Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dahinter erhoben, so konnte man im Thal den aufsteigenden Rauch nicht sehen, zugleich lag die Stelle außer der Richtung der schrecklichen Lawinen. Er fing nun an, Bäume zu fällen, maß mit dem Bindfaden die Länge, schlichtete sie dann mit dem Beil zu vierkantigen Balken und schleppte diese Stück für Stück mit einem Stricke über den Rücken den Felsen empor, wo er sie auf der andern Seite hinunterwarf. Da er nur einen kleinen Raum einzuschließen brauchte, -- die Rückwand und zum Theil die Seiten schuf der Schrofen, -- so rammte er schon Nachmittag die Pfähle ein, welche das niedrige Dach tragen sollten, und fügte die Balken zusammen. Die Fugen verstopfte er sorgfältig mit Moos, nur eine Lücke ließ er offen, gerade weit genug, um ein Fensterglas anzubringen. Den kleinen Herd baute er in einem Winkel aus Steinplatten. Nun nahte jedoch die Dämmerung, er stieg zum Bache hinab und lauerte im Gebüsch, bis Nidinger mit seiner Tochter kam. Mit größter Freude erzählte er ihnen, was er bereits zu Stande gebracht, er verabredete, daß ihm der Alte Bretter liefern sollte. Dies war um so leichter möglich, da er bei einem Bauern in Steinberg Lärchenläden gekauft hatte, welche noch immer nicht abgeholt waren. Schon am nächsten Morgen wollte Nidinger mit zwei Ochsen hineinfahren, er konnte dabei Manches mitbringen, ohne Aufsehen zu erregen. Walburg hatte vorsorglich einen Wollenkotzen und einige Leintücher bereits mitgebracht; er bat sie noch, ihm einen kupfernen Son- dahinter erhoben, so konnte man im Thal den aufsteigenden Rauch nicht sehen, zugleich lag die Stelle außer der Richtung der schrecklichen Lawinen. Er fing nun an, Bäume zu fällen, maß mit dem Bindfaden die Länge, schlichtete sie dann mit dem Beil zu vierkantigen Balken und schleppte diese Stück für Stück mit einem Stricke über den Rücken den Felsen empor, wo er sie auf der andern Seite hinunterwarf. Da er nur einen kleinen Raum einzuschließen brauchte, — die Rückwand und zum Theil die Seiten schuf der Schrofen, — so rammte er schon Nachmittag die Pfähle ein, welche das niedrige Dach tragen sollten, und fügte die Balken zusammen. Die Fugen verstopfte er sorgfältig mit Moos, nur eine Lücke ließ er offen, gerade weit genug, um ein Fensterglas anzubringen. Den kleinen Herd baute er in einem Winkel aus Steinplatten. Nun nahte jedoch die Dämmerung, er stieg zum Bache hinab und lauerte im Gebüsch, bis Nidinger mit seiner Tochter kam. Mit größter Freude erzählte er ihnen, was er bereits zu Stande gebracht, er verabredete, daß ihm der Alte Bretter liefern sollte. Dies war um so leichter möglich, da er bei einem Bauern in Steinberg Lärchenläden gekauft hatte, welche noch immer nicht abgeholt waren. Schon am nächsten Morgen wollte Nidinger mit zwei Ochsen hineinfahren, er konnte dabei Manches mitbringen, ohne Aufsehen zu erregen. Walburg hatte vorsorglich einen Wollenkotzen und einige Leintücher bereits mitgebracht; er bat sie noch, ihm einen kupfernen Son- <TEI> <text> <body> <div n="6"> <p><pb facs="#f0055"/> dahinter erhoben, so konnte man im Thal den aufsteigenden Rauch nicht sehen, zugleich lag die Stelle außer der Richtung der schrecklichen Lawinen. Er fing nun an, Bäume zu fällen, maß mit dem Bindfaden die Länge, schlichtete sie dann mit dem Beil zu vierkantigen Balken und schleppte diese Stück für Stück mit einem Stricke über den Rücken den Felsen empor, wo er sie auf der andern Seite hinunterwarf. Da er nur einen kleinen Raum einzuschließen brauchte, — die Rückwand und zum Theil die Seiten schuf der Schrofen, — so rammte er schon Nachmittag die Pfähle ein, welche das niedrige Dach tragen sollten, und fügte die Balken zusammen. Die Fugen verstopfte er sorgfältig mit Moos, nur eine Lücke ließ er offen, gerade weit genug, um ein Fensterglas anzubringen. Den kleinen Herd baute er in einem Winkel aus Steinplatten. Nun nahte jedoch die Dämmerung, er stieg zum Bache hinab und lauerte im Gebüsch, bis Nidinger mit seiner Tochter kam. Mit größter Freude erzählte er ihnen, was er bereits zu Stande gebracht, er verabredete, daß ihm der Alte Bretter liefern sollte. Dies war um so leichter möglich, da er bei einem Bauern in Steinberg Lärchenläden gekauft hatte, welche noch immer nicht abgeholt waren. Schon am nächsten Morgen wollte Nidinger mit zwei Ochsen hineinfahren, er konnte dabei Manches mitbringen, ohne Aufsehen zu erregen. Walburg hatte vorsorglich einen Wollenkotzen und einige Leintücher bereits mitgebracht; er bat sie noch, ihm einen kupfernen Son-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
dahinter erhoben, so konnte man im Thal den aufsteigenden Rauch nicht sehen, zugleich lag die Stelle außer der Richtung der schrecklichen Lawinen. Er fing nun an, Bäume zu fällen, maß mit dem Bindfaden die Länge, schlichtete sie dann mit dem Beil zu vierkantigen Balken und schleppte diese Stück für Stück mit einem Stricke über den Rücken den Felsen empor, wo er sie auf der andern Seite hinunterwarf. Da er nur einen kleinen Raum einzuschließen brauchte, — die Rückwand und zum Theil die Seiten schuf der Schrofen, — so rammte er schon Nachmittag die Pfähle ein, welche das niedrige Dach tragen sollten, und fügte die Balken zusammen. Die Fugen verstopfte er sorgfältig mit Moos, nur eine Lücke ließ er offen, gerade weit genug, um ein Fensterglas anzubringen. Den kleinen Herd baute er in einem Winkel aus Steinplatten. Nun nahte jedoch die Dämmerung, er stieg zum Bache hinab und lauerte im Gebüsch, bis Nidinger mit seiner Tochter kam. Mit größter Freude erzählte er ihnen, was er bereits zu Stande gebracht, er verabredete, daß ihm der Alte Bretter liefern sollte. Dies war um so leichter möglich, da er bei einem Bauern in Steinberg Lärchenläden gekauft hatte, welche noch immer nicht abgeholt waren. Schon am nächsten Morgen wollte Nidinger mit zwei Ochsen hineinfahren, er konnte dabei Manches mitbringen, ohne Aufsehen zu erregen. Walburg hatte vorsorglich einen Wollenkotzen und einige Leintücher bereits mitgebracht; er bat sie noch, ihm einen kupfernen Son-
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Zitationshilfe: | Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/55>, abgerufen am 29.06.2024. |