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Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

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Neuer vollkommener
[Spaltenumbruch]
Zagheit.

Eine andere Art Furcht iſt/ die man Zagheit nen-
net/ welche bey allen ſcheuen Pferden entſtehet/ ſo ſich
1. vor allem dem entſetzen/ was ſie nicht jederzeit vor
Augen ſehen und wolgewohnet ſeyn/ 2. was ihnen
unverſehens ins Geſicht kommet/ 3. welches ſich ſehr
beweget/ 4. ein gefaͤhrliches Anſehen hat/ 5. oder laut
pollert/ 6. allen Straffen/ auch den ſtarcken Huͤlffs-
Mitteln ausweichet und entfliehen will.

Bloͤdigkeit.

Die dritte Art iſt eine Bloͤdigkeit/ wie ſich mancher
junger Menſch/ auch bey dem Wolverhalten fuͤrchtet
und beſorget/ welche aber unter dieſen die geringſte/
und durch viel Careſſirung und verſichernde Liebko-
ſung mit der Zeit abzunehmen iſt.

Die vorgehenden 2. Arten aber ſtecken offtermahls
ſo tieff in dem Gemuͤth eingewurtzelt/ daß es groſſe
Kunſt brauchet/ deren ungehindert/ mit der Abrich-
tung gluͤcklich fortzufahren.

Dieſes iſt bey den Wallachen/ ein faſt gemeines
und durchgehendes Laſter/ wie bey denſelben/ neben
den Urſachen zufinden. Wo es ſich aber an einem
Hengſt erzeiget/ iſt es deſto ſchlimmer/ weil es ſolchen
zu allem hohen Gebrauch untuͤchtig machet. Denn
weil wenig natuͤrliche Urſachen ſolches bey demſelben
wuͤrcken/ iſt das Hertz und Gemuͤth deſto mehr davon
eingenommen: ſo beſchwerlich nun/ eine gleichſam
angeſchaffene Natur zuaͤndern/ ſo wenig Mittel wer-
den auch darwider dienen und beſtaͤndig fruchten
koͤnnen.

Argwohn oder Mißtrauen.

Argwohn und Mißtrauen/ ſo den hitzigen Pferden
mehr als andern anhaͤnget/ iſt zwar eine ſchaͤdliche
Hinderung der guten Abrichtung/ Ubung und Ge-
brauchs/ ſo weit ſolche mehr von uͤbeler Verfahrung/
als aus angenommener Gewohnheit oder natuͤrli-
cher Erbſchafft herruͤhret: Denn wie das erſte durch
guͤtige Verfahrung wieder allgemach abzunehmen/ ſo
iſt das letzte ſchwerlich gaͤntzlich aus der Gedaͤchtnuß
zubringen: Deñ es iſt ſich zu denen Menſchẽ nichts gu-
tes zuverſehen/ welche keinem andern trauẽ/ weil ſie ſel-
ber nicht werth ſeyn/ daß man ihnen trauen ſoll oder
koͤnnte/ ſondern mit boͤſen Tuͤcken ſchwanger gehen.

Vergeſſen.

Vergeſſenheit/ iſt bey den Pferden ein hinderlicher
Mangel in der Abrichtung/ weil wenig natuͤrliche
Mittel zufinden ſeyn werden/ den Pferden wie den
Menſchen die Gedaͤchtniß zubringen oder zuſtaͤr-
cken/ welche auch ſehr koſtbar fallen wuͤrden. Wo
man aber alle Leetionen ſo offt repetiren wolle/ biß ſie
bey einer boͤſen Gedaͤchtniß hafften/ wird man ſehr
ſpat zu der Abrichtung gelangen/ ſonderlich wo der
Lectionen viel/ und dabey ſchwer zuthun und anzu-
bringen ſeyn.

Nachlaͤſſig.

