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Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

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Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch]

Ein Pferd welches sich in der Ubung auß Freudig-
keit und Vermögen lüfftiger erweiset/ als der Reuter
von ihme durch die Zumuthung und Hülffen erfor-
dert/ ist eben dasselbe/ welches seine Capacität zu den
lüfftigen Schulen erweisen wil/ und darum mehr zu
caressiren als zu straffen/ noch mehr aber darzu an-
zuleiten: ob es auch auf deß Reuters erfordern der-
gleichen bezeigen wolle oder könne: sonderlich wo das
Ende besser und fürderlicher als das vorgehende ist/
welches ausser dieser Prob/ in aller andern Ubung
und Bezeigung eine Gleichheit erfordert. Doch soll
solche Lust deß Pferdes auch seine gewisse Maß behal-
ten/ daß nicht endlich deß Reuters Verachtung und
der ordentlichen Lectionen daraus erwachse.

Dann es wird alles/ was ausser der natürlichen
Neigung/ Eigenschafft/ Capacität und Vermögen
durch die Kunst allein/ erzwungen werden wil oder
solle/ entweder gar nicht/ oder doch garmangelhafft/
langsam und beschwerlich/ sowol mit deß Reuters
als mit deß Pferdes Gefahr/ Ungemach/ und Scha-
den beschehen/ und da gleich was geschähe/ welches ei-
nem oder dem andern gut bedunckte/ wird es doch gar
keinen oder so lang Bestand haben/ daß man sich
dessen in nützlichem Gebrauch zuerfreuen hätte: weil
darauß endlich bey einem oder dem andern einiger
Verdruß erfolget/ auß welchembald eine Verzweif-
felung werden kan/ welche allen Uberrest der Kräfften/
allein auff das widersetzen verwendet: dann was ü-
ber und wider die Natur und Vermögen gehet/ das ist
auch dem Willen jederzeit zuwider/ und wird dem
Reuter/ wie dem Pferd/ desto saurer/ wo er dieselbe
nicht zu Gehülffen/ sondern vielmehr zu Feinden im
widerstreben hat: der aber solche zu Mithelffern genies-
set und nur recht verstehet/ wie er sie anwenden und
gebrauchen solle/ hat fast keiner sonderlichen Bemü-
hung nöthig/ wie einem Unwissenden auch sein gutes
Vornehmen nicht fortgehet/ weil er sich selber hin-
dert/ in dem er ein solches mittel erwehlet/ welches
zwar zu andern Vorhaben nützlich wäre/ zu diesem
aber eben so schädlich ist.

Etliche Pferde werden durch viel/ andere durch
wenig Arbeit gewonnen/ fromm/ geduldig und ge-
horsam gemachet/ durch welche Erkäntnüß der Reu-
ter/ dieselbe durch viel oder wenige Wiederholung
mehren und mindern kan.

Je ehe ein Pferd abgerichtet wird/ je mehr Zeit/
Mühe und Unkosten seynd erspahret/ und deß Pferdes
Wissenschafft desto länger zu geniessen/ wie auch des-
selben Vermögen desto länger in gutem Wolstand
zu erhalten: bestehet also nicht der geringste Nutzen
auch in dessen Vortheil/ daß er mit demselben den
kürtzesten Weg ergreiffe/ solches nicht über die Zeit
und Gebühr aufzuhalten: daß es seine beste Jahr und
Kräfften/ allein über der Abrichtung verliere/ ehe un-
werth/ als es recht nützlich gebrauchet werde.

Hergegen bringet die Ubereilung offtmals die
gröste Hinderung/ daß man von fornen wieder an-
fangen muß/ und doch den rechten Zweck/ auch nicht
so gut als vor erreichen kan. Dann verdorbene Roß
seyn viel schwerer wieder gäntzlich zu recht zubringen/
als die niemals geübte/ etwas gutes zu lernen.

Es gehöret ungleich mehr Verstand/ ein wolabge-
[Spaltenumbruch] richtes Pferd/ bey seiner Wissenschafft und Wolstand/
lange Zeit zuerhalten/ als von Anfang zuunterweisen.
Dann abgerichte Pferd/ bey der rechten Zaumung/
und dessen völligem Gehorsam/ guten Gestalt/ Ge-
sundheit und Muth zu versichern/ daß kein Laster/
Muthwillen/ Jncapricirung/ Defension oder andere
Mängel einreissen/ bedarff neben der Wissenschafft/
fleissiges Auffsehen/ Glück und Erfahrung.

