euren Liebden in aller möglichsten Kürze und Einfalt vorstellen will:
Den kläglichen Verfall und die höchst- nöthige Wiederauf helfung der Reimschmiede-Kunst und kriechen- den Poesie.
Da mir denn Jm ersten Theile zu erweisen oblieget, daß es wirklich einen so kläglichen Verfall gebe. Aber was bedürfen wir großes Beweises? Drehen sie die Räder ihres historischen Gedächtnisses zurück, und denken an die Zeiten, da der berühmte deutsche Poete Hans Sachse lebte, wie auch der Ver- fasser des Froschmäuselers. Jn welchem Anse- hen stunden nicht diese damalige poetische Hel- den? Sahe man sie nicht für Erzdichter und gekrönte Dichter-Häupter an? Lase man nicht ihre vollkommene Muster der Reimschmie- derey und kriechenden Poesie mit größtem Ver- gnügen? Wurden nicht Hans Sachsens Ge- dichte auf öffentlichen Märkten abgesungen? War wol ein Gelehrter zu finden, der nicht ge- wußt, daß ein Hans Sachse in der Welt sey?
Dagegen ist jetzo sein Andenken in Sand; ja was sage ich in Sand? gar in Staub; und was sage ich in Staub? endlich sogar in Was- ser geschrieben, daß er so wenig kenntliche Fuß- tapfen hinterlassen, als ein Schiff vom ersten Range, das auf der See einen Strich zurück
gelegt,
in der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
euren Liebden in aller moͤglichſten Kuͤrze und Einfalt vorſtellen will:
Den klaͤglichen Verfall und die hoͤchſt- noͤthige Wiederauf helfung der Reimſchmiede-Kunſt und kriechen- den Poeſie.
Da mir denn Jm erſten Theile zu erweiſen oblieget, daß es wirklich einen ſo klaͤglichen Verfall gebe. Aber was beduͤrfen wir großes Beweiſes? Drehen ſie die Raͤder ihres hiſtoriſchen Gedaͤchtniſſes zuruͤck, und denken an die Zeiten, da der beruͤhmte deutſche Poete Hans Sachſe lebte, wie auch der Ver- faſſer des Froſchmaͤuſelers. Jn welchem Anſe- hen ſtunden nicht dieſe damalige poetiſche Hel- den? Sahe man ſie nicht fuͤr Erzdichter und gekroͤnte Dichter-Haͤupter an? Laſe man nicht ihre vollkommene Muſter der Reimſchmie- derey und kriechenden Poeſie mit groͤßtem Ver- gnuͤgen? Wurden nicht Hans Sachſens Ge- dichte auf oͤffentlichen Maͤrkten abgeſungen? War wol ein Gelehrter zu finden, der nicht ge- wußt, daß ein Hans Sachſe in der Welt ſey?
Dagegen iſt jetzo ſein Andenken in Sand; ja was ſage ich in Sand? gar in Staub; und was ſage ich in Staub? endlich ſogar in Waſ- ſer geſchrieben, daß er ſo wenig kenntliche Fuß- tapfen hinterlaſſen, als ein Schiff vom erſten Range, das auf der See einen Strich zuruͤck
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in der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
euren Liebden in aller moͤglichſten Kuͤrze und
Einfalt vorſtellen will:
Den klaͤglichen Verfall und die hoͤchſt-
noͤthige Wiederauf helfung der
Reimſchmiede-Kunſt und kriechen-
den Poeſie.
Da mir denn
Jm erſten Theile
zu erweiſen oblieget, daß es wirklich einen ſo
klaͤglichen Verfall gebe. Aber was beduͤrfen
wir großes Beweiſes? Drehen ſie die Raͤder
ihres hiſtoriſchen Gedaͤchtniſſes zuruͤck, und
denken an die Zeiten, da der beruͤhmte deutſche
Poete Hans Sachſe lebte, wie auch der Ver-
faſſer des Froſchmaͤuſelers. Jn welchem Anſe-
hen ſtunden nicht dieſe damalige poetiſche Hel-
den? Sahe man ſie nicht fuͤr Erzdichter und
gekroͤnte Dichter-Haͤupter an? Laſe man
nicht ihre vollkommene Muſter der Reimſchmie-
derey und kriechenden Poeſie mit groͤßtem Ver-
gnuͤgen? Wurden nicht Hans Sachſens Ge-
dichte auf oͤffentlichen Maͤrkten abgeſungen?
War wol ein Gelehrter zu finden, der nicht ge-
wußt, daß ein Hans Sachſe in der Welt ſey?
Dagegen iſt jetzo ſein Andenken in Sand;
ja was ſage ich in Sand? gar in Staub; und
was ſage ich in Staub? endlich ſogar in Waſ-
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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/19>, abgerufen am 16.02.2025.
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