Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Reimschmiede-Kunst etc.
gener Lobsprüche ist: So könnet ihr auch seine
auf andre verfertigte Lob-Gedichte für aufrichtig,
mithin ihn für einen Froschmäusler-Feind hal-
ten. Läßt er aber sonst sich deutlich blicken, daß
er viel von sich hält, von sich selber gern redet
und höret, auch andere verachtet: So könnet
ihr bald auch auf seine poetische Lobes-Erhebun-
gen anderer Leute schliessen, daß sie ihm nicht
von Herzen gehen, mithin er gut froschmäus-
lerisch
oder antifreymäurisch ist. Denn die
Freymäurer erkennen wir für lauter heimliche
Feinde unserer Gesellschaft, weil wir sie noch
auf keiner Tücke haben antreffen können.

Vierte Aufgabe.

§ 34. Ob es nicht möglich sey, in der Reim-
schmiede-Kunst und kriechenden Poesie den
höchsten Gipfel der Vollkommenheit zu er-
reichen?

Auflösung.

Wenn ihr, durch vieljährige Uebung, des
Hans Sachsens Reim-Arten und gewisser bit-
terer Poeten Stachel-Schriften euch genau ins
Gedächtniß drücket, und möglichst nachahmet:
So werdet ihr dem verlangten Gipfel sehr nahe
kommen. Es wird, so zu sagen, nur ein Stein-
Wurf
und eine einzige Brust-Wehr dazwischen
seyn, daß ihr den verlangten Berg und Vestung
ersteiget; hingegen aber so vollkommen zu wer-
den, daß euch kein Reim-Schmied herunter
certirte, oder kein kriechender Poete an ernie-

drigten

Die Reimſchmiede-Kunſt ꝛc.
gener Lobſpruͤche iſt: So koͤnnet ihr auch ſeine
auf andre verfertigte Lob-Gedichte fuͤr aufrichtig,
mithin ihn fuͤr einen Froſchmaͤusler-Feind hal-
ten. Laͤßt er aber ſonſt ſich deutlich blicken, daß
er viel von ſich haͤlt, von ſich ſelber gern redet
und hoͤret, auch andere verachtet: So koͤnnet
ihr bald auch auf ſeine poetiſche Lobes-Erhebun-
gen anderer Leute ſchlieſſen, daß ſie ihm nicht
von Herzen gehen, mithin er gut froſchmaͤus-
leriſch
oder antifreymaͤuriſch iſt. Denn die
Freymaͤurer erkennen wir fuͤr lauter heimliche
Feinde unſerer Geſellſchaft, weil wir ſie noch
auf keiner Tuͤcke haben antreffen koͤnnen.

Vierte Aufgabe.

§ 34. Ob es nicht moͤglich ſey, in der Reim-
ſchmiede-Kunſt und kriechenden Poeſie den
hoͤchſten Gipfel der Vollkommenheit zu er-
reichen?

Aufloͤſung.

Wenn ihr, durch vieljaͤhrige Uebung, des
Hans Sachſens Reim-Arten und gewiſſer bit-
terer Poeten Stachel-Schriften euch genau ins
Gedaͤchtniß druͤcket, und moͤglichſt nachahmet:
So werdet ihr dem verlangten Gipfel ſehr nahe
kommen. Es wird, ſo zu ſagen, nur ein Stein-
Wurf
und eine einzige Bruſt-Wehr dazwiſchen
ſeyn, daß ihr den verlangten Berg und Veſtung
erſteiget; hingegen aber ſo vollkommen zu wer-
den, daß euch kein Reim-Schmied herunter
certirte, oder kein kriechender Poete an ernie-