Dann wie denselben übermässiges Stehen/ an
der Gesundheit/ Gedächtnuß und Ubung schädlich/
so können sie leichtlich/ durch unmässigen bösen Ge-
brauch/ auß dem Gehorsam kommen/ worein sie so
leicht nicht als junge Pferde wieder zu bringen seyn.

Dann wird er sich auch in allem seinem Vorneh-
men an die gründliche Unterweisungs-Art/ und der-
selben Regeln/ Ordnung und Verfahrung halten/
und ausser gewisser raison, solchen nicht zu wider le-
ben/ noch etwas Neues sonderliches gebrauchen/ wo
er nicht auß gewissen Gründen oder Erfahrung deß
bessern Außgangs versichert ist.

Jnsonderheit aber wird er fleissig in Acht nehmen/
auch jederzeit darob und daran seyn/ daß alles/ was
ins Gemein und insonderheit/ an allen noch unwis-
senden/ mittelmässigen und völlig abgerichten Pfer-
den/ an deren Sinnen/ Gemütern und Leibern/ wie
an allen Gliedmassen gespühret wird/ so den Pferden
angeschaffen/ gewachsen/ angenommen/ gewohnet
oder verursachet worden (welches der Natur zu gegen
lauffet) für böß/ gefährlich/ schädlich und untüchtig
anzunehmen/ und nach der Müglichkeit zuverbes-
sern/ und dasselbe auch um soviel mehr und ehe/ als es
dem Pferde selbst zuwider ist.

Welches Pferd sich auß Lust lüfftig und in Sprin-
gen in- und ausser der Schul erweiset/ sol nimmer-
mehr darum gestraffet werden: ob gleich solche
Action/ zu selbiger Zeit in der Abrichtung nicht a pro-
pos
ist/ oder von ihm erfordert wird/ es wäre dann daß
es sich auß Boßheit damit defendiren wolte/ sol es
doch mit grossem Unterscheid und Bescheidenheit be-
schehen/ damit man ihm dadurch solche Disposition
und Natur nicht für allezeit benehme/ und in der Er-
forderung nicht mehr erhalten möge.

Dann welche Pferde die Disposition zu den erha-
benen Arien/ nicht auß ihrer natürlichen Inclination
und freywilligen Bezeigungen/ für sich selber er-
scheinen lassen/ wann es von ihnen nicht erfordert
wird/ die werden den wenigsten Wolstand/ Sicher-
heit/ oder Ruhm erlangen/ wann sie darzu gehal-
ten/ vielmehr wann sie gezwungen werden sollen.
Wie sich nun Pferde vom geringem Vermögen/ sel-
ber in den nidrigen Schulen/ zu der Erden setzen und
abbassiren/ weil sie auß ihrer eigenen Beschaffenheit
wol wissen/ daß sie kein mehrers erreichen/ außfüh-
ren oder continuiren können/ wann man dasselbe
gleich von ihnen begerte/ und an ihrem gutem Wil-
len nicht ermangelte/ so sind die vermögentliche
Pferde und die zum Springen incliniren nicht ohne
Confusion in niedrigen Schulen abzurichten oder
bey der Erden zubehalten: Also soll der Reuter sich
solche Bezeigung für den unfehlbahren Wegweiser
dienen lassen/ nach derselben jedes Pferd bey seiner

Natur
S 3
Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch]

Ein Pferd welches ſich in der Ubung auß Freudig-
keit und Vermoͤgen luͤfftiger erweiſet/ als der Reuter
von ihme durch die Zumuthung und Huͤlffen erfor-
dert/ iſt eben daſſelbe/ welches ſeine Capacitaͤt zu den
luͤfftigen Schulen erweiſen wil/ und darum mehr zu
careſſiren als zu ſtraffen/ noch mehr aber darzu an-
zuleiten: ob es auch auf deß Reuters erfordern der-
gleichen bezeigen wolle oder koͤnne: ſonderlich wo das
Ende beſſer und fuͤrderlicher als das vorgehende iſt/
welches auſſer dieſer Prob/ in aller andern Ubung
und Bezeigung eine Gleichheit erfordert. Doch ſoll
ſolche Luſt deß Pferdes auch ſeine gewiſſe Maß behal-
ten/ daß nicht endlich deß Reuters Verachtung und
der ordentlichen Lectionen daraus erwachſe.

