Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Spiegel-Karpfen.
eingestreute obige vielerley Namen sind bloß wie
das Mengsel der Potage, dazu man ja auch
vielerley nimmt, als Morgeln, Castanien, Bien-
gen, Bluhmen-Kohl, Krebse, Wurzeln, Klös-
sergen, ja wol Rosinen und Mandeln. Gleich-
wol bleibt es eine Hühner-Potage. So läßt
sich der gute Geschmacks-Tempel-Herr auch
allzudeutlich merken, daß er alle Arten von
Schmecken
auf eine einzige will reducirt wis-
sen, und sein Apollo, der den Ausspruch über
die Magens thut, die gern vielerley gegessen,
muß entweder zu armselig oder zu geizig gewe-
sen seyn, daß er allen auferleget, sich an einem
einzigen Gerichte satt zu essen.

Sechstes Couvert.
Spiegel-Karpfen.

Die Schmerlen sind an sich gute schmack-
hafte Fische; aber ein rechter fetter Spiegel-
Karpfen
ist doch mehr werth, als wol hundert
Stück Schmerlen. Der neue Garkoch rüh-
met in seinem Tempel des guten Geschmacks
etliche Redner und Poeten, die zwar mit guten
schmackhaften Schmerlen können verglichen
werden, aber doch nicht an die Größe der Spie-
gel-Karpfen, die ich auftrage, gelangen. Un-
ter denen Dichtern rühmt er fast am meisten den
Opitz und Haller in der Schweiz. Ob nun
zwar beyde ganz gute Dichter sind: So reichen
sie doch denen Dichtern vom obersten Range
kaum das Wasser. Denn was ist wol Opitz

und

VI. Spiegel-Karpfen.
eingeſtreute obige vielerley Namen ſind bloß wie
das Mengſel der Potage, dazu man ja auch
vielerley nimmt, als Morgeln, Caſtanien, Bien-
gen, Bluhmen-Kohl, Krebſe, Wurzeln, Kloͤſ-
ſergen, ja wol Roſinen und Mandeln. Gleich-
wol bleibt es eine Huͤhner-Potage. So laͤßt
ſich der gute Geſchmacks-Tempel-Herr auch
allzudeutlich merken, daß er alle Arten von
Schmecken
auf eine einzige will reducirt wiſ-
ſen, und ſein Apollo, der den Ausſpruch uͤber
die Magens thut, die gern vielerley gegeſſen,
muß entweder zu armſelig oder zu geizig gewe-
ſen ſeyn, daß er allen auferleget, ſich an einem
einzigen Gerichte ſatt zu eſſen.

Sechſtes Couvert.
Spiegel-Karpfen.

Die Schmerlen ſind an ſich gute ſchmack-
hafte Fiſche; aber ein rechter fetter Spiegel-
Karpfen
iſt doch mehr werth, als wol hundert
Stuͤck Schmerlen. Der neue Garkoch ruͤh-
met in ſeinem Tempel des guten Geſchmacks
etliche Redner und Poeten, die zwar mit guten
ſchmackhaften Schmerlen koͤnnen verglichen
werden, aber doch nicht an die Groͤße der Spie-
gel-Karpfen, die ich auftrage, gelangen. Un-
ter denen Dichtern ruͤhmt er faſt am meiſten den
Opitz und Haller in der Schweiz. Ob nun
zwar beyde ganz gute Dichter ſind: So reichen
ſie doch denen Dichtern vom oberſten Range
kaum das Waſſer. Denn was iſt wol Opitz

