zielstoßen“ unter die „volkstümlichen“ Wett- übungen aufgenommen werden soll. Hörst du wohl? Unter die „volks- tümlichen“ Übungen soll es aufgenommen werden. So sicher fühlt man sich also schon in der Wertschätzung dieses „Bildungsmittels“, daß es mir nichts dir nichts unserem „Volkstum“ eingeimpft werden soll. Da wollen wir denn doch auch noch ein Wort mitsprechen. Unsereiner erlaubt sich also nicht nur diese Errungenschaft eng- lischen Aftersports, sondern auch das Fußballspiel selbst nicht nur ge- mein, sondern auch lächerlich, häßlich und widernatürlich zu finden. Am allerunnatürlichsten ist das ob seiner angeblich geringeren Gefähr- lichkeit vielgepriesene und bei uns fast allein geübte Fußballspiel ohne Aufheben des Balls, deutsch: „association“. Sieh, dort stäubt er da- hin, der rüstige Jüngling, den Rückgrat hohl aufgerichtet, die Lungen wie in mächtigem Flügelschlag rührend. Die Haare flattern ihm um die Stirn, und tosend fächeln die Lüfte ihm Kühlung. Jetzt ist er dem Ball nahe, im nächsten Augenblick wird er ihn fassen, ihn hochher über die jubelnden Freunde schwingen und wie zuvor im „fleißigen“ Schwung der Füße, so nun im kraftvollen Stoß der Arme und Hände die Herrlichkeit der Schöpfung verkünden. O, du Träumer! Du wandelst nicht auf griechischer Erde und auch nicht in jenem Deutsch- land, das da kommen wird und muß! Du gehst und stehst auf anglisiert deutschem Boden zu Anfang des „Neuen Reichs“. Wo du dich freuen möchtest, wirst du geärgert, wo du achten möchtest, wirst du zurückge- stoßen, wo du zwar nicht die Erhabene, aber doch die anmutig Milde von Angesicht zu Angesicht zu schauen erwartest, grinst dir die Fratze und streckt dir die Zunge entgegen. Wohl ist es gnädigst noch gestattet, den gestauchten Ball mit beiden Händen aus der Luft zu fassen *), oder ihn mit dem Kopfe auf- zufangen. Wo bleibt denn aber da die Folgerichtigkeit? Warum denn nicht lieber gleich die Vorschrift, daß der Ball in der Luft nur mit beiden Füßen zumal gefaßt werden darf? Das wäre erst der wahre Sieg über die einfältige Natur! Laßt euch doch lieber beide Arme abhacken oder mit Lederriemen doppelt und dreifach an den Leib schnüren! Sie sind ja doch nur eine stete Versuchung bei eurem wunder- *) So z. B. nach dem vielgebrauchten Spielbuch von Dr. Kohlrausch und Marten. Nach strengen Sportgesetzen ist nicht einmal dies gestattet. Es darf also der Ball nur mit Kopf, Brust, Schultern, H — u. s. w. aufgehalten werden.

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Zitationshilfe: Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/16>, abgerufen am 24.11.2024.