Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

Bild:
<< vorherige Seite

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] theil so viel und mercklich herrschen/ daß sie dem Pferd
zu viel Bewegung verursachen und geben/ oder das
Pferd gar dämpfen und nehmen.

Die guten aber helffen dem Pferde auch in seine
gute Bewegungen/ mit obernanter Beleitung/ da-
mit auch dieselbe ihren gebührlichen Theil contribui-
ren können/ wann des Reuters Bewegungen mit
des Pferdes seinen gehen/ oder mit folgen/ daß das
Pferd solches als eine merckliche Hülffe empfinden/
desto leichter darinnen fortkommen/ und des Reuters
Willen verrichten kan.

2. Welche des Pferdes bösen Bewegungen wi-
derstehen und verhindern/ also daß sie solche nicht voll-
bringen können/ welches durch Straffen/ Caressiren/
durch Gebrauch rechter Mittel/ Zeug und Lectionen
beschieht/ wann sie auch des Pferdes unordentlichen
Bewegungen gar vorkommen/ verhüten und endlich
gar abschaffen.

Welches auch der Reuter zu Zeiten mit solcher
Bezeigung werckstellig machen muß/ daß er seine ei-
gene des Pferdes Bewegungen gleichsam entge-
gen schicken und damit vorbiegen muß/ wie an seinem
Special-Ort/ solcher Ubung gnugsam gedacht ist.

3. Die dritte Art der Bewegungen/ bestehet in der
Vereinigung der beyden oberen/ und seyn die/ welche
so wol von dem Reuter/ als von dem Pferde/ und
zwar zugleich kommen.

Auff denen/ so dem Reuter von dem Pferde gema-
chet werden/ als die besten/ wann sie anderst gebrau-
chet/ auch die schlimmsten/ wo sie mißgebrauchet
werden/ bestehet ein vornehme Prob eines bescheide-
nen und vernünfftigen Reuters/ wie viel er sich
des Pferdes Bewegungen zunutz zu machen weiß/
daß ihme das Pferd kein Contra-tempo machen kön-
ne/ wie er dem Pferd thun könte/ dann um so viel stär-
cker das Pferd/ als er ist/ um so viel kräfftiger würden
anch dieselbe gegen ihm ankommen/ und seine Kräff-
te schwächen/ daß er aus der guten Postur geworffen/
das Pferd selbst/ in Confusion bringen würde/ weil er
ihm in solcher Gestalt entweder zu wenig oder zuviel
Freyheit lassen müste.

Ein Exempel des rechten Gebrauchs
solcher Bewegungen erzeiget
sich:
1. Wann sich das Pferd erhebet/ und der Reuter
solche Bewegung mit accompagniret/ hierinnen fol-
get der Reuter nicht allein den Pferden/ mit dem Arm
und Faust nach: sondern auch zu einer gleichen Zeit/
mit dem oberen Leib/ so weit sich solche Erhebung er-
strecket/ (und dieses vermittelst Einziehung des
Bauchs/) vorwerts/ damit bricht er des Pferdes ge-
waltsame Erhebung/ deren er entweichet.
Wo er aber solches unterlässet/ und sich zurück be-
giebet/ indem das Pferd sich erhebet/ so wird es ihm
von vornen her/ mit dem Sattel ein solches starckes
Contra-tempo machen/ dem er mit keiner Stärcke
zur Nothdurfft widerstehen wird/ neben dem es ge-
fährlich/ schädlich und übelständig ist.
[Spaltenumbruch]
Also wird solche unrechte oder gar verbleibende Be-
wegung/ zu einer falschen und schädlichen gemachet.
2. Wann es mit der Groppa spielet/ mit oder ohne
einen Streich/ (wiewol die mit dem Streich mehr
kräfftig seyn:) so sencket er den obern Leib (vermit-
telst des Bauchs Ausbiegung/) gegen der Groppa/
und bricht also die Stärcke der Bewegung/ daß ihn
der Sattel-Bogen nicht in Rücken stossen und den
Leib vorwerts/ oder in die Höhe stossen kan.
Ausser dessen aber wird sein unterer Leib und der
Sattel gegen einander treffen/ und der schwächer sicher-
lich weichen müssen/ sonderlich wo er dabey den Kopff
nicht perpendicular gleich aufwerts halten wird/ die-
ses wird ihme nicht minder/ als obiges sehr schädlich/
gefährlich und übelständig fallen/ und falsche Bewe-
gung zu nennen seyn.
3. Jn violenten Seiten-Springen/ ist des Pfer-
des Gewaltthätigen Bewegungen/ am besten recht
im Mittel und mit gantz gerad auffgerichtem Leibe zu
widerstehen.
Dann ob wol etliche vermeinen/ solchem damit zu
entweichen/ wann sie das Leibes-Gewicht/ auch auff
die Seiten tragen/ wo das Pferd hinspringet:
So ist doch solche Retirada meistentheils zu spat/
und der Sprung offtmahls vorbey/ ehe er dessen
wahrnehmen können/ über das hierinnen der Sachen
bald zuviel beschicht/ davon man gar überschlagen
oder unformlich hin- und wiederfallen müste.
4. Von den ordentlichen Schul-Lectionen ist an
jedem Ort die Nothdurfft angedeutet.
Die Camponirten
Movementen/
Welche auch

