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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Zwey hundert Maximen
was er leicht begriffe, vielmals eingebläuet würde.
LXXII. Sachen, die ihrer Natur nach ernst-
haft
sind, müssen nicht scherzhaft, oder durch
Spöttereyen vorgetragen werden; daher der
gravitätische Geschmack den Vorzug behält.
LXXIII. Es bringet wenig Ehre, wenn ei-
ner überall sich zu lustigen Einfällen dringet.
Man urtheilt, es schicke sich ein solcher besser
auf die Schaubühne, als in ein ansehnlich Amt.
Es giebt Arten von Kützel, die selbst dadurch
ekelhaft werden, wenn man sie in Uebermaasse
brauchet. Wer immer railliret, bonmotisiret
und schäkert, den hält man für einen Menschen
von leichtsinnigem Geschmacke.
LXXIV. Wer an solchen Orten, wo er al-
ler lüsternen Ausschweifungen seiner Fantasie
überhaben seyn könnte, und die Gedanken in
Schranken halten sollte, sich dennoch zweyden-
tiger Redens-Arten
bedienet, da der verdeckte
Verstand züchtige Ohren beleidiget, oder dem
Gesichte eine Schaamröthe abjaget, der verräth
seinen leichtfertigen und geilen Geschmack.
Es gehet einem da, wie mit allzulüsternen Spei-
sen, daran einer bald Ekel bekömmt.
LXXV. Ein Lehrer der Religion soll billig
den Character eines Gesandten Gottes aus-
drücken; folglich handelt er gegen den bon sens,
wenn er auf dem Lehrstuhle keifet, prahlet, Hi-
störgen erzehlt, spottet, Mährgen vorbringet,
und sich in Wort-Kriegen vertiefet.
LXXVI. Ein Gesandter, der für einen gros-
sen
Zwey hundert Maximen
was er leicht begriffe, vielmals eingeblaͤuet wuͤrde.
LXXII. Sachen, die ihrer Natur nach ernſt-
haft
ſind, muͤſſen nicht ſcherzhaft, oder durch
Spoͤttereyen vorgetragen werden; daher der
gravitaͤtiſche Geſchmack den Vorzug behaͤlt.
LXXIII. Es bringet wenig Ehre, wenn ei-
ner uͤberall ſich zu luſtigen Einfaͤllen dringet.
Man urtheilt, es ſchicke ſich ein ſolcher beſſer
auf die Schaubuͤhne, als in ein anſehnlich Amt.
Es giebt Arten von Kuͤtzel, die ſelbſt dadurch
ekelhaft werden, wenn man ſie in Uebermaaſſe
brauchet. Wer immer railliret, bonmotiſiret
und ſchaͤkert, den haͤlt man fuͤr einen Menſchen
von leichtſinnigem Geſchmacke.
LXXIV. Wer an ſolchen Orten, wo er al-
ler luͤſternen Ausſchweifungen ſeiner Fantaſie
uͤberhaben ſeyn koͤnnte, und die Gedanken in
Schranken halten ſollte, ſich dennoch zweyden-
tiger Redens-Arten
bedienet, da der verdeckte
Verſtand zuͤchtige Ohren beleidiget, oder dem
Geſichte eine Schaamroͤthe abjaget, der verraͤth
ſeinen leichtfertigen und geilen Geſchmack.
Es gehet einem da, wie mit allzuluͤſternen Spei-
ſen, daran einer bald Ekel bekoͤmmt.
LXXV. Ein Lehrer der Religion ſoll billig
den Character eines Geſandten Gottes aus-
druͤcken; folglich handelt er gegen den bon ſens,
wenn er auf dem Lehrſtuhle keifet, prahlet, Hi-
ſtoͤrgen erzehlt, ſpottet, Maͤhrgen vorbringet,
und ſich in Wort-Kriegen vertiefet.
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[204/0212] Zwey hundert Maximen was er leicht begriffe, vielmals eingeblaͤuet wuͤrde. LXXII. Sachen, die ihrer Natur nach ernſt- haft ſind, muͤſſen nicht ſcherzhaft, oder durch Spoͤttereyen vorgetragen werden; daher der gravitaͤtiſche Geſchmack den Vorzug behaͤlt. LXXIII. Es bringet wenig Ehre, wenn ei- ner uͤberall ſich zu luſtigen Einfaͤllen dringet. Man urtheilt, es ſchicke ſich ein ſolcher beſſer auf die Schaubuͤhne, als in ein anſehnlich Amt. Es giebt Arten von Kuͤtzel, die ſelbſt dadurch ekelhaft werden, wenn man ſie in Uebermaaſſe brauchet. Wer immer railliret, bonmotiſiret und ſchaͤkert, den haͤlt man fuͤr einen Menſchen von leichtſinnigem Geſchmacke. LXXIV. Wer an ſolchen Orten, wo er al- ler luͤſternen Ausſchweifungen ſeiner Fantaſie uͤberhaben ſeyn koͤnnte, und die Gedanken in Schranken halten ſollte, ſich dennoch zweyden- tiger Redens-Arten bedienet, da der verdeckte Verſtand zuͤchtige Ohren beleidiget, oder dem Geſichte eine Schaamroͤthe abjaget, der verraͤth ſeinen leichtfertigen und geilen Geſchmack. Es gehet einem da, wie mit allzuluͤſternen Spei- ſen, daran einer bald Ekel bekoͤmmt. LXXV. Ein Lehrer der Religion ſoll billig den Character eines Geſandten Gottes aus- druͤcken; folglich handelt er gegen den bon ſens, wenn er auf dem Lehrſtuhle keifet, prahlet, Hi- ſtoͤrgen erzehlt, ſpottet, Maͤhrgen vorbringet, und ſich in Wort-Kriegen vertiefet. LXXVI. Ein Geſandter, der fuͤr einen groſ- ſen

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/212>, abgerufen am 24.11.2024.