Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

den Menschen zum Affen, selbst wenn die Haltung nicht den Grad ab-
stoßender Häßlichkeit erreicht, den uns unser Titelbild versinnlicht*). Noch
ein Tupf mit dem kleinen Finger der Linken, und das prächtige Gebilde
stürzt rücklings zu Boden oder kollert in kläglichen Sprüngen dahin,
um sich auf den Beinen zu erhalten. Welcher Bildhauer würde sich von
einer solchen Erscheinung zu künstlerischer Darstellung begeistern lassen?
Und selbst der Zeichner und Maler, der um des scharf Kennzeichnenden
willen auch das Häßliche und Abstoßende nicht scheut, wird sich doch
sehr besinnen, ehe er eine so häßliche Gebärde wiedergibt, sei's daß er
die Person entsprechend kennzeichnen, sei's daß er eine komisch-satirische
Wirkung erzielen will oder dergleichen.

Aber das Spiel hat doch daneben, schon rein formell betrachtet,
seine großen Vorzüge! Es wird ja nicht bloß gestoßen, sondern um den
Stoß erst tüchtig gelaufen und wenigstens beim Spiel mit Aufnahme
des Balls vielfach auch noch tüchtig gerungen! Gewiß, aber dabei bleibt
es doch nichtsdestoweniger bestehen, daß die letzte Entscheidung durch
die größere Fertigkeit im Stauchen herbeigeführt wird und daß alle die
ansprechenden und herzerfreuenden Bilder, die der Lauf- und Ring-
kampf bieten mag, immer wieder jäh durch die liebliche Erscheinung
des Hundstritts unterbrochen werden! Mag man sich durch jene noch
so angeregt, erbaut, erhoben fühlen, so wird man doch durch diese immer
wieder geärgert, erzürnt, beleidigt.

Es läßt sich nun eben einmal die Frage nicht unterdrücken:
Verdient denn der Gegenstand, der hier so herumgepufft, geknufft und
gestoßen wird, eigentlich eine solche Behandlung? Es kommt ja manch-
mal vor, daß ich einen Gegenstand, der mir ungeschickt in die Quere
kommt, mit dem Fuße wegschieben oder wegpuffen muß. Das hat dann
aber seinen Grund darin, daß ich die Hand nicht frei habe oder mich
zu beschädigen oder zu beschmutzen fürchten muß. Einen eigentlichen
Hundstritt werde ich aber selbst dann aus guten Gründen kaum an-
wenden . Gilt aber der Hundstritt einem schofeln "Subjekt", so vergißt
man über der Gemeinheit des "Subjekts" allenfalls, daß die Bewegung,
die ihm gilt, eigentlich selbst auch schofel ist. Doch überläßt man auch
in dem Fall die Ausführung lieber dem dafür bezahlten Hausknecht oder
vollzieht man sie nur moralisch. Ein "Objekt" dagegen ist überhaupt
nie so gemein, daß es eine solche Behandlung verdiente, und die Ge-
meinheit bleibt schließlich am "behandelnden" "Subjekt" hängen. Und

*) Vrgl. übrigens dazu die Momentaufnahme in der "Zeitschrift für Turnen
und Jugendspiel" 5. Jahrg. 1896 Nr. 7 und 8 S. 115 Abb. 2.

den Menschen zum Affen, selbst wenn die Haltung nicht den Grad ab-
stoßender Häßlichkeit erreicht, den uns unser Titelbild versinnlicht*). Noch
ein Tupf mit dem kleinen Finger der Linken, und das prächtige Gebilde
stürzt rücklings zu Boden oder kollert in kläglichen Sprüngen dahin,
um sich auf den Beinen zu erhalten. Welcher Bildhauer würde sich von
einer solchen Erscheinung zu künstlerischer Darstellung begeistern lassen?
Und selbst der Zeichner und Maler, der um des scharf Kennzeichnenden
willen auch das Häßliche und Abstoßende nicht scheut, wird sich doch
sehr besinnen, ehe er eine so häßliche Gebärde wiedergibt, sei's daß er
die Person entsprechend kennzeichnen, sei's daß er eine komisch-satirische
Wirkung erzielen will oder dergleichen.

Aber das Spiel hat doch daneben, schon rein formell betrachtet,
seine großen Vorzüge! Es wird ja nicht bloß gestoßen, sondern um den
Stoß erst tüchtig gelaufen und wenigstens beim Spiel mit Aufnahme
des Balls vielfach auch noch tüchtig gerungen! Gewiß, aber dabei bleibt
es doch nichtsdestoweniger bestehen, daß die letzte Entscheidung durch
die größere Fertigkeit im Stauchen herbeigeführt wird und daß alle die
ansprechenden und herzerfreuenden Bilder, die der Lauf- und Ring-
kampf bieten mag, immer wieder jäh durch die liebliche Erscheinung
des Hundstritts unterbrochen werden! Mag man sich durch jene noch
so angeregt, erbaut, erhoben fühlen, so wird man doch durch diese immer
wieder geärgert, erzürnt, beleidigt.

