Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Vergleichung der Schmiede
als wenn er im Kopfe vernagelt wäre. Das
thun sonderlich unsere satyrische Poeten (Erst.
Probestück,
§ 31).

§ 24. Es ist ganz eine bekannte Redens-
Art, wenn einer von sich oder andern großspre-
cherische Worte führet, daß man alsdann saget:
Der kann recht aufschneiden! Das war ein
großer Schnitt! Der führt ein langes Messer!
So giebt es demnach auch poetische Messer-
Schmiede,
welche von unsern Gegnern Thra-
sones,
Großprahler, poetische Windbeutel und
Großsprecher genennet werden. Es ist Schade,
daß Cicero kein Poete gewesen, und seine Re-
den nicht in Reime gesetzet hat; sonst würde er
einer unserer vornehmsten Messer-Schmiede zu
nennen seyn! Denn er thut manchmal von
sich so gewaltige Schnitte, daß die Balken des
römischen Rath-Hauses hätten dadurch gespal-
tet werden können. Unsere kriechende Poeten
lassen ebenfalls nicht leicht eine Gelegenheit vor-
beygehen, zu ihrem Eigenlobe das poetische
Messer
zu gebrauchen.

§ 25. Ein Kupfer-Schmied gehet haupt-
sächlich mit Zubereitung des Kupfers um; aber
auch öfters muß er einen Zusatz von Erz und Mes-
sing nehmen. Unsere poetischen Kupfer-
Schmiede
ahmen ihnen in so weit nach, daß
sie in ihren Gedichten, wenn das Haupt-Thema
nicht zureicht, vielen fremden Zusatz anbringen.
So machte jener, sonst große Poete, einem
Minister einen Glückwunsch auf seine Wieder-

genesung.

Vergleichung der Schmiede
als wenn er im Kopfe vernagelt waͤre. Das
thun ſonderlich unſere ſatyriſche Poeten (Erſt.
Probeſtuͤck,
§ 31).

§ 24. Es iſt ganz eine bekannte Redens-
Art, wenn einer von ſich oder andern großſpre-
cheriſche Worte fuͤhret, daß man alsdann ſaget:
Der kann recht aufſchneiden! Das war ein
großer Schnitt! Der fuͤhrt ein langes Meſſer!
So giebt es demnach auch poetiſche Meſſer-
Schmiede,
welche von unſern Gegnern Thra-
ſones,
Großprahler, poetiſche Windbeutel und
Großſprecher genennet werden. Es iſt Schade,
daß Cicero kein Poete geweſen, und ſeine Re-
den nicht in Reime geſetzet hat; ſonſt wuͤrde er
einer unſerer vornehmſten Meſſer-Schmiede zu
nennen ſeyn! Denn er thut manchmal von
ſich ſo gewaltige Schnitte, daß die Balken des
roͤmiſchen Rath-Hauſes haͤtten dadurch geſpal-
tet werden koͤnnen. Unſere kriechende Poeten
laſſen ebenfalls nicht leicht eine Gelegenheit vor-
beygehen, zu ihrem Eigenlobe das poetiſche
Meſſer
zu gebrauchen.

§ 25. Ein Kupfer-Schmied gehet haupt-
ſaͤchlich mit Zubereitung des Kupfers um; aber
auch oͤfters muß er einen Zuſatz von Erz und Meſ-
ſing nehmen. Unſere poetiſchen Kupfer-
Schmiede
ahmen ihnen in ſo weit nach, daß
ſie in ihren Gedichten, wenn das Haupt-Thema
nicht zureicht, vielen fremden Zuſatz anbringen.
So machte jener, ſonſt große Poete, einem
Miniſter einen Gluͤckwunſch auf ſeine Wieder-