Tempo di Gamba
genennet werden.

DIe seynd zur Abrichtung eben so nöthig/ als dem
Reuter eine der schweresten Verrichtungen/ die-
selbe in rechter Vollkommenheit mit guter gratia und
Entledigung/ in rechter Maß und Zeit anzulegen/ sie
werden aber auff unterschiedliche Art gebrauchet.
Deren

1. Jst/ so die Frantzosen insonderheit das ihrige
nennen/ und ins gemein gebrauchen/ welches sie we-
gen des Wolstands nach ihrer Disposition lieben/
wie es andere wegen der Unsicherheit meiden. Jn die-
ser Action beweget der Reuter seine untere Schenckel/
erstlich einwerts/ aus der ordinari guten Postur/ und
gantz eilend wieder auswerts/ im Galloppo/ Corve-
ten und andern elevirten Arien.

Oder er serriret mit den Schenckeln/ an des Pfer-
des Schultern/ so starck daß es sich davon vornen ele-
viren lässet/ wann es nun wieder zu der Erden abge-
het/ so führet er die beyden Schenckel wieder zugleich
auswerts in ihre ordinari-Stellen der guten Postur.

Die-
Y 2

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] theil ſo viel und mercklich herrſchen/ daß ſie dem Pferd
zu viel Bewegung verurſachen und geben/ oder das
Pferd gar daͤmpfen und nehmen.

Die guten aber helffen dem Pferde auch in ſeine
gute Bewegungen/ mit obernanter Beleitung/ da-
mit auch dieſelbe ihren gebuͤhrlichen Theil contribui-
ren koͤnnen/ wann des Reuters Bewegungen mit
des Pferdes ſeinen gehen/ oder mit folgen/ daß das
Pferd ſolches als eine merckliche Huͤlffe empfinden/
deſto leichter darinnen fortkommen/ und des Reuters
Willen verrichten kan.

2. Welche des Pferdes boͤſen Bewegungen wi-
derſtehen und verhindern/ alſo daß ſie ſolche nicht voll-
bringen koͤnnen/ welches durch Straffen/ Careſſiren/
durch Gebrauch rechter Mittel/ Zeug und Lectionen
beſchieht/ wann ſie auch des Pferdes unordentlichen
Bewegungen gar vorkommen/ verhuͤten und endlich
gar abſchaffen.

Welches auch der Reuter zu Zeiten mit ſolcher
Bezeigung werckſtellig machen muß/ daß er ſeine ei-
gene des Pferdes Bewegungen gleichſam entge-
gen ſchicken und damit vorbiegen muß/ wie an ſeinem
Special-Ort/ ſolcher Ubung gnugſam gedacht iſt.

