in eine dünne Luft verwandeln, die glatt über der Erde hinwegstreichet.
Wann unsere Gedanken Lücken haben, wenn sie nicht recht klappen und an einander hängen: So thut uns die Reimschmiede-Kunst treffliche Dienste, solche Lücken durch gute Flick-Wör- ter auszustopfen. Fallen wir von der Höhe unsrer Gedanken in einen tiefen Graben: So füllen wir solchen stracks durch gewisse Füll- Wörter aus. Damit es der Tändeley mit Vernunft-Schlüssen nicht bedürfe; gestatten wir allen falschen Gedanken und unrecht ange- brachten Touren eine Stelle. Wir geben un- sern Einfällen einen solchen Schwang, daß dar- aus Schwänke und Schnaken erfolgen mögen.
Eben daher sind wir keine Sclaven, alle Ge- danken mit einander richtig zu verbinden. Wenn wir beym Wetzsteine zu reimen angefangen: So ist es genug, daß wir die herrliche Wahr- heit dran hängen, ein darauf geschliffenes Messer schneide. Aber wir tragen kein Bedenken, die Gedanken durch Wortspiele zu verdrehen, und ei- nen ungeschliffenen Menschen den zu nennen, der noch auf keinen Wetzstein gekommen. Das dünket uns aber erst ein herrlicher Einfall zu seyn, wenn wir hinzufügen: Jeder von unsern Fein- den sey ein Wetzstein unserer Tugend, weil er sich an uns zu reiben suchet.
Wir dehnen auch gern etwas über das Gleich- niß hinaus. Ein scharfer Gedanke wird bey uns ein scharf gewetzter Gedanke genennet; und
wenn
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in der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
in eine duͤnne Luft verwandeln, die glatt uͤber der Erde hinwegſtreichet.
Wann unſere Gedanken Luͤcken haben, wenn ſie nicht recht klappen und an einander haͤngen: So thut uns die Reimſchmiede-Kunſt treffliche Dienſte, ſolche Luͤcken durch gute Flick-Woͤr- ter auszuſtopfen. Fallen wir von der Hoͤhe unſrer Gedanken in einen tiefen Graben: So fuͤllen wir ſolchen ſtracks durch gewiſſe Fuͤll- Woͤrter aus. Damit es der Taͤndeley mit Vernunft-Schluͤſſen nicht beduͤrfe; geſtatten wir allen falſchen Gedanken und unrecht ange- brachten Touren eine Stelle. Wir geben un- ſern Einfaͤllen einen ſolchen Schwang, daß dar- aus Schwaͤnke und Schnaken erfolgen moͤgen.
Eben daher ſind wir keine Sclaven, alle Ge- danken mit einander richtig zu verbinden. Wenn wir beym Wetzſteine zu reimen angefangen: So iſt es genug, daß wir die herrliche Wahr- heit dran haͤngen, ein darauf geſchliffenes Meſſer ſchneide. Aber wir tragen kein Bedenken, die Gedanken durch Wortſpiele zu verdrehen, und ei- nen ungeſchliffenen Menſchen den zu nennen, der noch auf keinen Wetzſtein gekommen. Das duͤnket uns aber erſt ein herrlicher Einfall zu ſeyn, wenn wir hinzufuͤgen: Jeder von unſern Fein- den ſey ein Wetzſtein unſerer Tugend, weil er ſich an uns zu reiben ſuchet.
Wir dehnen auch gern etwas uͤber das Gleich- niß hinaus. Ein ſcharfer Gedanke wird bey uns ein ſcharf gewetzter Gedanke genennet; und
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in der Froſchmaͤusler-Geſellſchaft.
in eine duͤnne Luft verwandeln, die glatt uͤber
der Erde hinwegſtreichet.
Wann unſere Gedanken Luͤcken haben, wenn
ſie nicht recht klappen und an einander haͤngen:
So thut uns die Reimſchmiede-Kunſt treffliche
Dienſte, ſolche Luͤcken durch gute Flick-Woͤr-
ter auszuſtopfen. Fallen wir von der Hoͤhe
unſrer Gedanken in einen tiefen Graben: So
fuͤllen wir ſolchen ſtracks durch gewiſſe Fuͤll-
Woͤrter aus. Damit es der Taͤndeley mit
Vernunft-Schluͤſſen nicht beduͤrfe; geſtatten
wir allen falſchen Gedanken und unrecht ange-
brachten Touren eine Stelle. Wir geben un-
ſern Einfaͤllen einen ſolchen Schwang, daß dar-
aus Schwaͤnke und Schnaken erfolgen moͤgen.
Eben daher ſind wir keine Sclaven, alle Ge-
danken mit einander richtig zu verbinden. Wenn
wir beym Wetzſteine zu reimen angefangen:
So iſt es genug, daß wir die herrliche Wahr-
heit dran haͤngen, ein darauf geſchliffenes Meſſer
ſchneide. Aber wir tragen kein Bedenken, die
Gedanken durch Wortſpiele zu verdrehen, und ei-
nen ungeſchliffenen Menſchen den zu nennen,
der noch auf keinen Wetzſtein gekommen. Das
duͤnket uns aber erſt ein herrlicher Einfall zu ſeyn,
wenn wir hinzufuͤgen: Jeder von unſern Fein-
den ſey ein Wetzſtein unſerer Tugend, weil er
ſich an uns zu reiben ſuchet.
Wir dehnen auch gern etwas uͤber das Gleich-
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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/17>, abgerufen am 16.02.2025.
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