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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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vom gesunden Witze, etc.
gewinnet, der lernet aus dem angeführten hand-
greiflich, daß, weil Gott kein wahres Böse schaf-
fen, kein Geschöpf aber auch sich selber böse
machen,
sondern bloß sich der anerschaffenen
Kraft gebrauchen kann, alle unrechte Handlun-
gen aus keiner bösen Quelle kommen, sondern
nur Abschilderungen sind, wie weit die einge-
schränkten Kräfte
zureichen.
CXLVI. Die Ohnmöglichkeit nun, daß ein
Geschöpf überall so vollständige Einsicht haben
könne, als Gott, ist die Quelle so vieler Be-
vuen,
die ein Erbtheil der menschlichen Natur
sind. Je weniger Verstands-Kräfte, je mehr
Jrrthum; je weniger Triebe in der Natur, je
matter die Neigungen. Daß aber auch der
Mensch solche Dinge nicht einmal weiß, die er
doch auf erhaltenen Unterricht fassen lernet, zei-
get an, daß der Mensch theils unter den Fesseln
der Allmacht liege, die ihm Zeit und Punkt be-
stimmt, wenn sich seine Seele regen soll; theils
in den Banden der Ohnmacht, da Gott, nach
seiner unumschränkten Gewalt, uns gewissen
feindseligen Kräften anderer Wesen überläßt,
die unsern Verstand gefangen nehmen, bis er
sich Gott ganz ergiebet.
CXLVII. Viele halten sich für Leute von ei-
nem gar hohen Geschmacke, wenn sie alle Teu-
fel
verlachen, und für Mährgen halten können.
Aber ich halte den Teufel für das allerkunst-
reichste
Paradoxon in der ganzen Natur. Gott
siehet in ihm einen Abdruck solcher Gedanken,
die
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vom geſunden Witze, ꝛc.
gewinnet, der lernet aus dem angefuͤhrten hand-
greiflich, daß, weil Gott kein wahres Boͤſe ſchaf-
fen, kein Geſchoͤpf aber auch ſich ſelber boͤſe
machen,
ſondern bloß ſich der anerſchaffenen
Kraft gebrauchen kann, alle unrechte Handlun-
gen aus keiner boͤſen Quelle kommen, ſondern
nur Abſchilderungen ſind, wie weit die einge-
ſchraͤnkten Kraͤfte
zureichen.
CXLVI. Die Ohnmoͤglichkeit nun, daß ein
Geſchoͤpf uͤberall ſo vollſtaͤndige Einſicht haben
koͤnne, als Gott, iſt die Quelle ſo vieler Be-
vuën,
die ein Erbtheil der menſchlichen Natur
ſind. Je weniger Verſtands-Kraͤfte, je mehr
Jrrthum; je weniger Triebe in der Natur, je
matter die Neigungen. Daß aber auch der
Menſch ſolche Dinge nicht einmal weiß, die er
doch auf erhaltenen Unterricht faſſen lernet, zei-
get an, daß der Menſch theils unter den Feſſeln
der Allmacht liege, die ihm Zeit und Punkt be-
ſtimmt, wenn ſich ſeine Seele regen ſoll; theils
in den Banden der Ohnmacht, da Gott, nach
ſeiner unumſchraͤnkten Gewalt, uns gewiſſen
feindſeligen Kraͤften anderer Weſen uͤberlaͤßt,
die unſern Verſtand gefangen nehmen, bis er
ſich Gott ganz ergiebet.
CXLVII. Viele halten ſich fuͤr Leute von ei-
nem gar hohen Geſchmacke, wenn ſie alle Teu-
fel
verlachen, und fuͤr Maͤhrgen halten koͤnnen.
Aber ich halte den Teufel fuͤr das allerkunſt-
reichſte
Paradoxon in der ganzen Natur. Gott
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[229/0237] vom geſunden Witze, ꝛc. gewinnet, der lernet aus dem angefuͤhrten hand- greiflich, daß, weil Gott kein wahres Boͤſe ſchaf- fen, kein Geſchoͤpf aber auch ſich ſelber boͤſe machen, ſondern bloß ſich der anerſchaffenen Kraft gebrauchen kann, alle unrechte Handlun- gen aus keiner boͤſen Quelle kommen, ſondern nur Abſchilderungen ſind, wie weit die einge- ſchraͤnkten Kraͤfte zureichen. CXLVI. Die Ohnmoͤglichkeit nun, daß ein Geſchoͤpf uͤberall ſo vollſtaͤndige Einſicht haben koͤnne, als Gott, iſt die Quelle ſo vieler Be- vuën, die ein Erbtheil der menſchlichen Natur ſind. Je weniger Verſtands-Kraͤfte, je mehr Jrrthum; je weniger Triebe in der Natur, je matter die Neigungen. Daß aber auch der Menſch ſolche Dinge nicht einmal weiß, die er doch auf erhaltenen Unterricht faſſen lernet, zei- get an, daß der Menſch theils unter den Feſſeln der Allmacht liege, die ihm Zeit und Punkt be- ſtimmt, wenn ſich ſeine Seele regen ſoll; theils in den Banden der Ohnmacht, da Gott, nach ſeiner unumſchraͤnkten Gewalt, uns gewiſſen feindſeligen Kraͤften anderer Weſen uͤberlaͤßt, die unſern Verſtand gefangen nehmen, bis er ſich Gott ganz ergiebet. CXLVII. Viele halten ſich fuͤr Leute von ei- nem gar hohen Geſchmacke, wenn ſie alle Teu- fel verlachen, und fuͤr Maͤhrgen halten koͤnnen. Aber ich halte den Teufel fuͤr das allerkunſt- reichſte Paradoxon in der ganzen Natur. Gott ſiehet in ihm einen Abdruck ſolcher Gedanken, die P 3

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/237>, abgerufen am 24.11.2024.