3. Die dritte Art der Bewegungen/ beſtehet in der
Vereinigung der beyden oberen/ und ſeyn die/ welche
ſo wol von dem Reuter/ als von dem Pferde/ und
zwar zugleich kommen.

Auff denen/ ſo dem Reuter von dem Pferde gema-
chet werden/ als die beſten/ wann ſie anderſt gebrau-
chet/ auch die ſchlimmſten/ wo ſie mißgebrauchet
werden/ beſtehet ein vornehme Prob eines beſcheide-
nen und vernuͤnfftigen Reuters/ wie viel er ſich
des Pferdes Bewegungen zunutz zu machen weiß/
daß ihme das Pferd kein Contra-tempo machen koͤn-
ne/ wie er dem Pferd thun koͤnte/ dann um ſo viel ſtaͤr-
cker das Pferd/ als er iſt/ um ſo viel kraͤfftiger wuͤrden
anch dieſelbe gegen ihm ankommen/ und ſeine Kraͤff-
te ſchwaͤchen/ daß er aus der guten Poſtur geworffen/
das Pferd ſelbſt/ in Confuſion bringen wuͤrde/ weil er
ihm in ſolcher Geſtalt entweder zu wenig oder zuviel
Freyheit laſſen muͤſte.

Ein Exempel des rechten Gebrauchs
ſolcher Bewegungen erzeiget
ſich:
1. Wann ſich das Pferd erhebet/ und der Reuter
ſolche Bewegung mit accompagniret/ hierinnen fol-
get der Reuter nicht allein den Pferden/ mit dem Arm
und Fauſt nach: ſondern auch zu einer gleichen Zeit/
mit dem oberen Leib/ ſo weit ſich ſolche Erhebung er-
ſtrecket/ (und dieſes vermittelſt Einziehung des
Bauchs/) vorwerts/ damit bricht er des Pferdes ge-
waltſame Erhebung/ deren er entweichet.
Wo er aber ſolches unterlaͤſſet/ und ſich zuruͤck be-
giebet/ indem das Pferd ſich erhebet/ ſo wird es ihm
von vornen her/ mit dem Sattel ein ſolches ſtarckes
Contra-tempo machen/ dem er mit keiner Staͤrcke
zur Nothdurfft widerſtehen wird/ neben dem es ge-
faͤhrlich/ ſchaͤdlich und uͤbelſtaͤndig iſt.
[Spaltenumbruch]
Alſo wird ſolche unrechte oder gar verbleibende Be-
wegung/ zu einer falſchen und ſchaͤdlichen gemachet.
2. Wann es mit der Groppa ſpielet/ mit oder ohne
einen Streich/ (wiewol die mit dem Streich mehr
kraͤfftig ſeyn:) ſo ſencket er den obern Leib (vermit-
telſt des Bauchs Ausbiegung/) gegen der Groppa/
und bricht alſo die Staͤrcke der Bewegung/ daß ihn
der Sattel-Bogen nicht in Ruͤcken ſtoſſen und den
Leib vorwerts/ oder in die Hoͤhe ſtoſſen kan.
Auſſer deſſen aber wird ſein unterer Leib und der
Sattel gegen einandeꝛ treffen/ uñ deꝛ ſchwaͤcher ſicher-
lich weichen muͤſſen/ ſonderlich wo er dabey den Kopff
nicht perpendicular gleich aufwerts halten wird/ die-
ſes wird ihme nicht minder/ als obiges ſehr ſchaͤdlich/
gefaͤhrlich und uͤbelſtaͤndig fallen/ und falſche Bewe-
gung zu nennen ſeyn.
3. Jn violenten Seiten-Springen/ iſt des Pfer-
des Gewaltthaͤtigen Bewegungen/ am beſten recht
im Mittel und mit gantz gerad auffgerichtem Leibe zu
widerſtehen.
Dann ob wol etliche vermeinen/ ſolchem damit zu
entweichen/ wann ſie das Leibes-Gewicht/ auch auff
die Seiten tragen/ wo das Pferd hinſpringet:
So iſt doch ſolche Retirada meiſtentheils zu ſpat/
und der Sprung offtmahls vorbey/ ehe er deſſen
wahrnehmen koͤnnen/ uͤber das hierinnen der Sachen
bald zuviel beſchicht/ davon man gar uͤberſchlagen
oder unformlich hin- und wiederfallen muͤſte.
4. Von den ordentlichen Schul-Lectionen iſt an
jedem Ort die Nothdurfft angedeutet.
Die Camponirten
Movementen/
Welche auch

Tempo di Gamba
genennet werden.

DIe ſeynd zur Abrichtung eben ſo noͤthig/ als dem
Reuter eine der ſchwereſten Verrichtungen/ die-
ſelbe in rechter Vollkommenheit mit guter gratia und
Entledigung/ in rechter Maß und Zeit anzulegen/ ſie
werden aber auff unterſchiedliche Art gebrauchet.
Deren

1. Jſt/ ſo die Frantzoſen inſonderheit das ihrige
nennen/ und ins gemein gebrauchen/ welches ſie we-
gen des Wolſtands nach ihrer Diſpoſition lieben/
wie es andere wegen der Unſicherheit meiden. Jn die-
ſer Action beweget der Reuter ſeine untere Schenckel/
erſtlich einwerts/ aus der ordinari guten Poſtur/ und
gantz eilend wieder auswerts/ im Galloppo/ Corve-
ten und andern elevirten Arien.

Oder er ſerriret mit den Schenckeln/ an des Pfer-
des Schultern/ ſo ſtarck daß es ſich davon vornen ele-
viren laͤſſet/ wann es nun wieder zu der Erden abge-
het/ ſo fuͤhret er die beyden Schenckel wieder zugleich
auswerts in ihre ordinari-Stellen der guten Poſtur.

Die-
Y 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0183" n="171"/><fw place="top" type="header">Pferde-Schatz.</fw><lb/><cb/>
theil &#x017F;o viel und mercklich herr&#x017F;chen/ daß &#x017F;ie dem Pferd<lb/>
zu viel Bewegung verur&#x017F;achen und geben/ oder das<lb/>
Pferd gar da&#x0364;mpfen und nehmen.</p><lb/>
                <p>Die guten aber helffen dem Pferde auch in &#x017F;eine<lb/>
gute Bewegungen/ mit obernanter Beleitung/ da-<lb/>
mit auch die&#x017F;elbe ihren gebu&#x0364;hrlichen Theil contribui-<lb/>
ren ko&#x0364;nnen/ wann des Reuters Bewegungen mit<lb/>
des Pferdes &#x017F;einen gehen/ oder mit folgen/ daß das<lb/>
Pferd &#x017F;olches als eine merckliche Hu&#x0364;lffe empfinden/<lb/>
de&#x017F;to leichter darinnen fortkommen/ und des Reuters<lb/>
Willen verrichten kan.</p><lb/>
                <p>2. Welche des Pferdes bo&#x0364;&#x017F;en Bewegungen wi-<lb/>
der&#x017F;tehen und verhindern/ al&#x017F;o daß &#x017F;ie &#x017F;olche nicht voll-<lb/>
bringen ko&#x0364;nnen/ welches durch Straffen/ Care&#x017F;&#x017F;iren/<lb/>
durch Gebrauch rechter Mittel/ Zeug und Lectionen<lb/>
be&#x017F;chieht/ wann &#x017F;ie auch des Pferdes unordentlichen<lb/>
Bewegungen gar vorkommen/ verhu&#x0364;ten und endlich<lb/>
gar ab&#x017F;chaffen.</p><lb/>
                <p>Welches auch der Reuter zu Zeiten mit &#x017F;olcher<lb/>
Bezeigung werck&#x017F;tellig machen muß/ daß er &#x017F;eine ei-<lb/>
gene des Pferdes Bewegungen gleich&#x017F;am entge-<lb/>
gen &#x017F;chicken und damit vorbiegen muß/ wie an &#x017F;einem<lb/>
Special-Ort/ &#x017F;olcher Ubung gnug&#x017F;am gedacht i&#x017F;t.</p><lb/>
                <p>3. Die dritte Art der Bewegungen/ be&#x017F;tehet in der<lb/>
Vereinigung der beyden oberen/ und &#x017F;eyn die/ welche<lb/>
&#x017F;o wol von dem Reuter/ als von dem Pferde/ und<lb/>
zwar zugleich kommen.</p><lb/>
                <p>Auff denen/ &#x017F;o dem Reuter von dem Pferde gema-<lb/>
chet werden/ als die be&#x017F;ten/ wann &#x017F;ie ander&#x017F;t gebrau-<lb/>