Dann es wird alles/ was auſſer der natuͤrlichen
Neigung/ Eigenſchafft/ Capacitaͤt und Vermoͤgen
durch die Kunſt allein/ erzwungen werden wil oder
ſolle/ entweder gar nicht/ oder doch garmangelhafft/
langſam und beſchwerlich/ ſowol mit deß Reuters
als mit deß Pferdes Gefahr/ Ungemach/ und Scha-
den beſchehen/ und da gleich was geſchaͤhe/ welches ei-
nem oder dem andern gut bedunckte/ wird es doch gar
keinen oder ſo lang Beſtand haben/ daß man ſich
deſſen in nuͤtzlichem Gebrauch zuerfreuen haͤtte: weil
darauß endlich bey einem oder dem andern einiger
Verdruß erfolget/ auß welchembald eine Verzweif-
felung werden kan/ welche allen Uberreſt der Kraͤfftẽ/
allein auff das widerſetzen verwendet: dann was uͤ-
ber und wider die Natur und Vermoͤgen gehet/ das iſt
auch dem Willen jederzeit zuwider/ und wird dem
Reuter/ wie dem Pferd/ deſto ſaurer/ wo er dieſelbe
nicht zu Gehuͤlffen/ ſondern vielmehr zu Feinden im
widerſtreben hat: der aber ſolche zu Mithelffern genieſ-
ſet und nur recht verſtehet/ wie er ſie anwenden und
gebrauchen ſolle/ hat faſt keiner ſonderlichen Bemuͤ-
hung noͤthig/ wie einem Unwiſſenden auch ſein gutes
Vornehmen nicht fortgehet/ weil er ſich ſelber hin-
dert/ in dem er ein ſolches mittel erwehlet/ welches
zwar zu andern Vorhaben nuͤtzlich waͤre/ zu dieſem
aber eben ſo ſchaͤdlich iſt.

Etliche Pferde werden durch viel/ andere durch
wenig Arbeit gewonnen/ fromm/ geduldig und ge-
horſam gemachet/ durch welche Erkaͤntnuͤß der Reu-
ter/ dieſelbe durch viel oder wenige Wiederholung
mehren und mindern kan.

Je ehe ein Pferd abgerichtet wird/ je mehr Zeit/
Muͤhe und Unkoſten ſeynd erſpahret/ und deß Pferdes
Wiſſenſchafft deſto laͤnger zu genieſſen/ wie auch deſ-
ſelben Vermoͤgen deſto laͤnger in gutem Wolſtand
zu erhalten: beſtehet alſo nicht der geringſte Nutzen
auch in deſſen Vortheil/ daß er mit demſelben den
kuͤrtzeſten Weg ergreiffe/ ſolches nicht uͤber die Zeit
und Gebuͤhr aufzuhalten: daß es ſeine beſte Jahr und
Kraͤfften/ allein uͤber der Abrichtung verliere/ ehe un-
werth/ als es recht nuͤtzlich gebrauchet werde.

Hergegen bringet die Ubereilung offtmals die
groͤſte Hinderung/ daß man von fornen wieder an-
fangen muß/ und doch den rechten Zweck/ auch nicht
ſo gut als vor erreichen kan. Dann verdorbene Roß
ſeyn viel ſchwerer wieder gaͤntzlich zu recht zubringen/
als die niemals geuͤbte/ etwas gutes zu lernen.

Es gehoͤret ungleich mehr Verſtand/ ein wolabge-
[Spaltenumbruch] richtes Pferd/ bey ſeiner Wiſſenſchafft uñ Wolſtand/
lange Zeit zuerhalten/ als von Anfang zuunterweiſen.
Dann abgerichte Pferd/ bey der rechten Zaumung/
und deſſen voͤlligem Gehorſam/ guten Geſtalt/ Ge-
ſundheit und Muth zu verſichern/ daß kein Laſter/
Muthwillen/ Jncapricirung/ Defenſion oder andere
Maͤngel einreiſſen/ bedarff neben der Wiſſenſchafft/
fleiſſiges Auffſehen/ Gluͤck und Erfahrung.