Es läßt sich nun eben einmal die Frage nicht unterdrücken:
Verdient denn der Gegenstand, der hier so herumgepufft, geknufft und
gestoßen wird, eigentlich eine solche Behandlung? Es kommt ja manch-
mal vor, daß ich einen Gegenstand, der mir ungeschickt in die Quere
kommt, mit dem Fuße wegschieben oder wegpuffen muß. Das hat dann
aber seinen Grund darin, daß ich die Hand nicht frei habe oder mich
zu beschädigen oder zu beschmutzen fürchten muß. Einen eigentlichen
Hundstritt werde ich aber selbst dann aus guten Gründen kaum an-
wenden . Gilt aber der Hundstritt einem schofeln „Subjekt“, so vergißt
man über der Gemeinheit des „Subjekts“ allenfalls, daß die Bewegung,
die ihm gilt, eigentlich selbst auch schofel ist. Doch überläßt man auch
in dem Fall die Ausführung lieber dem dafür bezahlten Hausknecht oder
vollzieht man sie nur moralisch. Ein „Objekt“ dagegen ist überhaupt
nie so gemein, daß es eine solche Behandlung verdiente, und die Ge-
meinheit bleibt schließlich am „behandelnden“ „Subjekt“ hängen. Und

*) Vrgl. übrigens dazu die Momentaufnahme in der „Zeitschrift für Turnen
und Jugendspiel“ 5. Jahrg. 1896 Nr. 7 und 8 S. 115 Abb. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="7"/>
den Menschen zum Affen, selbst wenn die Haltung nicht
                     den Grad ab-<lb/>
stoßender Häßlichkeit erreicht, den uns unser Titelbild
                         versinnlicht<note place="foot" n="*)">Vrgl. übrigens dazu die Momentaufnahme
                         in der &#x201E;Zeitschrift für Turnen<lb/>
und Jugendspiel&#x201C; 5. Jahrg. 1896 Nr. 7
                         und 8 S. 115 Abb. 2.<lb/></note>. Noch<lb/>
ein Tupf mit dem kleinen Finger
                     der Linken, und das prächtige Gebilde<lb/>
stürzt rücklings zu Boden oder
                     kollert in kläglichen Sprüngen dahin,<lb/>
um sich auf den Beinen zu erhalten.
                     Welcher Bildhauer würde sich von<lb/>
einer solchen Erscheinung zu
                     künstlerischer Darstellung begeistern lassen?<lb/>
Und selbst der Zeichner und
                     Maler, der um des scharf Kennzeichnenden<lb/>
willen auch das Häßliche und
                     Abstoßende nicht scheut, wird sich doch<lb/>
sehr besinnen, ehe er eine so
                     häßliche Gebärde wiedergibt, sei's daß er<lb/>
die Person entsprechend
                     kennzeichnen, sei's daß er eine komisch-satirische<lb/>
Wirkung erzielen will
                     oder dergleichen.</p><lb/>
        <p>Aber das Spiel hat doch daneben, schon rein formell betrachtet,<lb/>
seine großen
                     Vorzüge! Es wird ja nicht bloß gestoßen, sondern um den<lb/>
Stoß erst tüchtig
                     gelaufen und wenigstens beim Spiel mit Aufnahme<lb/>
des Balls vielfach auch
                     noch tüchtig gerungen! Gewiß, aber dabei bleibt<lb/>
es doch nichtsdestoweniger
                     bestehen, daß die letzte Entscheidung durch<lb/>
die größere Fertigkeit im
                     Stauchen herbeigeführt wird und daß alle die<lb/>
ansprechenden und
                     herzerfreuenden Bilder, die der Lauf- und Ring-<lb/>
kampf bieten mag, immer
                     wieder jäh durch die liebliche Erscheinung<lb/>
des Hundstritts unterbrochen
                     werden! Mag man sich durch jene noch<lb/>
so angeregt, erbaut, erhoben fühlen,
                     so wird man doch durch diese immer<lb/>
wieder geärgert, erzürnt, beleidigt.</p><lb/>
        <p>Es läßt sich nun eben einmal die Frage nicht unterdrücken:<lb/>
Verdient denn der
                     Gegenstand, der hier so herumgepufft, geknufft und<lb/>
gestoßen wird,
                     eigentlich eine solche Behandlung? Es kommt ja manch-<lb/>
mal vor, daß ich einen
                     Gegenstand, der mir ungeschickt in die Quere<lb/>
kommt, mit dem Fuße
                     wegschieben oder wegpuffen muß. Das hat dann<lb/>
aber seinen Grund darin, daß
                     ich die Hand nicht frei habe oder mich<lb/>
zu beschädigen oder zu beschmutzen
                     fürchten muß. Einen eigentlichen<lb/>
Hundstritt werde ich aber selbst dann aus
