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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Vorzug der kriechenden Poesie
se und erschlichene Wahrheiten stecken. Z. E.
wenn ich also reimte:

Es ist ein neu Patent, die Jungfern sollen
freyn:
So wird denn Fieckgen auch dahin bemü-
het seyn,
Sich, dem Edict gemäß, zur Heyrath zu
bequemen,
Es dürfte das Patent sie sonst in Strafe
nehmen.

Wenn einer nun diese Einfälle auf eine frey-
süchtige Jungfer
machte, wären die in diesen
vier Zeilen angebrachte Touren alle burleskisch,
aber zugleich falsche Gedanken. Denn wo ist
denn so ein Patent heraus? Und wenn sie gern
heyrathen mögte, bedarf sie nicht erst eines En-
couragir-Patents,
sondern sie würde selber je
eher je lieber freyen, wenn sich nur eine anstän-
dige Person fände. Auch wäre es logice falsch,
daß sie in solchen Umständen aus Furcht der
Strafe, wenn sie nicht heyrathen würde, sich
dazu entschlösse. Jndeß könnte Fieckgen nicht
über so ein Scherz-Gedichte böse werden. Denn
wäre sie witzig, würde sie wol die darunter ver-
steckte Pillen merken. Wäre sie aber nicht frey-
süchtig,
würde diese Tour nur so viel sagen,
als wenn man in prosa zu einer im Scherze
spräche: Mademoiselle, sie werden nun bald
zum Ehestande schreiten müssen. Wenn sie nun
früge: Warum? und man versetzte: Darum,
weil ein Patent heraus ist, daß alle schöne Mäd-

gen

Vorzug der kriechenden Poeſie
ſe und erſchlichene Wahrheiten ſtecken. Z. E.
wenn ich alſo reimte:

Es iſt ein neu Patent, die Jungfern ſollen
freyn:
So wird denn Fieckgen auch dahin bemuͤ-
het ſeyn,
Sich, dem Edict gemaͤß, zur Heyrath zu
bequemen,
Es duͤrfte das Patent ſie ſonſt in Strafe
nehmen.

Wenn einer nun dieſe Einfaͤlle auf eine frey-
ſuͤchtige Jungfer
machte, waͤren die in dieſen
vier Zeilen angebrachte Touren alle burleskiſch,
aber zugleich falſche Gedanken. Denn wo iſt
denn ſo ein Patent heraus? Und wenn ſie gern
heyrathen moͤgte, bedarf ſie nicht erſt eines En-
couragir-Patents,
ſondern ſie wuͤrde ſelber je
eher je lieber freyen, wenn ſich nur eine anſtaͤn-
dige Perſon faͤnde. Auch waͤre es logice falſch,
daß ſie in ſolchen Umſtaͤnden aus Furcht der
Strafe, wenn ſie nicht heyrathen wuͤrde, ſich
dazu entſchloͤſſe. Jndeß koͤnnte Fieckgen nicht
uͤber ſo ein Scherz-Gedichte boͤſe werden. Denn
waͤre ſie witzig, wuͤrde ſie wol die darunter ver-
ſteckte Pillen merken. Waͤre ſie aber nicht frey-
ſuͤchtig,
wuͤrde dieſe Tour nur ſo viel ſagen,
als wenn man in proſa zu einer im Scherze
ſpraͤche: Mademoiſelle, ſie werden nun bald
zum Eheſtande ſchreiten muͤſſen. Wenn ſie nun
fruͤge: Warum? und man verſetzte: Darum,
weil ein Patent heraus iſt, daß alle ſchoͤne Maͤd-

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[156/0164] Vorzug der kriechenden Poeſie ſe und erſchlichene Wahrheiten ſtecken. Z. E. wenn ich alſo reimte: Es iſt ein neu Patent, die Jungfern ſollen freyn: So wird denn Fieckgen auch dahin bemuͤ- het ſeyn, Sich, dem Edict gemaͤß, zur Heyrath zu bequemen, Es duͤrfte das Patent ſie ſonſt in Strafe nehmen. Wenn einer nun dieſe Einfaͤlle auf eine frey- ſuͤchtige Jungfer machte, waͤren die in dieſen vier Zeilen angebrachte Touren alle burleskiſch, aber zugleich falſche Gedanken. Denn wo iſt denn ſo ein Patent heraus? Und wenn ſie gern heyrathen moͤgte, bedarf ſie nicht erſt eines En- couragir-Patents, ſondern ſie wuͤrde ſelber je eher je lieber freyen, wenn ſich nur eine anſtaͤn- dige Perſon faͤnde. Auch waͤre es logice falſch, daß ſie in ſolchen Umſtaͤnden aus Furcht der Strafe, wenn ſie nicht heyrathen wuͤrde, ſich dazu entſchloͤſſe. Jndeß koͤnnte Fieckgen nicht uͤber ſo ein Scherz-Gedichte boͤſe werden. Denn waͤre ſie witzig, wuͤrde ſie wol die darunter ver- ſteckte Pillen merken. Waͤre ſie aber nicht frey- ſuͤchtig, wuͤrde dieſe Tour nur ſo viel ſagen, als wenn man in proſa zu einer im Scherze ſpraͤche: Mademoiſelle, ſie werden nun bald zum Eheſtande ſchreiten muͤſſen. Wenn ſie nun fruͤge: Warum? und man verſetzte: Darum, weil ein Patent heraus iſt, daß alle ſchoͤne Maͤd- gen

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/164>, abgerufen am 24.11.2024.