Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Antritts-Rede wenn wir gesaget: Eine Satyre schneide durchMark und Bein: So thun wir einen Luft- Sprung, um desto tiefer zu fallen, und sagen: Eine Satyre sey das allerschärfste Scheermes- ser. Ja wir wissen den Wetzstein und unser Schneidemesser bey Dingen anzubringen, die weder gewetzet noch geschnitten werden. Wir haben hierin einen berühmten Vorgänger, der zwar sonst unser Feind ist. Aber desto höher ist das Zeugniß eines Feindes zu achten, wenn er uns selber worinn beypflichtet. Jch habe nicht nöthig, die Stelle erst herzusetzen, weil unsere Absicht ist, niemanden leicht zu nennen, und doch viele zu treffen. Meine Herren gelieben nicht darüber böse zu euren
Antritts-Rede wenn wir geſaget: Eine Satyre ſchneide durchMark und Bein: So thun wir einen Luft- Sprung, um deſto tiefer zu fallen, und ſagen: Eine Satyre ſey das allerſchaͤrfſte Scheermeſ- ſer. Ja wir wiſſen den Wetzſtein und unſer Schneidemeſſer bey Dingen anzubringen, die weder gewetzet noch geſchnitten werden. Wir haben hierin einen beruͤhmten Vorgaͤnger, der zwar ſonſt unſer Feind iſt. Aber deſto hoͤher iſt das Zeugniß eines Feindes zu achten, wenn er uns ſelber worinn beypflichtet. Jch habe nicht noͤthig, die Stelle erſt herzuſetzen, weil unſere Abſicht iſt, niemanden leicht zu nennen, und doch viele zu treffen. Meine Herren gelieben nicht daruͤber boͤſe zu euren
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Antritts-Rede
wenn wir geſaget: Eine Satyre ſchneide durch
Mark und Bein: So thun wir einen Luft-
Sprung, um deſto tiefer zu fallen, und ſagen:
Eine Satyre ſey das allerſchaͤrfſte Scheermeſ-
ſer. Ja wir wiſſen den Wetzſtein und unſer
Schneidemeſſer bey Dingen anzubringen, die
weder gewetzet noch geſchnitten werden. Wir
haben hierin einen beruͤhmten Vorgaͤnger, der
zwar ſonſt unſer Feind iſt. Aber deſto hoͤher iſt
das Zeugniß eines Feindes zu achten, wenn er
uns ſelber worinn beypflichtet. Jch habe nicht
noͤthig, die Stelle erſt herzuſetzen, weil unſere
Abſicht iſt, niemanden leicht zu nennen, und
doch viele zu treffen.
Meine Herren gelieben nicht daruͤber boͤſe zu
werden, daß ich ein langes und breites vom Wetz-
ſteine geſchwatzet, da ich doch vom Verfall und
Wiederaufhelfung der kriechenden Poeſie reden
wollen. Auch das gehoͤrt unter die Grund-Ge-
ſetze unſerer Geſellſchaft: Wenn es uns an Ge-
danken fehlet, ſtehet uns frey, ſo lange fortzu-
kriechen, bis uns wieder ein friſcher Gedanke
einfaͤllet. Folglich machen wir viel Ausſchwei-
fungen, und bleiben doch immer auf einem Fleck.
Wir tummeln uns im Kreiſe, reden einerley
vielmal, und ſehen am Ende, daß wir wieder
zu unſerm Anfange gekommen. Wir ſuchen
der lieben Einfalt nachzuhelfen, die unſere Ge-
danken ſonſt vergeſſen moͤgte. Jedoch, ich eile
zum Vortrag, da ich ohne ferneren Eingang
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