Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Zwey hundert Maximen etc. Esprits, oder scharfsinnigen Köpfen, und Lesungihrer Schriften, mehr poliret werden. V. Der gesunde Witz siehet auf die Rich- tigkeit der Gedanken; der Wohlklang auf deren netten Ausdruck; der gute Geschmack auf die daher entstehende Rührung des Her- zens. VI. Die Wahrheit, und der Geschmack der- selben, sind zwey gar unterschiedene Dinge. Jst nun der Geschmack verdorben: So wird einem das Wahre für falsch, und das Falsche als wahr vorkommen. VII. Ein wirkliches Gut, und die Empfin- dung oder der Geschmack eines wahrhaften Gu- res, ist ebenfalls von einander oft weit unter- schieden. Die verkehrten Leidenschaften des Herzens, und die vorgefaßten Meynungen eines unaufgeklärten Verstandes, machen, daß man- chem das wahre Gute gar nicht nach seinem Ge- schmacke ist. VIII. So weit die Menschen in den Gemüths- Neigungen von einander unterschieden sind: So weit gehen sie auch im Geschmacke von einander ab. Was daher nach dem Geschmacke eines Narren ist, das wird einem weisen Manne ei- nen Ekel verursachen; und was dem Weisen gut schmeckt, das wird einem Thoren übel zu verdauen seyn. IX. Die Liebe, der Haß und die Gleichgül- tigkeit haben einen großen Einfluß in den Ge- schmack. Eben der Einfall, der nach eines gusto ist,
Zwey hundert Maximen ꝛc. Eſprits, oder ſcharfſinnigen Koͤpfen, und Leſungihrer Schriften, mehr poliret werden. V. Der geſunde Witz ſiehet auf die Rich- tigkeit der Gedanken; der Wohlklang auf deren netten Ausdruck; der gute Geſchmack auf die daher entſtehende Ruͤhrung des Her- zens. VI. Die Wahrheit, und der Geſchmack der- ſelben, ſind zwey gar unterſchiedene Dinge. Jſt nun der Geſchmack verdorben: So wird einem das Wahre fuͤr falſch, und das Falſche als wahr vorkommen. VII. Ein wirkliches Gut, und die Empfin- dung oder der Geſchmack eines wahrhaften Gu- res, iſt ebenfalls von einander oft weit unter- ſchieden. Die verkehrten Leidenſchaften des Herzens, und die vorgefaßten Meynungen eines unaufgeklaͤrten Verſtandes, machen, daß man- chem das wahre Gute gar nicht nach ſeinem Ge- ſchmacke iſt. VIII. So weit die Menſchen in den Gemuͤths- Neigungen von einander unterſchieden ſind: So weit gehen ſie auch im Geſchmacke von einander ab. Was daher nach dem Geſchmacke eines Narren iſt, das wird einem weiſen Manne ei- nen Ekel verurſachen; und was dem Weiſen gut ſchmeckt, das wird einem Thoren uͤbel zu verdauen ſeyn. IX. Die Liebe, der Haß und die Gleichguͤl- tigkeit haben einen großen Einfluß in den Ge- ſchmack. Eben der Einfall, der nach eines guſto iſt,
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Zwey hundert Maximen ꝛc.
Eſprits, oder ſcharfſinnigen Koͤpfen, und Leſung
ihrer Schriften, mehr poliret werden.
V. Der geſunde Witz ſiehet auf die Rich-
tigkeit der Gedanken; der Wohlklang auf
deren netten Ausdruck; der gute Geſchmack
auf die daher entſtehende Ruͤhrung des Her-
zens.
VI. Die Wahrheit, und der Geſchmack der-
ſelben, ſind zwey gar unterſchiedene Dinge. Jſt
nun der Geſchmack verdorben: So wird einem
das Wahre fuͤr falſch, und das Falſche als wahr
vorkommen.
VII. Ein wirkliches Gut, und die Empfin-
dung oder der Geſchmack eines wahrhaften Gu-
res, iſt ebenfalls von einander oft weit unter-
ſchieden. Die verkehrten Leidenſchaften des
Herzens, und die vorgefaßten Meynungen eines
unaufgeklaͤrten Verſtandes, machen, daß man-
chem das wahre Gute gar nicht nach ſeinem Ge-
ſchmacke iſt.
VIII. So weit die Menſchen in den Gemuͤths-
Neigungen von einander unterſchieden ſind: So
weit gehen ſie auch im Geſchmacke von einander
ab. Was daher nach dem Geſchmacke eines
Narren iſt, das wird einem weiſen Manne ei-
nen Ekel verurſachen; und was dem Weiſen
gut ſchmeckt, das wird einem Thoren uͤbel zu
verdauen ſeyn.
IX. Die Liebe, der Haß und die Gleichguͤl-
tigkeit haben einen großen Einfluß in den Ge-
ſchmack. Eben der Einfall, der nach eines guſto
iſt,
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