Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.24 unschmackhafte Reden die Reisenden sich um den guten Geschmacknicht sehr bekümmerten. Auf diese Art, mögte man auch denken, habe der Autor in seinem Leben viel gereiset. 10. Es wird dienlich seyn, daß du in der Nähe einen Gott betrachtest, dem du dienen willst. Hier nennet er den einen Gott, den er gleich darauf einen Meister nennet, und man wird doch am Ende nicht klug, wer sein Gott und Meister eigentlich sey. 11. Du willst ihn deinen Meister nennen; er ist es, oder solls doch seyn. Stell dich bey seinem Tempel ein; alsdenn wirst du ihn besser kennen. Jch frage alle unparteyische Leser, ob in diesen vier Reimen ein sonderli- cher Witz sey? Es sind blosse Reimschmieds- Einfälle, und kann es der Bauer nicht anders machen, als, wenn der Gott des guten Ge- schmacks in einem Tempel sässe; so müste er freylich hineingehen, um ihn kennen zu lernen! Heißt dis nun der bon sens, wenn man so gemein redet, daß die vom Pöbel eben so schwätzen? Denn auch der Bauer, wenn man ihn früge: Wo kann man euren Pfarr kennen lernen? würde antworten: Gieht in de Kerche oder Gottshus, da werdt ihr ihn kennen lernen. Heißt das nun scharfsinnig? 12. Vater der deutschen Musen, ich bin etwas schwätzhaft. Da hat der Herr wahr geredt; er gesteht seine eigene Schan- de. Er schwätzt in den Tag hinein, wies ihm ins
24 unſchmackhafte Reden die Reiſenden ſich um den guten Geſchmacknicht ſehr bekuͤmmerten. Auf dieſe Art, moͤgte man auch denken, habe der Autor in ſeinem Leben viel gereiſet. 10. Es wird dienlich ſeyn, daß du in der Naͤhe einen Gott betrachteſt, dem du dienen willſt. Hier nennet er den einen Gott, den er gleich darauf einen Meiſter nennet, und man wird doch am Ende nicht klug, wer ſein Gott und Meiſter eigentlich ſey. 11. Du willſt ihn deinen Meiſter nennen; er iſt es, oder ſolls doch ſeyn. Stell dich bey ſeinem Tempel ein; alsdenn wirſt du ihn beſſer kennen. Jch frage alle unparteyiſche Leſer, ob in dieſen vier Reimen ein ſonderli- cher Witz ſey? Es ſind bloſſe Reimſchmieds- Einfaͤlle, und kann es der Bauer nicht anders machen, als, wenn der Gott des guten Ge- ſchmacks in einem Tempel ſaͤſſe; ſo muͤſte er freylich hineingehen, um ihn kennen zu lernen! Heißt dis nun der bon ſens, wenn man ſo gemein redet, daß die vom Poͤbel eben ſo ſchwaͤtzen? Denn auch der Bauer, wenn man ihn fruͤge: Wo kann man euren Pfarr kennen lernen? wuͤrde antworten: Gieht in de Kerche oder Gottshus, da werdt ihr ihn kennen lernen. Heißt das nun ſcharfſinnig? 12. Vater der deutſchen Muſen, ich bin etwas ſchwaͤtzhaft. Da hat der Herr wahr geredt; er geſteht ſeine eigene Schan- de. Er ſchwaͤtzt in den Tag hinein, wies ihm ins
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24 unſchmackhafte Reden
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10. Es wird dienlich ſeyn, daß du in der
Naͤhe einen Gott betrachteſt, dem du dienen
willſt. Hier nennet er den einen Gott, den
er gleich darauf einen Meiſter nennet, und
man wird doch am Ende nicht klug, wer ſein
Gott und Meiſter eigentlich ſey.
11. Du willſt ihn deinen Meiſter nennen;
er iſt es, oder ſolls doch ſeyn. Stell dich
bey ſeinem Tempel ein; alsdenn wirſt du ihn
beſſer kennen. Jch frage alle unparteyiſche
Leſer, ob in dieſen vier Reimen ein ſonderli-
cher Witz ſey? Es ſind bloſſe Reimſchmieds-
Einfaͤlle, und kann es der Bauer nicht anders
machen, als, wenn der Gott des guten Ge-
ſchmacks in einem Tempel ſaͤſſe; ſo muͤſte er
freylich hineingehen, um ihn kennen zu lernen!
Heißt dis nun der bon ſens, wenn man ſo
gemein redet, daß die vom Poͤbel eben ſo
ſchwaͤtzen? Denn auch der Bauer, wenn
man ihn fruͤge: Wo kann man euren Pfarr
kennen lernen? wuͤrde antworten: Gieht in
de Kerche oder Gottshus, da werdt ihr ihn
kennen lernen. Heißt das nun ſcharfſinnig?
12. Vater der deutſchen Muſen, ich
bin etwas ſchwaͤtzhaft. Da hat der Herr
wahr geredt; er geſteht ſeine eigene Schan-
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ins
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