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0278" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Spiegel-Karpfen.</hi></fw><lb/>
einge&#x017F;treute obige vielerley Namen &#x017F;ind bloß wie<lb/>
das <hi rendition="#fr">Meng&#x017F;el</hi> der Potage, dazu man ja auch<lb/>
vielerley nimmt, als Morgeln, Ca&#x017F;tanien, Bien-<lb/>
gen, Bluhmen-Kohl, Kreb&#x017F;e, Wurzeln, Klo&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ergen, ja wol Ro&#x017F;inen und Mandeln. Gleich-<lb/>
wol bleibt es eine Hu&#x0364;hner-Potage. So la&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ich der <hi rendition="#fr">gute Ge&#x017F;chmacks-Tempel-Herr</hi> auch<lb/>
allzudeutlich merken, daß er <hi rendition="#fr">alle Arten von<lb/>
Schmecken</hi> auf <hi rendition="#fr">eine einzige</hi> will reducirt wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, und &#x017F;ein <hi rendition="#fr">Apollo,</hi> der den Aus&#x017F;pruch u&#x0364;ber<lb/>
die Magens thut, die <hi rendition="#fr">gern vielerley</hi> gege&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
muß entweder zu arm&#x017F;elig oder zu geizig gewe-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;eyn, daß er allen auferleget, &#x017F;ich an einem<lb/><hi rendition="#fr">einzigen Gerichte</hi> &#x017F;att zu e&#x017F;&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Sech&#x017F;tes Couvert.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Spiegel-Karpfen.</hi> </head><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#fr">Schmerlen</hi> &#x017F;ind an &#x017F;ich gute &#x017F;chmack-<lb/>
hafte Fi&#x017F;che; aber ein rechter fetter <hi rendition="#fr">Spiegel-<lb/>
Karpfen</hi> i&#x017F;t doch mehr werth, als wol hundert<lb/>
Stu&#x0364;ck Schmerlen. Der neue Garkoch ru&#x0364;h-<lb/>
met in &#x017F;einem <hi rendition="#fr">Tempel des guten Ge&#x017F;chmacks</hi><lb/>
etliche Redner und Poeten, die zwar mit guten<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;chmackhaften Schmerlen</hi> ko&#x0364;nnen verglichen<lb/>
werden, aber doch nicht an die <hi rendition="#fr">Gro&#x0364;ße</hi> der Spie-<lb/>
gel-Karpfen, die ich auftrage, gelangen. Un-<lb/>
ter denen Dichtern ru&#x0364;hmt er fa&#x017F;t am mei&#x017F;ten den<lb/><hi rendition="#fr">Opitz</hi> und <hi rendition="#fr">Haller</hi> in der Schweiz. Ob nun<lb/>
zwar beyde ganz gute Dichter &#x017F;ind: So reichen<lb/>
&#x017F;ie doch denen <hi rendition="#fr">Dichtern vom ober&#x017F;ten Range</hi><lb/>
kaum das Wa&#x017F;&#x017F;er. Denn was i&#x017F;t wol <hi rendition="#fr">Opitz</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0278] VI. Spiegel-Karpfen. eingeſtreute obige vielerley Namen ſind bloß wie das Mengſel der Potage, dazu man ja auch vielerley nimmt, als Morgeln, Caſtanien, Bien- gen, Bluhmen-Kohl, Krebſe, Wurzeln, Kloͤſ- ſergen, ja wol Roſinen und Mandeln. Gleich- wol bleibt es eine Huͤhner-Potage. So laͤßt ſich der gute Geſchmacks-Tempel-Herr auch allzudeutlich merken, daß er alle Arten von Schmecken auf eine einzige will reducirt wiſ- ſen, und ſein Apollo, der den Ausſpruch uͤber die Magens thut, die gern vielerley gegeſſen, muß entweder zu armſelig oder zu geizig gewe- ſen ſeyn, daß er allen auferleget, ſich an einem einzigen Gerichte ſatt zu eſſen. Sechſtes Couvert. Spiegel-Karpfen. Die Schmerlen ſind an ſich gute ſchmack- hafte Fiſche; aber ein rechter fetter Spiegel- Karpfen iſt doch mehr werth, als wol hundert Stuͤck Schmerlen. Der neue Garkoch ruͤh- met in ſeinem Tempel des guten Geſchmacks etliche Redner und Poeten, die zwar mit guten ſchmackhaften Schmerlen koͤnnen verglichen werden, aber doch nicht an die Groͤße der Spie- gel-Karpfen, die ich auftrage, gelangen. Un- ter denen Dichtern ruͤhmt er faſt am meiſten den Opitz und Haller in der Schweiz. Ob nun zwar beyde ganz gute Dichter ſind: So reichen ſie doch denen Dichtern vom oberſten Range kaum das Waſſer. Denn was iſt wol Opitz und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/278
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/278>, abgerufen am 28.11.2024.