chet/ auch die &#x017F;chlimm&#x017F;ten/ wo &#x017F;ie mißgebrauchet<lb/>
werden/ be&#x017F;tehet ein vornehme Prob eines be&#x017F;cheide-<lb/>
nen und vernu&#x0364;nfftigen Reuters/ wie viel er &#x017F;ich<lb/>
des Pferdes Bewegungen zunutz zu machen weiß/<lb/>
daß ihme das Pferd kein <hi rendition="#aq">Contra-tempo</hi> machen ko&#x0364;n-<lb/>
ne/ wie er dem Pferd thun ko&#x0364;nte/ dann um &#x017F;o viel &#x017F;ta&#x0364;r-<lb/>
cker das Pferd/ als er i&#x017F;t/ um &#x017F;o viel kra&#x0364;fftiger wu&#x0364;rden<lb/>
anch die&#x017F;elbe gegen ihm ankommen/ und &#x017F;eine Kra&#x0364;ff-<lb/>
te &#x017F;chwa&#x0364;chen/ daß er aus der guten Po&#x017F;tur geworffen/<lb/>
das Pferd &#x017F;elb&#x017F;t/ in Confu&#x017F;ion bringen wu&#x0364;rde/ weil er<lb/>
ihm in &#x017F;olcher Ge&#x017F;talt entweder zu wenig oder zuviel<lb/>
Freyheit la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;te.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#b">Ein Exempel des rechten Gebrauchs</hi><lb/>
&#x017F;olcher Bewegungen erzeiget<lb/>
&#x017F;ich:</head><lb/>
                <list>
                  <item>1. Wann &#x017F;ich das Pferd erhebet/ und der Reuter<lb/>
&#x017F;olche Bewegung mit accompagniret/ hierinnen fol-<lb/>
get der Reuter nicht allein den Pferden/ mit dem Arm<lb/>
und Fau&#x017F;t nach: &#x017F;ondern auch zu einer gleichen Zeit/<lb/>
mit dem oberen Leib/ &#x017F;o weit &#x017F;ich &#x017F;olche Erhebung er-<lb/>
&#x017F;trecket/ (und die&#x017F;es vermittel&#x017F;t Einziehung des<lb/>
Bauchs/) vorwerts/ damit bricht er des Pferdes ge-<lb/>
walt&#x017F;ame Erhebung/ deren er entweichet.</item><lb/>
                  <item>Wo er aber &#x017F;olches unterla&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ und &#x017F;ich zuru&#x0364;ck be-<lb/>
giebet/ indem das Pferd &#x017F;ich erhebet/ &#x017F;o wird es ihm<lb/>
von vornen her/ mit dem Sattel ein &#x017F;olches &#x017F;tarckes<lb/><hi rendition="#aq">Contra-tempo</hi> machen/ dem er mit keiner Sta&#x0364;rcke<lb/>
zur Nothdurfft wider&#x017F;tehen wird/ neben dem es ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlich/ &#x017F;cha&#x0364;dlich und u&#x0364;bel&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t.</item>
                </list><lb/>
                <cb/>
                <list>
                  <item>Al&#x017F;o wird &#x017F;olche unrechte oder gar verbleibende Be-<lb/>
wegung/ zu einer fal&#x017F;chen und &#x017F;cha&#x0364;dlichen gemachet.</item><lb/>
                  <item>2. Wann es mit der Groppa &#x017F;pielet/ mit oder ohne<lb/>
einen Streich/ (wiewol die mit dem Streich mehr<lb/>
kra&#x0364;fftig &#x017F;eyn:) &#x017F;o &#x017F;encket er den obern Leib (vermit-<lb/>
tel&#x017F;t des Bauchs Ausbiegung/) gegen der Groppa/<lb/>
und bricht al&#x017F;o die Sta&#x0364;rcke der Bewegung/ daß ihn<lb/>
der Sattel-Bogen nicht in Ru&#x0364;cken &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en und den<lb/>
Leib vorwerts/ oder in die Ho&#x0364;he &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en kan.</item><lb/>
                  <item>Au&#x017F;&#x017F;er de&#x017F;&#x017F;en aber wird &#x017F;ein unterer Leib und der<lb/>
Sattel gegen einande&#xA75B; treffen/ uñ de&#xA75B; &#x017F;chwa&#x0364;cher &#x017F;icher-<lb/>
lich weichen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;onderlich wo er dabey den Kopff<lb/>
nicht <hi rendition="#aq">perpendicular</hi> gleich aufwerts halten wird/ die-<lb/>
&#x017F;es wird ihme nicht minder/ als obiges &#x017F;ehr &#x017F;cha&#x0364;dlich/<lb/>
gefa&#x0364;hrlich und u&#x0364;bel&#x017F;ta&#x0364;ndig fallen/ und fal&#x017F;che Bewe-<lb/>
gung zu nennen &#x017F;eyn.</item><lb/>
                  <item>3. Jn violenten Seiten-Springen/ i&#x017F;t des Pfer-<lb/>
des Gewalttha&#x0364;tigen Bewegungen/ am be&#x017F;ten recht<lb/>
im Mittel und mit gantz gerad auffgerichtem Leibe zu<lb/>
wider&#x017F;tehen.</item><lb/>
                  <item>Dann ob wol etliche vermeinen/ &#x017F;olchem damit zu<lb/>
entweichen/ wann &#x017F;ie das Leibes-Gewicht/ auch auff<lb/>
die Seiten tragen/ wo das Pferd hin&#x017F;pringet:</item><lb/>
                  <item>So i&#x017F;t doch &#x017F;olche Retirada mei&#x017F;tentheils zu &#x017F;pat/<lb/>
und der Sprung offtmahls vorbey/ ehe er de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wahrnehmen ko&#x0364;nnen/ u&#x0364;ber das hierinnen der Sachen<lb/>
bald zuviel be&#x017F;chicht/ davon man gar u&#x0364;ber&#x017F;chlagen<lb/>
oder unformlich hin- und wiederfallen mu&#x0364;&#x017F;te.</item><lb/>
                  <item>4. Von den ordentlichen Schul-Lectionen i&#x017F;t an<lb/>
jedem Ort die Nothdurfft angedeutet.</item>
                </list>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#b">Die Camponirten<lb/><hi rendition="#g">Movementen/</hi><lb/>
Welche auch</hi><lb/><hi rendition="#aq">Tempo di Gamba</hi><lb/>
genennet werden.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">D</hi>Ie &#x017F;eynd zur Abrichtung eben &#x017F;o no&#x0364;thig/ als dem<lb/>
Reuter eine der &#x017F;chwere&#x017F;ten Verrichtungen/ die-<lb/>
&#x017F;elbe in rechter Vollkommenheit mit guter <hi rendition="#aq">gratia</hi> und<lb/>
Entledigung/ in rechter Maß und Zeit anzulegen/ &#x017F;ie<lb/>
werden aber auff unter&#x017F;chiedliche Art gebrauchet.<lb/>
Deren</p><lb/>
              <p>1. J&#x017F;t/ &#x017F;o die Frantzo&#x017F;en in&#x017F;onderheit das ihrige<lb/>
nennen/ und ins gemein gebrauchen/ welches &#x017F;ie we-<lb/>
gen des Wol&#x017F;tands nach ihrer Di&#x017F;po&#x017F;ition lieben/<lb/>
wie es andere wegen der Un&#x017F;icherheit meiden. Jn die-<lb/>
&#x017F;er Action beweget der Reuter &#x017F;eine untere Schenckel/<lb/>
er&#x017F;tlich einwerts/ aus der ordinari guten Po&#x017F;tur/ und<lb/>
gantz eilend wieder auswerts/ im Galloppo/ Corve-<lb/>