                     guten Gründen kaum an-<lb/>
wenden . Gilt aber der Hundstritt einem schofeln
                     &#x201E;Subjekt&#x201C;, so vergißt<lb/>
man über der Gemeinheit des &#x201E;Subjekts&#x201C; allenfalls,
                     daß die Bewegung,<lb/>
die ihm gilt, eigentlich selbst auch schofel ist. Doch
                     überläßt man auch<lb/>
in dem Fall die Ausführung lieber dem dafür bezahlten
                     Hausknecht oder<lb/>
vollzieht man sie nur moralisch. Ein &#x201E;Objekt&#x201C; dagegen ist
                     überhaupt<lb/>
nie so gemein, daß es eine solche Behandlung verdiente, und die
                     Ge-<lb/>
meinheit bleibt schließlich am &#x201E;behandelnden&#x201C; &#x201E;Subjekt&#x201C; hängen.
                         Und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0013] den Menschen zum Affen, selbst wenn die Haltung nicht den Grad ab- stoßender Häßlichkeit erreicht, den uns unser Titelbild versinnlicht *). Noch ein Tupf mit dem kleinen Finger der Linken, und das prächtige Gebilde stürzt rücklings zu Boden oder kollert in kläglichen Sprüngen dahin, um sich auf den Beinen zu erhalten. Welcher Bildhauer würde sich von einer solchen Erscheinung zu künstlerischer Darstellung begeistern lassen? Und selbst der Zeichner und Maler, der um des scharf Kennzeichnenden willen auch das Häßliche und Abstoßende nicht scheut, wird sich doch sehr besinnen, ehe er eine so häßliche Gebärde wiedergibt, sei's daß er die Person entsprechend kennzeichnen, sei's daß er eine komisch-satirische Wirkung erzielen will oder dergleichen. Aber das Spiel hat doch daneben, schon rein formell betrachtet, seine großen Vorzüge! Es wird ja nicht bloß gestoßen, sondern um den Stoß erst tüchtig gelaufen und wenigstens beim Spiel mit Aufnahme des Balls vielfach auch noch tüchtig gerungen! Gewiß, aber dabei bleibt es doch nichtsdestoweniger bestehen, daß die letzte Entscheidung durch die größere Fertigkeit im Stauchen herbeigeführt wird und daß alle die ansprechenden und herzerfreuenden Bilder, die der Lauf- und Ring- kampf bieten mag, immer wieder jäh durch die liebliche Erscheinung des Hundstritts unterbrochen werden! Mag man sich durch jene noch so angeregt, erbaut, erhoben fühlen, so wird man doch durch diese immer wieder geärgert, erzürnt, beleidigt. Es läßt sich nun eben einmal die Frage nicht unterdrücken: Verdient denn der Gegenstand, der hier so herumgepufft, geknufft und gestoßen wird, eigentlich eine solche Behandlung? Es kommt ja manch- mal vor, daß ich einen Gegenstand, der mir ungeschickt in die Quere kommt, mit dem Fuße wegschieben oder wegpuffen muß. Das hat dann aber seinen Grund darin, daß ich die Hand nicht frei habe oder mich zu beschädigen oder zu beschmutzen fürchten muß. Einen eigentlichen Hundstritt werde ich aber selbst dann aus guten Gründen kaum an- wenden . Gilt aber der Hundstritt einem schofeln „Subjekt“, so vergißt man über der Gemeinheit des „Subjekts“ allenfalls, daß die Bewegung, die ihm gilt, eigentlich selbst auch schofel ist. Doch überläßt man auch in dem Fall die Ausführung lieber dem dafür bezahlten Hausknecht oder vollzieht man sie nur moralisch. Ein „Objekt“ dagegen ist überhaupt nie so gemein, daß es eine solche Behandlung verdiente, und die Ge- meinheit bleibt schließlich am „behandelnden“ „Subjekt“ hängen. Und *) Vrgl. übrigens dazu die Momentaufnahme in der „Zeitschrift für Turnen und Jugendspiel“ 5. Jahrg. 1896 Nr. 7 und 8 S. 115 Abb. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Texterfassung und Korrekturen (2013-05-07T06:54:31Z)
Hannah Sophia Glaum: Konversion nach XML (2013-05-07T06:54:31Z)
Melanie Henss: Nachkorrekturen (2013-05-07T06:54:31Z)
Universitätsbibliothek Marburg: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-05-07T06:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Seiten- und Zeilenumbrüche markiert.
  • Silbentrennung entsprechend Vorlage.
  • Langes s als rundes s transkribiert.
  • Rundes r als r/et transkribiert.
  • Hervorhebungen ausgezeichnet.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/13
Zitationshilfe: Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/13>, abgerufen am 24.11.2024.