Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Naz stand einen Augenblick unschlüssig, dann eilte er heimwärts. Unterdeß hatte sich der Himmel mehr und mehr getrübt, schwere Wolkenballen häuften sich, über den Wäldern flatterten Nebel, zum Zeichen, daß der Kampf der Gegenwinde bereits beginne. Ueber das Stanerjoch zog ein Regen, plötzlich wehte es kalt durch das Thal, und schwere Tropfen prasselten nieder. Auf den Gräten und Spitzen der Gebirge schneite es, Nachmittag senkte sich der grauweiße Schleier immer tiefer, bald fielen unter dem Regen einzelne Flocken, beim Anbruch der Dämmerung schneite es tüchtig. Versetzen wir uns an den Achensee. Das Schneegestöber hatte aufgehört, über den Wellen jedoch, welche unheimlich an das Ufer rauschten und halbgelös'ten Schnee ausspieen, lastete dumpf und schwer das Dunkel. Es mochte Mitternacht sein, da versammelten sich an der Schiffshütte beim abgebrannten Zoll zwölf Bauern, tief in ihre Mäntel gehüllt. Nach kurzer, leiser Verabredung schlichen Zwei auf der Straße gegen Achenkirch, Zwei auf der gegen Jenbach vor und stellten sich nach einigen hundert Schritten als Wachen hinter Steinblöcke. Die Uebrigen öffneten leise die Schiffshütte, lös'ten drei Kähne von der Kette und schoben sie in das Wasser. Als die Vier das Geräusch hörten, kehrten sie eilig zurück, Alle stiegen ein und verschwanden bald im Dunkel gegen den Seekar, dessen Wände hier steil Naz stand einen Augenblick unschlüssig, dann eilte er heimwärts. Unterdeß hatte sich der Himmel mehr und mehr getrübt, schwere Wolkenballen häuften sich, über den Wäldern flatterten Nebel, zum Zeichen, daß der Kampf der Gegenwinde bereits beginne. Ueber das Stanerjoch zog ein Regen, plötzlich wehte es kalt durch das Thal, und schwere Tropfen prasselten nieder. Auf den Gräten und Spitzen der Gebirge schneite es, Nachmittag senkte sich der grauweiße Schleier immer tiefer, bald fielen unter dem Regen einzelne Flocken, beim Anbruch der Dämmerung schneite es tüchtig. Versetzen wir uns an den Achensee. Das Schneegestöber hatte aufgehört, über den Wellen jedoch, welche unheimlich an das Ufer rauschten und halbgelös'ten Schnee ausspieen, lastete dumpf und schwer das Dunkel. Es mochte Mitternacht sein, da versammelten sich an der Schiffshütte beim abgebrannten Zoll zwölf Bauern, tief in ihre Mäntel gehüllt. Nach kurzer, leiser Verabredung schlichen Zwei auf der Straße gegen Achenkirch, Zwei auf der gegen Jenbach vor und stellten sich nach einigen hundert Schritten als Wachen hinter Steinblöcke. Die Uebrigen öffneten leise die Schiffshütte, lös'ten drei Kähne von der Kette und schoben sie in das Wasser. Als die Vier das Geräusch hörten, kehrten sie eilig zurück, Alle stiegen ein und verschwanden bald im Dunkel gegen den Seekar, dessen Wände hier steil <TEI> <text> <body> <div n="6"> <pb facs="#f0061"/> <p>Naz stand einen Augenblick unschlüssig, dann eilte er heimwärts.</p><lb/> <p>Unterdeß hatte sich der Himmel mehr und mehr getrübt, schwere Wolkenballen häuften sich, über den Wäldern flatterten Nebel, zum Zeichen, daß der Kampf der Gegenwinde bereits beginne. Ueber das Stanerjoch zog ein Regen, plötzlich wehte es kalt durch das Thal, und schwere Tropfen prasselten nieder. Auf den Gräten und Spitzen der Gebirge schneite es, Nachmittag senkte sich der grauweiße Schleier immer tiefer, bald fielen unter dem Regen einzelne Flocken, beim Anbruch der Dämmerung schneite es tüchtig.</p><lb/> <p>Versetzen wir uns an den Achensee. Das Schneegestöber hatte aufgehört, über den Wellen jedoch, welche unheimlich an das Ufer rauschten und halbgelös'ten Schnee ausspieen, lastete dumpf und schwer das Dunkel. Es mochte Mitternacht sein, da versammelten sich an der Schiffshütte beim abgebrannten Zoll zwölf Bauern, tief in ihre Mäntel gehüllt. Nach kurzer, leiser Verabredung schlichen Zwei auf der Straße gegen Achenkirch, Zwei auf der gegen Jenbach vor und stellten sich nach einigen hundert Schritten als Wachen hinter Steinblöcke. Die Uebrigen öffneten leise die Schiffshütte, lös'ten drei Kähne von der Kette und schoben sie in das Wasser.</p><lb/> <p>Als die Vier das Geräusch hörten, kehrten sie eilig zurück, Alle stiegen ein und verschwanden bald im Dunkel gegen den Seekar, dessen Wände hier steil<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
Naz stand einen Augenblick unschlüssig, dann eilte er heimwärts.
Unterdeß hatte sich der Himmel mehr und mehr getrübt, schwere Wolkenballen häuften sich, über den Wäldern flatterten Nebel, zum Zeichen, daß der Kampf der Gegenwinde bereits beginne. Ueber das Stanerjoch zog ein Regen, plötzlich wehte es kalt durch das Thal, und schwere Tropfen prasselten nieder. Auf den Gräten und Spitzen der Gebirge schneite es, Nachmittag senkte sich der grauweiße Schleier immer tiefer, bald fielen unter dem Regen einzelne Flocken, beim Anbruch der Dämmerung schneite es tüchtig.
Versetzen wir uns an den Achensee. Das Schneegestöber hatte aufgehört, über den Wellen jedoch, welche unheimlich an das Ufer rauschten und halbgelös'ten Schnee ausspieen, lastete dumpf und schwer das Dunkel. Es mochte Mitternacht sein, da versammelten sich an der Schiffshütte beim abgebrannten Zoll zwölf Bauern, tief in ihre Mäntel gehüllt. Nach kurzer, leiser Verabredung schlichen Zwei auf der Straße gegen Achenkirch, Zwei auf der gegen Jenbach vor und stellten sich nach einigen hundert Schritten als Wachen hinter Steinblöcke. Die Uebrigen öffneten leise die Schiffshütte, lös'ten drei Kähne von der Kette und schoben sie in das Wasser.
Als die Vier das Geräusch hörten, kehrten sie eilig zurück, Alle stiegen ein und verschwanden bald im Dunkel gegen den Seekar, dessen Wände hier steil
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Zitationshilfe: | Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/61>, abgerufen am 16.02.2025. |