ten und andern elevirten Arien.</p><lb/>
              <p>Oder er &#x017F;erriret mit den Schenckeln/ an des Pfer-<lb/>
des Schultern/ &#x017F;o &#x017F;tarck daß es &#x017F;ich davon vornen ele-<lb/>
viren la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ wann es nun wieder zu der Erden abge-<lb/>
het/ &#x017F;o fu&#x0364;hret er die beyden Schenckel wieder zugleich<lb/>
auswerts in ihre ordinari-Stellen der guten Po&#x017F;tur.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">Y 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Die-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0183] Pferde-Schatz. theil ſo viel und mercklich herrſchen/ daß ſie dem Pferd zu viel Bewegung verurſachen und geben/ oder das Pferd gar daͤmpfen und nehmen. Die guten aber helffen dem Pferde auch in ſeine gute Bewegungen/ mit obernanter Beleitung/ da- mit auch dieſelbe ihren gebuͤhrlichen Theil contribui- ren koͤnnen/ wann des Reuters Bewegungen mit des Pferdes ſeinen gehen/ oder mit folgen/ daß das Pferd ſolches als eine merckliche Huͤlffe empfinden/ deſto leichter darinnen fortkommen/ und des Reuters Willen verrichten kan. 2. Welche des Pferdes boͤſen Bewegungen wi- derſtehen und verhindern/ alſo daß ſie ſolche nicht voll- bringen koͤnnen/ welches durch Straffen/ Careſſiren/ durch Gebrauch rechter Mittel/ Zeug und Lectionen beſchieht/ wann ſie auch des Pferdes unordentlichen Bewegungen gar vorkommen/ verhuͤten und endlich gar abſchaffen. Welches auch der Reuter zu Zeiten mit ſolcher Bezeigung werckſtellig machen muß/ daß er ſeine ei- gene des Pferdes Bewegungen gleichſam entge- gen ſchicken und damit vorbiegen muß/ wie an ſeinem Special-Ort/ ſolcher Ubung gnugſam gedacht iſt. 3. Die dritte Art der Bewegungen/ beſtehet in der Vereinigung der beyden oberen/ und ſeyn die/ welche ſo wol von dem Reuter/ als von dem Pferde/ und zwar zugleich kommen. Auff denen/ ſo dem Reuter von dem Pferde gema- chet werden/ als die beſten/ wann ſie anderſt gebrau- chet/ auch die ſchlimmſten/ wo ſie mißgebrauchet werden/ beſtehet ein vornehme Prob eines beſcheide- nen und vernuͤnfftigen Reuters/ wie viel er ſich des Pferdes Bewegungen zunutz zu machen weiß/ daß ihme das Pferd kein Contra-tempo machen koͤn- ne/ wie er dem Pferd thun koͤnte/ dann um ſo viel ſtaͤr- cker das Pferd/ als er iſt/ um ſo viel kraͤfftiger wuͤrden anch dieſelbe gegen ihm ankommen/ und ſeine Kraͤff- te ſchwaͤchen/ daß er aus der guten Poſtur geworffen/ das Pferd ſelbſt/ in Confuſion bringen wuͤrde/ weil er ihm in ſolcher Geſtalt entweder zu wenig oder zuviel Freyheit laſſen muͤſte. Ein Exempel des rechten Gebrauchs ſolcher Bewegungen erzeiget ſich: 1. Wann ſich das Pferd erhebet/ und der Reuter ſolche Bewegung mit accompagniret/ hierinnen fol- get der Reuter nicht allein den Pferden/ mit dem Arm und Fauſt nach: ſondern auch zu einer gleichen Zeit/ mit dem oberen Leib/ ſo weit ſich ſolche Erhebung er- ſtrecket/ (und dieſes vermittelſt Einziehung des Bauchs/) vorwerts/ damit bricht er des Pferdes ge- waltſame Erhebung/ deren er entweichet. Wo er aber ſolches unterlaͤſſet/ und ſich zuruͤck be- giebet/ indem das Pferd ſich erhebet/ ſo wird es ihm von vornen her/ mit dem Sattel ein ſolches ſtarckes Contra-tempo machen/ dem er mit keiner Staͤrcke zur Nothdurfft widerſtehen wird/ neben dem es ge- faͤhrlich/ ſchaͤdlich und uͤbelſtaͤndig iſt. Alſo wird ſolche unrechte oder gar verbleibende Be- wegung/ zu einer falſchen und ſchaͤdlichen gemachet. 2. Wann es mit der Groppa ſpielet/ mit oder ohne einen Streich/ (wiewol die mit dem Streich mehr kraͤfftig ſeyn:) ſo ſencket er den obern Leib (vermit- telſt des Bauchs Ausbiegung/) gegen der Groppa/ und bricht alſo die Staͤrcke der Bewegung/ daß ihn der Sattel-Bogen nicht in Ruͤcken ſtoſſen und den Leib vorwerts/ oder in die Hoͤhe ſtoſſen kan. Auſſer deſſen aber wird ſein unterer Leib und der Sattel gegen einandeꝛ treffen/ uñ deꝛ ſchwaͤcher ſicher- lich weichen muͤſſen/ ſonderlich wo er dabey den Kopff nicht perpendicular gleich aufwerts halten wird/ die- ſes wird ihme nicht minder/ als obiges ſehr ſchaͤdlich/ gefaͤhrlich und uͤbelſtaͤndig fallen/ und falſche Bewe- gung zu nennen ſeyn. 3. Jn violenten Seiten-Springen/ iſt des Pfer- des Gewaltthaͤtigen Bewegungen/ am beſten recht im Mittel und mit gantz gerad auffgerichtem Leibe zu widerſtehen. Dann ob wol etliche vermeinen/ ſolchem damit zu entweichen/ wann ſie das Leibes-Gewicht/ auch auff die Seiten tragen/ wo das Pferd hinſpringet: So iſt doch ſolche Retirada meiſtentheils zu ſpat/ und der Sprung offtmahls vorbey/ ehe er deſſen wahrnehmen koͤnnen/ uͤber das hierinnen der Sachen bald zuviel beſchicht/ davon man gar uͤberſchlagen oder unformlich hin- und wiederfallen muͤſte. 4. Von den ordentlichen Schul-Lectionen iſt an jedem Ort die Nothdurfft angedeutet. Die Camponirten Movementen/ Welche auch Tempo di Gamba genennet werden. DIe ſeynd zur Abrichtung eben ſo noͤthig/ als dem Reuter eine der ſchwereſten Verrichtungen/ die- ſelbe in rechter Vollkommenheit mit guter gratia und Entledigung/ in rechter Maß und Zeit anzulegen/ ſie werden aber auff unterſchiedliche Art gebrauchet. Deren 1. Jſt/ ſo die Frantzoſen inſonderheit das ihrige nennen/ und ins gemein gebrauchen/ welches ſie we- gen des Wolſtands nach ihrer Diſpoſition lieben/ wie es andere wegen der Unſicherheit meiden. Jn die- ſer Action beweget der Reuter ſeine untere Schenckel/ erſtlich einwerts/ aus der ordinari guten Poſtur/ und gantz eilend wieder auswerts/ im Galloppo/ Corve- ten und andern elevirten Arien. Oder er ſerriret mit den Schenckeln/ an des Pfer- des Schultern/ ſo ſtarck daß es ſich davon vornen ele- viren laͤſſet/ wann es nun wieder zu der Erden abge- het/ ſo fuͤhret er die beyden Schenckel wieder zugleich auswerts in ihre ordinari-Stellen der guten Poſtur. Die- Y 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/183
Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/183>, abgerufen am 22.11.2024.