als wenn er im Kopfe vernagelt wäre. Das thun sonderlich unsere satyrische Poeten (Erst. Probestück, § 31).
§ 24. Es ist ganz eine bekannte Redens- Art, wenn einer von sich oder andern großspre- cherische Worte führet, daß man alsdann saget: Der kann recht aufschneiden! Das war ein großer Schnitt! Der führt ein langes Messer! So giebt es demnach auch poetische Messer- Schmiede, welche von unsern Gegnern Thra- sones, Großprahler, poetische Windbeutel und Großsprecher genennet werden. Es ist Schade, daß Cicero kein Poete gewesen, und seine Re- den nicht in Reime gesetzet hat; sonst würde er einer unserer vornehmsten Messer-Schmiede zu nennen seyn! Denn er thut manchmal von sich so gewaltige Schnitte, daß die Balken des römischen Rath-Hauses hätten dadurch gespal- tet werden können. Unsere kriechende Poeten lassen ebenfalls nicht leicht eine Gelegenheit vor- beygehen, zu ihrem Eigenlobe das poetische Messer zu gebrauchen.
§ 25. Ein Kupfer-Schmied gehet haupt- sächlich mit Zubereitung des Kupfers um; aber auch öfters muß er einen Zusatz von Erz und Mes- sing nehmen. Unsere poetischen Kupfer- Schmiede ahmen ihnen in so weit nach, daß sie in ihren Gedichten, wenn das Haupt-Thema nicht zureicht, vielen fremden Zusatz anbringen. So machte jener, sonst große Poete, einem Minister einen Glückwunsch auf seine Wieder-
genesung.
Vergleichung der Schmiede
als wenn er im Kopfe vernagelt waͤre. Das thun ſonderlich unſere ſatyriſche Poeten (Erſt. Probeſtuͤck, § 31).
§ 24. Es iſt ganz eine bekannte Redens- Art, wenn einer von ſich oder andern großſpre- cheriſche Worte fuͤhret, daß man alsdann ſaget: Der kann recht aufſchneiden! Das war ein großer Schnitt! Der fuͤhrt ein langes Meſſer! So giebt es demnach auch poetiſche Meſſer- Schmiede, welche von unſern Gegnern Thra- ſones, Großprahler, poetiſche Windbeutel und Großſprecher genennet werden. Es iſt Schade, daß Cicero kein Poete geweſen, und ſeine Re- den nicht in Reime geſetzet hat; ſonſt wuͤrde er einer unſerer vornehmſten Meſſer-Schmiede zu nennen ſeyn! Denn er thut manchmal von ſich ſo gewaltige Schnitte, daß die Balken des roͤmiſchen Rath-Hauſes haͤtten dadurch geſpal- tet werden koͤnnen. Unſere kriechende Poeten laſſen ebenfalls nicht leicht eine Gelegenheit vor- beygehen, zu ihrem Eigenlobe das poetiſche Meſſer zu gebrauchen.
§ 25. Ein Kupfer-Schmied gehet haupt- ſaͤchlich mit Zubereitung des Kupfers um; aber auch oͤfters muß er einen Zuſatz von Erz und Meſ- ſing nehmen. Unſere poetiſchen Kupfer- Schmiede ahmen ihnen in ſo weit nach, daß ſie in ihren Gedichten, wenn das Haupt-Thema nicht zureicht, vielen fremden Zuſatz anbringen. So machte jener, ſonſt große Poete, einem Miniſter einen Gluͤckwunſch auf ſeine Wieder-
geneſung.
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Vergleichung der Schmiede
als wenn er im Kopfe vernagelt waͤre. Das
thun ſonderlich unſere ſatyriſche Poeten (Erſt.
Probeſtuͤck, § 31).
§ 24. Es iſt ganz eine bekannte Redens-
Art, wenn einer von ſich oder andern großſpre-
cheriſche Worte fuͤhret, daß man alsdann ſaget:
Der kann recht aufſchneiden! Das war ein
großer Schnitt! Der fuͤhrt ein langes Meſſer!
So giebt es demnach auch poetiſche Meſſer-
Schmiede, welche von unſern Gegnern Thra-
ſones, Großprahler, poetiſche Windbeutel und
Großſprecher genennet werden. Es iſt Schade,
daß Cicero kein Poete geweſen, und ſeine Re-
den nicht in Reime geſetzet hat; ſonſt wuͤrde er
einer unſerer vornehmſten Meſſer-Schmiede zu
nennen ſeyn! Denn er thut manchmal von
ſich ſo gewaltige Schnitte, daß die Balken des
roͤmiſchen Rath-Hauſes haͤtten dadurch geſpal-
tet werden koͤnnen. Unſere kriechende Poeten
laſſen ebenfalls nicht leicht eine Gelegenheit vor-
beygehen, zu ihrem Eigenlobe das poetiſche
Meſſer zu gebrauchen.
§ 25. Ein Kupfer-Schmied gehet haupt-
ſaͤchlich mit Zubereitung des Kupfers um; aber
auch oͤfters muß er einen Zuſatz von Erz und Meſ-
ſing nehmen. Unſere poetiſchen Kupfer-
Schmiede ahmen ihnen in ſo weit nach, daß
ſie in ihren Gedichten, wenn das Haupt-Thema
nicht zureicht, vielen fremden Zuſatz anbringen.
So machte jener, ſonſt große Poete, einem
Miniſter einen Gluͤckwunſch auf ſeine Wieder-
geneſung.
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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/70>, abgerufen am 22.07.2024.
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