Nachlaͤſſigkeit und Verdruß/ iſt dergleichen einem
Reuter/ an dem Pferde zuvertragen/ ſehr beſchwer-
lich/ weil aus dem immerwaͤhrenden erinnern und er-
[Spaltenumbruch] muntern eingleiches Ubel/ als durch die unaufhoͤrliche
Huͤlffen und Straffen entſtehen/ daß ſie dieſelbe gantz
gewohnen/ und letzlich auch nichts achten/ welches al-
len Wohlſtand und Preiß des Reuters abnimmet.

Ungelehrnig.

Ungelehrnigkeit iſt bey den Pferden ein muͤhſa-
mes/ verdrießliches/ und dem Reuter verkleinerliches
Ubel/ wann man nicht ſehen kan/ daß ſeine Abrichtung
etwas fruchtet und nutzet.

Argliſtig.

Argliſtigkeit iſt kein Verſtand/ wann dieſelbe 1. nur
als eine Vergebung der Capacitaͤt/ 2. zu Entziehung
ſeiner Pflicht-Schuldigkeit/ 3. zu boßhaffter Hinter-
gehung und Practicirung allerley Betrugs/ Falſch-
heit/ Untreu/ Rach und Verkehrung des guten ange-
wendet wird/ welches bey den Pferden ſowol als bey
den Menſchen geſchehen kan.

Faul-oder Traͤgheit.

Faulheit wird zwar etlichen Pferden durch unter-
ſchiedene Ermunterungs-Mittel/ wo nicht voͤllig ver-
trieben/ doch in etwas verbeſſert/ welches Pferd aber
von Natur ſauler Art iſt/ das waͤre viel tuͤchtiger in
das Holtz/ als auff die Schul zuſchicken/ dañ es wenig
Ehre erhalten wird.

Traurigkeit.

Was mit traurigen betruͤbten Menſchen in den
Geſchaͤfften nuͤtzllches anzufangen/ (welche vielmehr
eine ſonderliche als gemeine Freude erfodern/) das
wird auch bey den Pferden in hohen Ubungen zuer-
halten ſeyn/ welche den Pferden ohne das wegen der
noͤthigen Huͤlffen und Straffen/ mehr Verdruß und
Unluſt/ als ergoͤtzliche Froͤligkeit verurſachen. Es
kommen ſolche nun gleich von einiger angeerbten/
natuͤrlichen/ melancholiſchen Complexion/ Kranck-
heit/ boͤſer Unterweiſung/ Wartung/ Ubung und Ge-
brauch/ oder von andern Urſachen her/ ſo iſt doch in
wichtigen Geſchaͤfften mit ſolchen Pferden wenig
nuͤtzliches auszurichten/ ſo viel und lang ſie in dieſem
Mangel ſtecken.

Verzweiffelung.

Dieſe iſt bey allerley Art Pferden/ am allermeiſten
aber bey den hitzigen leichter zuerwecken als zuremedi-
ren. Und wird dieſelbe aus unterſchiedlichen andern
Laſtern und boͤſen Bezeigungen und derſelben ein-
ſtimmenden Verbindungen endlich erwecket/ als 1.
aus herrſchendem Zorn/ Haß/ Rach/ Ungedult/ Hei-
gel/ Widerſpenſtigkeit und angewohnten Ungehor-
ſam/ auff des Pferdes Seiten; auff des Reuters
aber/ aus unzeitigem/ uͤbermaͤſſigen Zorn/ Ungedult/
Rach/ Haß und Tyranney/ alſo auch aus Unwiſ-
ſenheit und Mangel des maͤſſigen Gebrauchs/ der
Lieb/ Huͤlff- und Straff-Mittel/ auch unmaͤſſig und
unzeitigen Gebrauch des ſcharffen Zeugs und Zwang
der Oerter verurſachet. Welches etlichen Pfer-
den durch lange Zeit und beſcheidene Verfahrung/
ſonderlich bey rechter Zaͤumung zubenehmen/ an-

dern

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Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/104>, abgerufen am 29.12.2024.