Dann wie denſelben uͤbermaͤſſiges Stehen/ an
der Geſundheit/ Gedaͤchtnuß und Ubung ſchaͤdlich/
ſo koͤnnen ſie leichtlich/ durch unmaͤſſigen boͤſen Ge-
brauch/ auß dem Gehorſam kommen/ worein ſie ſo
leicht nicht als junge Pferde wieder zu bringen ſeyn.

Dann wird er ſich auch in allem ſeinem Vorneh-
men an die gruͤndliche Unterweiſungs-Art/ und der-
ſelben Regeln/ Ordnung und Verfahrung halten/
und auſſer gewiſſer raiſon, ſolchen nicht zu wider le-
ben/ noch etwas Neues ſonderliches gebrauchen/ wo
er nicht auß gewiſſen Gruͤnden oder Erfahrung deß
beſſern Außgangs verſichert iſt.

Jnſonderheit aber wird er fleiſſig in Acht nehmen/
auch jederzeit darob und daran ſeyn/ daß alles/ was
ins Gemein und inſonderheit/ an allen noch unwiſ-
ſenden/ mittelmaͤſſigen und voͤllig abgerichten Pfer-
den/ an deren Sinnen/ Gemuͤtern und Leibern/ wie
an allen Gliedmaſſen geſpuͤhret wird/ ſo den Pferden
angeſchaffen/ gewachſen/ angenommen/ gewohnet
oder verurſachet worden (welches der Natur zu gegen
lauffet) fuͤr boͤß/ gefaͤhrlich/ ſchaͤdlich und untuͤchtig
anzunehmen/ und nach der Muͤglichkeit zuverbeſ-
ſern/ und daſſelbe auch um ſoviel mehr und ehe/ als es
dem Pferde ſelbſt zuwider iſt.

Welches Pferd ſich auß Luſt luͤfftig und in Sprin-
gen in- und auſſer der Schul erweiſet/ ſol nimmer-
mehr darum geſtraffet werden: ob gleich ſolche
Action/ zu ſelbiger Zeit in der Abrichtung nicht a pro-
pos
iſt/ oder von ihm erfordert wird/ es waͤre dann daß
es ſich auß Boßheit damit defendiren wolte/ ſol es
doch mit groſſem Unterſcheid und Beſcheidenheit be-
ſchehen/ damit man ihm dadurch ſolche Diſpoſition
und Natur nicht fuͤr allezeit benehme/ und in der Er-
forderung nicht mehr erhalten moͤge.

Dann welche Pferde die Diſpoſition zu den erha-
benen Arien/ nicht auß ihrer natuͤrlichen Inclination
und freywilligen Bezeigungen/ fuͤr ſich ſelber er-
ſcheinen laſſen/ wann es von ihnen nicht erfordert
wird/ die werden den wenigſten Wolſtand/ Sicher-
heit/ oder Ruhm erlangen/ wann ſie darzu gehal-
ten/ vielmehr wann ſie gezwungen werden ſollen.
Wie ſich nun Pferde vom geringem Vermoͤgen/ ſel-
ber in den nidrigen Schulen/ zu der Erden ſetzen und
abbaſſiren/ weil ſie auß ihrer eigenen Beſchaffenheit
wol wiſſen/ daß ſie kein mehrers erreichen/ außfuͤh-
ren oder continuiren koͤnnen/ wann man daſſelbe
gleich von ihnen begerte/ und an ihrem gutem Wil-
len nicht ermangelte/ ſo ſind die vermoͤgentliche
Pferde und die zum Springen incliniren nicht ohne
Confuſion in niedrigen Schulen abzurichten oder
bey der Erden zubehalten: Alſo ſoll der Reuter ſich
ſolche Bezeigung fuͤr den unfehlbahren Wegweiſer
dienen laſſen/ nach derſelben jedes Pferd bey ſeiner

