Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.tanzen die Lichter, wie sie eben die Hand der frommen Träger schwingt, auf allen Pfaden daher -- ein eben so seltsamer wie lieblicher Anblick. Auch Nidinger schickte Knecht und Magd zur heiligen Feier; nachdem die Luft rein war, erschien Klaus, um mit seinem Diendl den Weihnachtszeiten anzuschneiden. Wie wohl that es ihm, daß er wieder beim warmen Ofen in einer Stube sitzen konnte! Noth und Harm waren vergessen, fröhlich aß er vom Birnbrot und trank den aromatischen Kirscheler dazu; wie an den glatten Fensterscheiben schimmernd und zierlich eine Eisblume aus der andern entsprang, zeichnete er die Pläne einer heiteren Zukunft. Auch das Mädchen lächelte, und doch wußte Keines von Beiden, wann sie wieder so traulich zusammensitzen, und ob sie je noch einen Zelten genießen würden. Ist doch die schnell welkende Blume des Glückes am schönsten, wenn man sie am Rande des Abgrundes pflückt. Selbst der Alte, welcher sich sonst nur zu sehr grämlichen Bedenklichkeiten hingab, überließ sich den behaglichen Eindrücken dieser Stunde. Stunde, ja! Man konnte von der Stube die Kirche sehen; da wurden bereits wieder auf dem Kirchhofe die Kienfackeln angezündet und begannen, sich nach allen Richtungen hin zerstreuend, zu wandern. Es ist Zeit! unterbrach der Alte die Fröhlichen, es ist Zeit, du mußt in deine Einsiedelei! Klaus schaute vorsichtig durch das Fenster; während des Gottesdienstes hatte es geschneit. Das ist schlimm! tanzen die Lichter, wie sie eben die Hand der frommen Träger schwingt, auf allen Pfaden daher — ein eben so seltsamer wie lieblicher Anblick. Auch Nidinger schickte Knecht und Magd zur heiligen Feier; nachdem die Luft rein war, erschien Klaus, um mit seinem Diendl den Weihnachtszeiten anzuschneiden. Wie wohl that es ihm, daß er wieder beim warmen Ofen in einer Stube sitzen konnte! Noth und Harm waren vergessen, fröhlich aß er vom Birnbrot und trank den aromatischen Kirscheler dazu; wie an den glatten Fensterscheiben schimmernd und zierlich eine Eisblume aus der andern entsprang, zeichnete er die Pläne einer heiteren Zukunft. Auch das Mädchen lächelte, und doch wußte Keines von Beiden, wann sie wieder so traulich zusammensitzen, und ob sie je noch einen Zelten genießen würden. Ist doch die schnell welkende Blume des Glückes am schönsten, wenn man sie am Rande des Abgrundes pflückt. Selbst der Alte, welcher sich sonst nur zu sehr grämlichen Bedenklichkeiten hingab, überließ sich den behaglichen Eindrücken dieser Stunde. Stunde, ja! Man konnte von der Stube die Kirche sehen; da wurden bereits wieder auf dem Kirchhofe die Kienfackeln angezündet und begannen, sich nach allen Richtungen hin zerstreuend, zu wandern. Es ist Zeit! unterbrach der Alte die Fröhlichen, es ist Zeit, du mußt in deine Einsiedelei! Klaus schaute vorsichtig durch das Fenster; während des Gottesdienstes hatte es geschneit. Das ist schlimm! <TEI> <text> <body> <div n="6"> <p><pb facs="#f0074"/> tanzen die Lichter, wie sie eben die Hand der frommen Träger schwingt, auf allen Pfaden daher — ein eben so seltsamer wie lieblicher Anblick. Auch Nidinger schickte Knecht und Magd zur heiligen Feier; nachdem die Luft rein war, erschien Klaus, um mit seinem Diendl den Weihnachtszeiten anzuschneiden. Wie wohl that es ihm, daß er wieder beim warmen Ofen in einer Stube sitzen konnte! Noth und Harm waren vergessen, fröhlich aß er vom Birnbrot und trank den aromatischen Kirscheler dazu; wie an den glatten Fensterscheiben schimmernd und zierlich eine Eisblume aus der andern entsprang, zeichnete er die Pläne einer heiteren Zukunft. Auch das Mädchen lächelte, und doch wußte Keines von Beiden, wann sie wieder so traulich zusammensitzen, und ob sie je noch einen Zelten genießen würden. Ist doch die schnell welkende Blume des Glückes am schönsten, wenn man sie am Rande des Abgrundes pflückt. Selbst der Alte, welcher sich sonst nur zu sehr grämlichen Bedenklichkeiten hingab, überließ sich den behaglichen Eindrücken dieser Stunde. Stunde, ja! Man konnte von der Stube die Kirche sehen; da wurden bereits wieder auf dem Kirchhofe die Kienfackeln angezündet und begannen, sich nach allen Richtungen hin zerstreuend, zu wandern.</p><lb/> <p>Es ist Zeit! unterbrach der Alte die Fröhlichen, es ist Zeit, du mußt in deine Einsiedelei! Klaus schaute vorsichtig durch das Fenster; während des Gottesdienstes hatte es geschneit. Das ist schlimm!<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0074]
tanzen die Lichter, wie sie eben die Hand der frommen Träger schwingt, auf allen Pfaden daher — ein eben so seltsamer wie lieblicher Anblick. Auch Nidinger schickte Knecht und Magd zur heiligen Feier; nachdem die Luft rein war, erschien Klaus, um mit seinem Diendl den Weihnachtszeiten anzuschneiden. Wie wohl that es ihm, daß er wieder beim warmen Ofen in einer Stube sitzen konnte! Noth und Harm waren vergessen, fröhlich aß er vom Birnbrot und trank den aromatischen Kirscheler dazu; wie an den glatten Fensterscheiben schimmernd und zierlich eine Eisblume aus der andern entsprang, zeichnete er die Pläne einer heiteren Zukunft. Auch das Mädchen lächelte, und doch wußte Keines von Beiden, wann sie wieder so traulich zusammensitzen, und ob sie je noch einen Zelten genießen würden. Ist doch die schnell welkende Blume des Glückes am schönsten, wenn man sie am Rande des Abgrundes pflückt. Selbst der Alte, welcher sich sonst nur zu sehr grämlichen Bedenklichkeiten hingab, überließ sich den behaglichen Eindrücken dieser Stunde. Stunde, ja! Man konnte von der Stube die Kirche sehen; da wurden bereits wieder auf dem Kirchhofe die Kienfackeln angezündet und begannen, sich nach allen Richtungen hin zerstreuend, zu wandern.
Es ist Zeit! unterbrach der Alte die Fröhlichen, es ist Zeit, du mußt in deine Einsiedelei! Klaus schaute vorsichtig durch das Fenster; während des Gottesdienstes hatte es geschneit. Das ist schlimm!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-23T13:06:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-23T13:06:45Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |