Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

mit der kriechenden Poesie.
Kopf-Schmerzen und Todes-Angst geklaget,
als er einen Versen-Stich von einer unserer
Schlangen, ich will sagen, im Finstern schlei-
chenden Poeten, überkommen. Was wird
das herausgekommene Vorspiel, welches auch
von einer listigen Schlangen-Brut ausgehecket
worden, nicht in der Brust des darinn Ange-
stochenen
für Bauchgrimmen und Magendrük-
ken erwecken? Würde dieser berühmte Mann
nicht am rathsamsten thun, wenn er sich in un-
sere Froschmäusler-Gesellschaft begäbe, weil
wir in solcher mit denen giftigsten Schlangen
scherzen und badiniren, ja ihnen alles Gift mit
so guter Manier benehmen, daß unter uns keine
Schlange die andere gestochen hat?

§ 7. Der Frosch ist von solchem Ansehen,
daß er auch, bey Stiftung der edlen Frosch-
mäusler-Gesellschaft,
namentlich ausgedrucket
ist. Wenn die Schlange ihren Gift verschos-
sen: So haben wir unsere poetischen Frösche
zum Hinterhalt. Die fangen an zu quäken,
daß einem die Ohren gellen mögten. Jn denen
nach Frosch-Art ausgefertigten Gedichten thun
unsere kriechende Frosch-Poeten so gewaltige
Sätze, daß sie ein Roß im Galop übertreffen.
Denn unsre Frosch-Poeten können in einer
einzigen Strophe einen Satz vom Hercules bis
auf Carln den Zwölften, und vom Alexander
dem Großen
bis auf Ludewig den Vierzehn-
ten
thun. Laßt mich aber den Reuter sehen,
der über einen so weiten Graben, als zwischen

diesen

mit der kriechenden Poeſie.
Kopf-Schmerzen und Todes-Angſt geklaget,
als er einen Verſen-Stich von einer unſerer
Schlangen, ich will ſagen, im Finſtern ſchlei-
chenden Poeten, uͤberkommen. Was wird
das herausgekommene Vorſpiel, welches auch
von einer liſtigen Schlangen-Brut ausgehecket
worden, nicht in der Bruſt des darinn Ange-
ſtochenen
fuͤr Bauchgrimmen und Magendruͤk-
ken erwecken? Wuͤrde dieſer beruͤhmte Mann
nicht am rathſamſten thun, wenn er ſich in un-
ſere Froſchmaͤusler-Geſellſchaft begaͤbe, weil
wir in ſolcher mit denen giftigſten Schlangen
ſcherzen und badiniren, ja ihnen alles Gift mit
ſo guter Manier benehmen, daß unter uns keine
Schlange die andere geſtochen hat?

§ 7. Der Froſch iſt von ſolchem Anſehen,
daß er auch, bey Stiftung der edlen Froſch-
maͤusler-Geſellſchaft,
namentlich ausgedrucket
iſt. Wenn die Schlange ihren Gift verſchoſ-
ſen: So haben wir unſere poetiſchen Froͤſche
zum Hinterhalt. Die fangen an zu quaͤken,
daß einem die Ohren gellen moͤgten. Jn denen
nach Froſch-Art ausgefertigten Gedichten thun
unſere kriechende Froſch-Poeten ſo gewaltige
Saͤtze, daß ſie ein Roß im Galop uͤbertreffen.
Denn unſre Froſch-Poeten koͤnnen in einer
einzigen Strophe einen Satz vom Hercules bis
auf Carln den Zwoͤlften, und vom Alexander
dem Großen
bis auf Ludewig den Vierzehn-
ten
thun. Laßt mich aber den Reuter ſehen,
der uͤber einen ſo weiten Graben, als zwiſchen

dieſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0053" n="45"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">mit der kriechenden Poe&#x017F;ie.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Kopf-Schmerzen</hi> und <hi rendition="#fr">Todes-Ang&#x017F;t</hi> geklaget,<lb/>
als er einen <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;en-Stich</hi> von einer un&#x017F;erer<lb/>
Schlangen, ich will &#x017F;agen, im Fin&#x017F;tern &#x017F;chlei-<lb/>
chenden Poeten, u&#x0364;berkommen. Was wird<lb/>
das herausgekommene <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;piel,</hi> welches auch<lb/>
von einer li&#x017F;tigen <hi rendition="#fr">Schlangen-Brut</hi> ausgehecket<lb/>
worden, nicht in der Bru&#x017F;t des darinn <hi rendition="#fr">Ange-<lb/>
&#x017F;tochenen</hi> fu&#x0364;r Bauchgrimmen und Magendru&#x0364;k-<lb/>
ken erwecken? Wu&#x0364;rde die&#x017F;er <hi rendition="#fr">beru&#x0364;hmte Mann</hi><lb/>
nicht am rath&#x017F;am&#x017F;ten thun, wenn er &#x017F;ich in un-<lb/>
&#x017F;ere <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft</hi> bega&#x0364;be, weil<lb/>
wir in &#x017F;olcher mit denen <hi rendition="#fr">giftig&#x017F;ten Schlangen</hi><lb/>
&#x017F;cherzen und badiniren, ja ihnen alles Gift mit<lb/>
&#x017F;o guter Manier benehmen, daß unter uns keine<lb/>
Schlange die andere <hi rendition="#fr">ge&#x017F;tochen</hi> hat?</p><lb/>
        <p>§ 7. Der <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch</hi> i&#x017F;t von &#x017F;olchem An&#x017F;ehen,<lb/>
daß er auch, bey Stiftung der edlen <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch-<lb/>
ma&#x0364;usler-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,</hi> namentlich ausgedrucket<lb/>
i&#x017F;t. Wenn die <hi rendition="#fr">Schlange</hi> ihren Gift ver&#x017F;cho&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en: So haben wir un&#x017F;ere poeti&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Fro&#x0364;&#x017F;che</hi><lb/>
zum Hinterhalt. Die fangen an zu <hi rendition="#fr">qua&#x0364;ken,</hi><lb/>
daß einem die Ohren gellen mo&#x0364;gten. Jn denen<lb/>
nach <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch-Art</hi> ausgefertigten Gedichten thun<lb/>
un&#x017F;ere kriechende <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch-Poeten</hi> &#x017F;o gewaltige<lb/>
Sa&#x0364;tze, daß &#x017F;ie ein Roß im Galop u&#x0364;bertreffen.<lb/>
Denn un&#x017F;re <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch-Poeten</hi> ko&#x0364;nnen in einer<lb/>
einzigen Strophe einen Satz vom <hi rendition="#fr">Hercules</hi> bis<lb/>
auf <hi rendition="#fr">Carln den Zwo&#x0364;lften,</hi> und vom <hi rendition="#fr">Alexander<lb/>
dem Großen</hi> bis auf <hi rendition="#fr">Ludewig den Vierzehn-<lb/>
ten</hi> thun. Laßt mich aber den Reuter &#x017F;ehen,<lb/>
der u&#x0364;ber einen &#x017F;o weiten Graben, als zwi&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die&#x017F;en</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0053] mit der kriechenden Poeſie. Kopf-Schmerzen und Todes-Angſt geklaget, als er einen Verſen-Stich von einer unſerer Schlangen, ich will ſagen, im Finſtern ſchlei- chenden Poeten, uͤberkommen. Was wird das herausgekommene Vorſpiel, welches auch von einer liſtigen Schlangen-Brut ausgehecket worden, nicht in der Bruſt des darinn Ange- ſtochenen fuͤr Bauchgrimmen und Magendruͤk- ken erwecken? Wuͤrde dieſer beruͤhmte Mann nicht am rathſamſten thun, wenn er ſich in un- ſere Froſchmaͤusler-Geſellſchaft begaͤbe, weil wir in ſolcher mit denen giftigſten Schlangen ſcherzen und badiniren, ja ihnen alles Gift mit ſo guter Manier benehmen, daß unter uns keine Schlange die andere geſtochen hat? § 7. Der Froſch iſt von ſolchem Anſehen, daß er auch, bey Stiftung der edlen Froſch- maͤusler-Geſellſchaft, namentlich ausgedrucket iſt. Wenn die Schlange ihren Gift verſchoſ- ſen: So haben wir unſere poetiſchen Froͤſche zum Hinterhalt. Die fangen an zu quaͤken, daß einem die Ohren gellen moͤgten. Jn denen nach Froſch-Art ausgefertigten Gedichten thun unſere kriechende Froſch-Poeten ſo gewaltige Saͤtze, daß ſie ein Roß im Galop uͤbertreffen. Denn unſre Froſch-Poeten koͤnnen in einer einzigen Strophe einen Satz vom Hercules bis auf Carln den Zwoͤlften, und vom Alexander dem Großen bis auf Ludewig den Vierzehn- ten thun. Laßt mich aber den Reuter ſehen, der uͤber einen ſo weiten Graben, als zwiſchen dieſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/53
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/53>, abgerufen am 25.11.2024.