Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Vergleichung kriechender Thiere heiten; nicht minder bey Hochzeiten, Kindtau-fen, Ausschiessen und andern Assembleen wissen sie ihre Nachbarn, ja auch, wenn sie etliche Ta- feln weit von ihnen säßen, so wacker anzustechen, daß das Blut darnach laufen mögte. Solche poetische Jgel ziehe ich dem Confect einer Ta- fel weit vor. Sie machen der Gesellschaft eine solche Lust, daß man auf deren Unkosten, die also angestochen werden, sich einen Puckel la- chen könnte, da diese, wegen der blutigen Sti- che, oft überlaut schreyen mögten. Sie sind auch beynahe so befreybriefet, als die Hof-Ta- schenspieler, Harlequins in der Comödie, und Scaramuzen in der Oper. Wer mit ihnen Hän- del über einem beissenden Scherz und stachlich- ten bon-mot anfangen will, dem widersetzt sich die ganze Gesellschaft. Man spricht, er solle ihnen wieder einen Trumpf versetzen, oder den artigen Stich bis auf einen Tag der Rache verschmerzen. § 12. Wenn ich verzärtelten Ohren von oder
Vergleichung kriechender Thiere heiten; nicht minder bey Hochzeiten, Kindtau-fen, Ausſchieſſen und andern Aſſembleen wiſſen ſie ihre Nachbarn, ja auch, wenn ſie etliche Ta- feln weit von ihnen ſaͤßen, ſo wacker anzuſtechen, daß das Blut darnach laufen moͤgte. Solche poetiſche Jgel ziehe ich dem Confect einer Ta- fel weit vor. Sie machen der Geſellſchaft eine ſolche Luſt, daß man auf deren Unkoſten, die alſo angeſtochen werden, ſich einen Puckel la- chen koͤnnte, da dieſe, wegen der blutigen Sti- che, oft uͤberlaut ſchreyen moͤgten. Sie ſind auch beynahe ſo befreybriefet, als die Hof-Ta- ſchenſpieler, Harlequins in der Comoͤdie, und Scaramuzen in der Oper. Wer mit ihnen Haͤn- del uͤber einem beiſſenden Scherz und ſtachlich- ten bon-mot anfangen will, dem widerſetzt ſich die ganze Geſellſchaft. Man ſpricht, er ſolle ihnen wieder einen Trumpf verſetzen, oder den artigen Stich bis auf einen Tag der Rache verſchmerzen. § 12. Wenn ich verzaͤrtelten Ohren von oder
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Vergleichung kriechender Thiere
heiten; nicht minder bey Hochzeiten, Kindtau-
fen, Ausſchieſſen und andern Aſſembleen wiſſen
ſie ihre Nachbarn, ja auch, wenn ſie etliche Ta-
feln weit von ihnen ſaͤßen, ſo wacker anzuſtechen,
daß das Blut darnach laufen moͤgte. Solche
poetiſche Jgel ziehe ich dem Confect einer Ta-
fel weit vor. Sie machen der Geſellſchaft eine
ſolche Luſt, daß man auf deren Unkoſten, die
alſo angeſtochen werden, ſich einen Puckel la-
chen koͤnnte, da dieſe, wegen der blutigen Sti-
che, oft uͤberlaut ſchreyen moͤgten. Sie ſind
auch beynahe ſo befreybriefet, als die Hof-Ta-
ſchenſpieler, Harlequins in der Comoͤdie, und
Scaramuzen in der Oper. Wer mit ihnen Haͤn-
del uͤber einem beiſſenden Scherz und ſtachlich-
ten bon-mot anfangen will, dem widerſetzt ſich
die ganze Geſellſchaft. Man ſpricht, er ſolle
ihnen wieder einen Trumpf verſetzen, oder den
artigen Stich bis auf einen Tag der Rache
verſchmerzen.
§ 12. Wenn ich verzaͤrtelten Ohren von
Leſern oder Zuhoͤrern dieſe Diſſertation uͤber-
reichte, wuͤrde ich Bedenken tragen, zweyer krie-
chenden Thiere allhier zu gedenken, die gleich-
wol einen beſondern Character gewiſſer krie-
chenden Poeten abbilden. Jch meyne die Floh-
und Lauſe-Poeten. Ein Floh thut gewaltige
Spruͤnge; er hintergeht das ſchoͤne Geſchlechte,
zu dem er ſich am liebſten haͤlt, gar ofte. Jetzt,
denken ſie, haben ſie ihn ſchon zwiſchen den Fin-
gern, und wollen ihn auf die Folterbank legen,
oder
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