Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dort fielen die letzten Schüsse. Die Franzosen, welche unterdeß was gelernt, drangen zersteut rasch durch das Gebüsch vor und vertrieben die Schützen. Klaus hatte gar nicht einmal Zeit, seinen Stutzen noch einmal zu laden; als er sah, daß nichts mehr zu gewinnen sei, lief er bergauf bis zum Steinbruch. Nun war aber guter Rath theuer, wohin und woaus? Erwischte man ihn, so kriegte er eine Pille, und zwar keine vergoldete. Alle Wege waren von den Franzosen abgeschnitten, er kletterte daher zur Frauhitt empor, fest entschlossen, eher in der Wildniß zu verderben, als sich wie ein Stier abschlachten zu lassen. Drüben im Gleirschthale fand er eine Schäferhütte, freilich war der Hirt längst abgezogen; er trug Moos zusammen und übernachtete dort. Tags darauf schlug er sich durch Karbendel über Laliders und das Plumserjoch in die Pertisau, wagte jedoch aus Furcht, verrathen zu werden, in keinem Hause einzukehren. Seine Kost waren etliche Brosamen, die er aus den Falten des Schnappsackes zusammenklaubte, und überreife Mehlbeeren, welche die Amseln nicht verzehrt hatten. Als es dunkel geworden, schlich er an das Ufer des Sees und lös'te dort ein Schiff ab. Obwohl der Wind stark zu brausen anfing und das Wasser gar unheimlich im Dunkel rauschte, stieg er doch ein und fuhr bis zum Zoll, wo er das Schiff an das Ufer zog und rasch über die Straße in den Wald eilte. Vorsicht zwang ihn, den offenen Weg, wo vielleicht eine Patrouille streifte, zu meiden, er wagte sich dort fielen die letzten Schüsse. Die Franzosen, welche unterdeß was gelernt, drangen zersteut rasch durch das Gebüsch vor und vertrieben die Schützen. Klaus hatte gar nicht einmal Zeit, seinen Stutzen noch einmal zu laden; als er sah, daß nichts mehr zu gewinnen sei, lief er bergauf bis zum Steinbruch. Nun war aber guter Rath theuer, wohin und woaus? Erwischte man ihn, so kriegte er eine Pille, und zwar keine vergoldete. Alle Wege waren von den Franzosen abgeschnitten, er kletterte daher zur Frauhitt empor, fest entschlossen, eher in der Wildniß zu verderben, als sich wie ein Stier abschlachten zu lassen. Drüben im Gleirschthale fand er eine Schäferhütte, freilich war der Hirt längst abgezogen; er trug Moos zusammen und übernachtete dort. Tags darauf schlug er sich durch Karbendel über Laliders und das Plumserjoch in die Pertisau, wagte jedoch aus Furcht, verrathen zu werden, in keinem Hause einzukehren. Seine Kost waren etliche Brosamen, die er aus den Falten des Schnappsackes zusammenklaubte, und überreife Mehlbeeren, welche die Amseln nicht verzehrt hatten. Als es dunkel geworden, schlich er an das Ufer des Sees und lös'te dort ein Schiff ab. Obwohl der Wind stark zu brausen anfing und das Wasser gar unheimlich im Dunkel rauschte, stieg er doch ein und fuhr bis zum Zoll, wo er das Schiff an das Ufer zog und rasch über die Straße in den Wald eilte. Vorsicht zwang ihn, den offenen Weg, wo vielleicht eine Patrouille streifte, zu meiden, er wagte sich <TEI> <text> <body> <div n="5"> <p><pb facs="#f0049"/> dort fielen die letzten Schüsse. Die Franzosen, welche unterdeß was gelernt, drangen zersteut rasch durch das Gebüsch vor und vertrieben die Schützen. Klaus hatte gar nicht einmal Zeit, seinen Stutzen noch einmal zu laden; als er sah, daß nichts mehr zu gewinnen sei, lief er bergauf bis zum Steinbruch. Nun war aber guter Rath theuer, wohin und woaus? Erwischte man ihn, so kriegte er eine Pille, und zwar keine vergoldete. Alle Wege waren von den Franzosen abgeschnitten, er kletterte daher zur Frauhitt empor, fest entschlossen, eher in der Wildniß zu verderben, als sich wie ein Stier abschlachten zu lassen. Drüben im Gleirschthale fand er eine Schäferhütte, freilich war der Hirt längst abgezogen; er trug Moos zusammen und übernachtete dort. Tags darauf schlug er sich durch Karbendel über Laliders und das Plumserjoch in die Pertisau, wagte jedoch aus Furcht, verrathen zu werden, in keinem Hause einzukehren. Seine Kost waren etliche Brosamen, die er aus den Falten des Schnappsackes zusammenklaubte, und überreife Mehlbeeren, welche die Amseln nicht verzehrt hatten. Als es dunkel geworden, schlich er an das Ufer des Sees und lös'te dort ein Schiff ab. Obwohl der Wind stark zu brausen anfing und das Wasser gar unheimlich im Dunkel rauschte, stieg er doch ein und fuhr bis zum Zoll, wo er das Schiff an das Ufer zog und rasch über die Straße in den Wald eilte. Vorsicht zwang ihn, den offenen Weg, wo vielleicht eine Patrouille streifte, zu meiden, er wagte sich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
dort fielen die letzten Schüsse. Die Franzosen, welche unterdeß was gelernt, drangen zersteut rasch durch das Gebüsch vor und vertrieben die Schützen. Klaus hatte gar nicht einmal Zeit, seinen Stutzen noch einmal zu laden; als er sah, daß nichts mehr zu gewinnen sei, lief er bergauf bis zum Steinbruch. Nun war aber guter Rath theuer, wohin und woaus? Erwischte man ihn, so kriegte er eine Pille, und zwar keine vergoldete. Alle Wege waren von den Franzosen abgeschnitten, er kletterte daher zur Frauhitt empor, fest entschlossen, eher in der Wildniß zu verderben, als sich wie ein Stier abschlachten zu lassen. Drüben im Gleirschthale fand er eine Schäferhütte, freilich war der Hirt längst abgezogen; er trug Moos zusammen und übernachtete dort. Tags darauf schlug er sich durch Karbendel über Laliders und das Plumserjoch in die Pertisau, wagte jedoch aus Furcht, verrathen zu werden, in keinem Hause einzukehren. Seine Kost waren etliche Brosamen, die er aus den Falten des Schnappsackes zusammenklaubte, und überreife Mehlbeeren, welche die Amseln nicht verzehrt hatten. Als es dunkel geworden, schlich er an das Ufer des Sees und lös'te dort ein Schiff ab. Obwohl der Wind stark zu brausen anfing und das Wasser gar unheimlich im Dunkel rauschte, stieg er doch ein und fuhr bis zum Zoll, wo er das Schiff an das Ufer zog und rasch über die Straße in den Wald eilte. Vorsicht zwang ihn, den offenen Weg, wo vielleicht eine Patrouille streifte, zu meiden, er wagte sich
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Zitationshilfe: | Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/49>, abgerufen am 16.07.2024. |