Natur
S 3
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[141/0151] Pferde-Schatz. Ein Pferd welches ſich in der Ubung auß Freudig- keit und Vermoͤgen luͤfftiger erweiſet/ als der Reuter von ihme durch die Zumuthung und Huͤlffen erfor- dert/ iſt eben daſſelbe/ welches ſeine Capacitaͤt zu den luͤfftigen Schulen erweiſen wil/ und darum mehr zu careſſiren als zu ſtraffen/ noch mehr aber darzu an- zuleiten: ob es auch auf deß Reuters erfordern der- gleichen bezeigen wolle oder koͤnne: ſonderlich wo das Ende beſſer und fuͤrderlicher als das vorgehende iſt/ welches auſſer dieſer Prob/ in aller andern Ubung und Bezeigung eine Gleichheit erfordert. Doch ſoll ſolche Luſt deß Pferdes auch ſeine gewiſſe Maß behal- ten/ daß nicht endlich deß Reuters Verachtung und der ordentlichen Lectionen daraus erwachſe. Dann es wird alles/ was auſſer der natuͤrlichen Neigung/ Eigenſchafft/ Capacitaͤt und Vermoͤgen durch die Kunſt allein/ erzwungen werden wil oder ſolle/ entweder gar nicht/ oder doch garmangelhafft/ langſam und beſchwerlich/ ſowol mit deß Reuters als mit deß Pferdes Gefahr/ Ungemach/ und Scha- den beſchehen/ und da gleich was geſchaͤhe/ welches ei- nem oder dem andern gut bedunckte/ wird es doch gar keinen oder ſo lang Beſtand haben/ daß man ſich deſſen in nuͤtzlichem Gebrauch zuerfreuen haͤtte: weil darauß endlich bey einem oder dem andern einiger Verdruß erfolget/ auß welchembald eine Verzweif- felung werden kan/ welche allen Uberreſt der Kraͤfftẽ/ allein auff das widerſetzen verwendet: dann was uͤ- ber und wider die Natur und Vermoͤgen gehet/ das iſt auch dem Willen jederzeit zuwider/ und wird dem Reuter/ wie dem Pferd/ deſto ſaurer/ wo er dieſelbe nicht zu Gehuͤlffen/ ſondern vielmehr zu Feinden im widerſtreben hat: der aber ſolche zu Mithelffern genieſ- ſet und nur recht verſtehet/ wie er ſie anwenden und gebrauchen ſolle/ hat faſt keiner ſonderlichen Bemuͤ- hung noͤthig/ wie einem Unwiſſenden auch ſein gutes Vornehmen nicht fortgehet/ weil er ſich ſelber hin- dert/ in dem er ein ſolches mittel erwehlet/ welches zwar zu andern Vorhaben nuͤtzlich waͤre/ zu dieſem aber eben ſo ſchaͤdlich iſt. Etliche Pferde werden durch viel/ andere durch wenig Arbeit gewonnen/ fromm/ geduldig und ge- horſam gemachet/ durch welche Erkaͤntnuͤß der Reu- ter/ dieſelbe durch viel oder wenige Wiederholung mehren und mindern kan. Je ehe ein Pferd abgerichtet wird/ je mehr Zeit/ Muͤhe und Unkoſten ſeynd erſpahret/ und deß Pferdes Wiſſenſchafft deſto laͤnger zu genieſſen/ wie auch deſ- ſelben Vermoͤgen deſto laͤnger in gutem Wolſtand zu erhalten: beſtehet alſo nicht der geringſte Nutzen auch in deſſen Vortheil/ daß er mit demſelben den kuͤrtzeſten Weg ergreiffe/ ſolches nicht uͤber die Zeit und Gebuͤhr aufzuhalten: daß es ſeine beſte Jahr und Kraͤfften/ allein uͤber der Abrichtung verliere/ ehe un- werth/ als es recht nuͤtzlich gebrauchet werde. Hergegen bringet die Ubereilung offtmals die groͤſte Hinderung/ daß man von fornen wieder an- fangen muß/ und doch den rechten Zweck/ auch nicht ſo gut als vor erreichen kan. Dann verdorbene Roß ſeyn viel ſchwerer wieder gaͤntzlich zu recht zubringen/ als die niemals geuͤbte/ etwas gutes zu lernen. Es gehoͤret ungleich mehr Verſtand/ ein wolabge- richtes Pferd/ bey ſeiner Wiſſenſchafft uñ Wolſtand/ lange Zeit zuerhalten/ als von Anfang zuunterweiſen. Dann abgerichte Pferd/ bey der rechten Zaumung/ und deſſen voͤlligem Gehorſam/ guten Geſtalt/ Ge- ſundheit und Muth zu verſichern/ daß kein Laſter/ Muthwillen/ Jncapricirung/ Defenſion oder andere Maͤngel einreiſſen/ bedarff neben der Wiſſenſchafft/ fleiſſiges Auffſehen/ Gluͤck und Erfahrung. Dann wie denſelben uͤbermaͤſſiges Stehen/ an der Geſundheit/ Gedaͤchtnuß und Ubung ſchaͤdlich/ ſo koͤnnen ſie leichtlich/ durch unmaͤſſigen boͤſen Ge- brauch/ auß dem Gehorſam kommen/ worein ſie ſo leicht nicht als junge Pferde wieder zu bringen ſeyn. Dann wird er ſich auch in allem ſeinem Vorneh- men an die gruͤndliche Unterweiſungs-Art/ und der- ſelben Regeln/ Ordnung und Verfahrung halten/ und auſſer gewiſſer raiſon, ſolchen nicht zu wider le- ben/ noch etwas Neues ſonderliches gebrauchen/ wo er nicht auß gewiſſen Gruͤnden oder Erfahrung deß beſſern Außgangs verſichert iſt. Jnſonderheit aber wird er fleiſſig in Acht nehmen/ auch jederzeit darob und daran ſeyn/ daß alles/ was ins Gemein und inſonderheit/ an allen noch unwiſ- ſenden/ mittelmaͤſſigen und voͤllig abgerichten Pfer- den/ an deren Sinnen/ Gemuͤtern und Leibern/ wie an allen Gliedmaſſen geſpuͤhret wird/ ſo den Pferden angeſchaffen/ gewachſen/ angenommen/ gewohnet oder verurſachet worden (welches der Natur zu gegen lauffet) fuͤr boͤß/ gefaͤhrlich/ ſchaͤdlich und untuͤchtig anzunehmen/ und nach der Muͤglichkeit zuverbeſ- ſern/ und daſſelbe auch um ſoviel mehr und ehe/ als es dem Pferde ſelbſt zuwider iſt. Welches Pferd ſich auß Luſt luͤfftig und in Sprin- gen in- und auſſer der Schul erweiſet/ ſol nimmer- mehr darum geſtraffet werden: ob gleich ſolche Action/ zu ſelbiger Zeit in der Abrichtung nicht a pro- pos iſt/ oder von ihm erfordert wird/ es waͤre dann daß es ſich auß Boßheit damit defendiren wolte/ ſol es doch mit groſſem Unterſcheid und Beſcheidenheit be- ſchehen/ damit man ihm dadurch ſolche Diſpoſition und Natur nicht fuͤr allezeit benehme/ und in der Er- forderung nicht mehr erhalten moͤge. Dann welche Pferde die Diſpoſition zu den erha- benen Arien/ nicht auß ihrer natuͤrlichen Inclination und freywilligen Bezeigungen/ fuͤr ſich ſelber er- ſcheinen laſſen/ wann es von ihnen nicht erfordert wird/ die werden den wenigſten Wolſtand/ Sicher- heit/ oder Ruhm erlangen/ wann ſie darzu gehal- ten/ vielmehr wann ſie gezwungen werden ſollen. Wie ſich nun Pferde vom geringem Vermoͤgen/ ſel- ber in den nidrigen Schulen/ zu der Erden ſetzen und abbaſſiren/ weil ſie auß ihrer eigenen Beſchaffenheit wol wiſſen/ daß ſie kein mehrers erreichen/ außfuͤh- ren oder continuiren koͤnnen/ wann man daſſelbe gleich von ihnen begerte/ und an ihrem gutem Wil- len nicht ermangelte/ ſo ſind die vermoͤgentliche Pferde und die zum Springen incliniren nicht ohne Confuſion in niedrigen Schulen abzurichten oder bey der Erden zubehalten: Alſo ſoll der Reuter ſich ſolche Bezeigung fuͤr den unfehlbahren Wegweiſer dienen laſſen/ nach derſelben jedes Pferd bey ſeiner Natur S 3

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Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/151>, abgerufen am 22.11.2024.