Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.vor der erhabenen Dichterey. den, daß es sich auf einander reimt. Sollteder Hammer nicht zureichen: So nehmen sie die Vortheile der Zusammenlötung von Stahl und Eisen, Kupfer und Meßing, Zinn und Bley dazu. Ja, wenn dis noch nicht zureichet, ei- nen Gedanken recht abzudreschen: So ist ein poetischer Dreschflegel zur Reserve; daher in den Buchläden so viel abgedroschen Zeug zu finden, das ist, das schon unzehligmal durch alle praedicamenta durchgereimt worden, und dennoch sich wieder ein neuer Reim-Drescher findet, der es nochmals nachdrischet. Spricht man zu ihnen: Das sey ein längst ausgepeitsch- tes Thema; eine ausgepeitschte Amplification: So kehren sie sich daran so wenig, als Ovidius in seiner Jugend, da ihn sein Lehrmeister darü- ber peitschte, daß er, wo er stand und gieng, poetisirte, auch mitten unter den Schlägen den Vers sagte: Desine, praeceptor, post haec non car- mina dicam! Lehrmeister, hört nur auf, ich will nicht weiter reimen! § 21. Die Poeten von der hohen Classe danke. K 2
vor der erhabenen Dichterey. den, daß es ſich auf einander reimt. Sollteder Hammer nicht zureichen: So nehmen ſie die Vortheile der Zuſammenloͤtung von Stahl und Eiſen, Kupfer und Meßing, Zinn und Bley dazu. Ja, wenn dis noch nicht zureichet, ei- nen Gedanken recht abzudreſchen: So iſt ein poetiſcher Dreſchflegel zur Reſerve; daher in den Buchlaͤden ſo viel abgedroſchen Zeug zu finden, das iſt, das ſchon unzehligmal durch alle praedicamenta durchgereimt worden, und dennoch ſich wieder ein neuer Reim-Dreſcher findet, der es nochmals nachdriſchet. Spricht man zu ihnen: Das ſey ein laͤngſt ausgepeitſch- tes Thema; eine ausgepeitſchte Amplification: So kehren ſie ſich daran ſo wenig, als Ovidius in ſeiner Jugend, da ihn ſein Lehrmeiſter daruͤ- ber peitſchte, daß er, wo er ſtand und gieng, poetiſirte, auch mitten unter den Schlaͤgen den Vers ſagte: Deſine, praeceptor, poſt haec non car- mina dicam! Lehrmeiſter, hoͤrt nur auf, ich will nicht weiter reimen! § 21. Die Poeten von der hohen Claſſe danke. K 2
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vor der erhabenen Dichterey.
den, daß es ſich auf einander reimt. Sollte
der Hammer nicht zureichen: So nehmen ſie
die Vortheile der Zuſammenloͤtung von Stahl
und Eiſen, Kupfer und Meßing, Zinn und Bley
dazu. Ja, wenn dis noch nicht zureichet, ei-
nen Gedanken recht abzudreſchen: So iſt ein
poetiſcher Dreſchflegel zur Reſerve; daher in
den Buchlaͤden ſo viel abgedroſchen Zeug zu
finden, das iſt, das ſchon unzehligmal durch alle
praedicamenta durchgereimt worden, und
dennoch ſich wieder ein neuer Reim-Dreſcher
findet, der es nochmals nachdriſchet. Spricht
man zu ihnen: Das ſey ein laͤngſt ausgepeitſch-
tes Thema; eine ausgepeitſchte Amplification:
So kehren ſie ſich daran ſo wenig, als Ovidius
in ſeiner Jugend, da ihn ſein Lehrmeiſter daruͤ-
ber peitſchte, daß er, wo er ſtand und gieng,
poetiſirte, auch mitten unter den Schlaͤgen den
Vers ſagte:
Deſine, praeceptor, poſt haec non car-
mina dicam!
Lehrmeiſter, hoͤrt nur auf, ich will nicht
weiter reimen!
§ 21. Die Poeten von der hohen Claſſe
ſagen: Es kaͤme oͤfters viel auf den rechten
Ort an, wo der poetiſche Gedanke zu ſtehen
komme. Er verliere alle grace und Gewicht,
wenn er an einer unrechten Stelle angebracht
worden. Auch muͤſſe der Einfall ſeine rechte
Tour, Schwang oder Wendung haben, ſonſt
entſtehe eine Misdeutung oder falſcher Ge-
danke.
K 2
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