drigten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0044" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Reim&#x017F;chmiede-Kun&#x017F;t &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
gener Lob&#x017F;pru&#x0364;che i&#x017F;t: So ko&#x0364;nnet ihr auch &#x017F;eine<lb/>
auf andre verfertigte Lob-Gedichte fu&#x0364;r aufrichtig,<lb/>
mithin ihn fu&#x0364;r einen Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Feind hal-<lb/>
ten. La&#x0364;ßt er aber &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ich deutlich blicken, daß<lb/>
er viel von &#x017F;ich ha&#x0364;lt, von &#x017F;ich &#x017F;elber gern redet<lb/>
und ho&#x0364;ret, auch andere verachtet: So ko&#x0364;nnet<lb/>
ihr bald auch auf &#x017F;eine poeti&#x017F;che Lobes-Erhebun-<lb/>
gen anderer Leute &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie ihm nicht<lb/>
von Herzen gehen, mithin er <hi rendition="#fr">gut fro&#x017F;chma&#x0364;us-<lb/>
leri&#x017F;ch</hi> oder <hi rendition="#fr">antifreyma&#x0364;uri&#x017F;ch</hi> i&#x017F;t. Denn die<lb/><hi rendition="#fr">Freyma&#x0364;urer</hi> erkennen wir fu&#x0364;r lauter heimliche<lb/>
Feinde un&#x017F;erer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, weil wir &#x017F;ie noch<lb/>
auf keiner Tu&#x0364;cke haben antreffen ko&#x0364;nnen.</p>
                </div>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#b">Vierte Aufgabe.</hi> </head><lb/>
                <p>§ 34. <hi rendition="#fr">Ob es nicht mo&#x0364;glich &#x017F;ey, in der Reim-<lb/>
&#x017F;chmiede-Kun&#x017F;t und kriechenden Poe&#x017F;ie den<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gipfel der Vollkommenheit zu er-<lb/>
reichen?</hi></p><lb/>
                <div n="6">
                  <head> <hi rendition="#b">Auflo&#x0364;&#x017F;ung.</hi> </head><lb/>
                  <p>Wenn ihr, durch vielja&#x0364;hrige Uebung, des<lb/>
Hans Sach&#x017F;ens Reim-Arten und gewi&#x017F;&#x017F;er bit-<lb/>
terer Poeten Stachel-Schriften euch genau ins<lb/>
Geda&#x0364;chtniß dru&#x0364;cket, und mo&#x0364;glich&#x017F;t nachahmet:<lb/>
So werdet ihr dem verlangten Gipfel &#x017F;ehr nahe<lb/>
kommen. Es wird, &#x017F;o zu &#x017F;agen, nur ein <hi rendition="#fr">Stein-<lb/>
Wurf</hi> und eine einzige <hi rendition="#fr">Bru&#x017F;t-Wehr</hi> dazwi&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;eyn, daß ihr den verlangten Berg und Ve&#x017F;tung<lb/>
er&#x017F;teiget; hingegen aber &#x017F;o vollkommen zu wer-<lb/>
den, daß euch kein Reim-Schmied herunter<lb/>
certirte, oder kein kriechender Poete an <hi rendition="#fr">ernie-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">drigten</hi></fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0044] Die Reimſchmiede-Kunſt ꝛc. gener Lobſpruͤche iſt: So koͤnnet ihr auch ſeine auf andre verfertigte Lob-Gedichte fuͤr aufrichtig, mithin ihn fuͤr einen Froſchmaͤusler-Feind hal- ten. Laͤßt er aber ſonſt ſich deutlich blicken, daß er viel von ſich haͤlt, von ſich ſelber gern redet und hoͤret, auch andere verachtet: So koͤnnet ihr bald auch auf ſeine poetiſche Lobes-Erhebun- gen anderer Leute ſchlieſſen, daß ſie ihm nicht von Herzen gehen, mithin er gut froſchmaͤus- leriſch oder antifreymaͤuriſch iſt. Denn die Freymaͤurer erkennen wir fuͤr lauter heimliche Feinde unſerer Geſellſchaft, weil wir ſie noch auf keiner Tuͤcke haben antreffen koͤnnen. Vierte Aufgabe. § 34. Ob es nicht moͤglich ſey, in der Reim- ſchmiede-Kunſt und kriechenden Poeſie den hoͤchſten Gipfel der Vollkommenheit zu er- reichen? Aufloͤſung. Wenn ihr, durch vieljaͤhrige Uebung, des Hans Sachſens Reim-Arten und gewiſſer bit- terer Poeten Stachel-Schriften euch genau ins Gedaͤchtniß druͤcket, und moͤglichſt nachahmet: So werdet ihr dem verlangten Gipfel ſehr nahe kommen. Es wird, ſo zu ſagen, nur ein Stein- Wurf und eine einzige Bruſt-Wehr dazwiſchen ſeyn, daß ihr den verlangten Berg und Veſtung erſteiget; hingegen aber ſo vollkommen zu wer- den, daß euch kein Reim-Schmied herunter certirte, oder kein kriechender Poete an ernie- drigten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/44
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/44>, abgerufen am 13.11.2024.