geneſung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0070" n="62"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vergleichung der Schmiede</hi></fw><lb/>
als wenn er im Kopfe <hi rendition="#fr">vernagelt</hi> wa&#x0364;re. Das<lb/>
thun &#x017F;onderlich un&#x017F;ere &#x017F;atyri&#x017F;che Poeten (<hi rendition="#fr">Er&#x017F;t.<lb/>
Probe&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi> § 31).</p><lb/>
        <p>§ 24. Es i&#x017F;t ganz eine bekannte Redens-<lb/>
Art, wenn einer von &#x017F;ich oder andern groß&#x017F;pre-<lb/>
cheri&#x017F;che Worte fu&#x0364;hret, daß man alsdann &#x017F;aget:<lb/>
Der kann recht <hi rendition="#fr">auf&#x017F;chneiden!</hi> Das war ein<lb/>
großer <hi rendition="#fr">Schnitt!</hi> Der fu&#x0364;hrt ein langes <hi rendition="#fr">Me&#x017F;&#x017F;er!</hi><lb/>
So giebt es demnach auch poeti&#x017F;che <hi rendition="#fr">Me&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
Schmiede,</hi> welche von un&#x017F;ern Gegnern <hi rendition="#aq">Thra-<lb/>
&#x017F;ones,</hi> Großprahler, <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;che Windbeutel</hi> und<lb/>
Groß&#x017F;precher genennet werden. Es i&#x017F;t Schade,<lb/>
daß <hi rendition="#fr">Cicero kein Poete</hi> gewe&#x017F;en, und &#x017F;eine Re-<lb/>
den nicht in Reime ge&#x017F;etzet hat; &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde er<lb/>
einer un&#x017F;erer vornehm&#x017F;ten <hi rendition="#fr">Me&#x017F;&#x017F;er-Schmiede</hi> zu<lb/>
nennen &#x017F;eyn! Denn er thut manchmal von<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o gewaltige Schnitte, daß die Balken des<lb/>
ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rath-Hau&#x017F;es ha&#x0364;tten dadurch ge&#x017F;pal-<lb/>
tet werden ko&#x0364;nnen. Un&#x017F;ere kriechende Poeten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en ebenfalls nicht leicht eine Gelegenheit vor-<lb/>
beygehen, zu ihrem Eigenlobe das <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;che<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;er</hi> zu gebrauchen.</p><lb/>
        <p>§ 25. Ein <hi rendition="#fr">Kupfer-Schmied</hi> gehet haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich mit Zubereitung des Kupfers um; aber<lb/>
auch o&#x0364;fters muß er einen Zu&#x017F;atz von Erz und Me&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ing nehmen. Un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;chen Kupfer-<lb/>
Schmiede</hi> ahmen ihnen in &#x017F;o weit nach, daß<lb/>
&#x017F;ie in ihren Gedichten, wenn das Haupt-Thema<lb/>
nicht zureicht, vielen <hi rendition="#fr">fremden Zu&#x017F;atz</hi> anbringen.<lb/>
So machte jener, <hi rendition="#fr">&#x017F;on&#x017F;t große Poete,</hi> einem<lb/>
Mini&#x017F;ter einen Glu&#x0364;ckwun&#x017F;ch auf &#x017F;eine Wieder-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gene&#x017F;ung.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0070] Vergleichung der Schmiede als wenn er im Kopfe vernagelt waͤre. Das thun ſonderlich unſere ſatyriſche Poeten (Erſt. Probeſtuͤck, § 31). § 24. Es iſt ganz eine bekannte Redens- Art, wenn einer von ſich oder andern großſpre- cheriſche Worte fuͤhret, daß man alsdann ſaget: Der kann recht aufſchneiden! Das war ein großer Schnitt! Der fuͤhrt ein langes Meſſer! So giebt es demnach auch poetiſche Meſſer- Schmiede, welche von unſern Gegnern Thra- ſones, Großprahler, poetiſche Windbeutel und Großſprecher genennet werden. Es iſt Schade, daß Cicero kein Poete geweſen, und ſeine Re- den nicht in Reime geſetzet hat; ſonſt wuͤrde er einer unſerer vornehmſten Meſſer-Schmiede zu nennen ſeyn! Denn er thut manchmal von ſich ſo gewaltige Schnitte, daß die Balken des roͤmiſchen Rath-Hauſes haͤtten dadurch geſpal- tet werden koͤnnen. Unſere kriechende Poeten laſſen ebenfalls nicht leicht eine Gelegenheit vor- beygehen, zu ihrem Eigenlobe das poetiſche Meſſer zu gebrauchen. § 25. Ein Kupfer-Schmied gehet haupt- ſaͤchlich mit Zubereitung des Kupfers um; aber auch oͤfters muß er einen Zuſatz von Erz und Meſ- ſing nehmen. Unſere poetiſchen Kupfer- Schmiede ahmen ihnen in ſo weit nach, daß ſie in ihren Gedichten, wenn das Haupt-Thema nicht zureicht, vielen fremden Zuſatz anbringen. So machte jener, ſonſt große Poete, einem Miniſter einen Gluͤckwunſch auf ſeine Wieder- geneſung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/70
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/70>, abgerufen am 22.11.2024.