der in die Höhe, wie das gedämpfte Feuer, wenn es Luft bekömmt.
§ 5. Aus dem angeführten erhellet nun so viel bereits zur Gnüge, daß die erhabenen und kriechenden Poeten gegen einander zwey Schlacht-Heere formiren, die stets mit einan- der zu Felde liegen, einander scharmuziren, at- taquiren und zu überwältigen suchen. Der er- habene Poet, wenn er ja den Kürzern zöge, hat die freye Luft vor sich, sich immer höher zu schwingen, daß ihm der kriechende poetische Wurm nicht nachkommen könne. Der krie- chende Poete aber hat auch von der vorsichtigen Natur seine Frey-Städte und Retirade-Oerter erhalten, nämlich die Fels-Löcher und Klüfte der Erden, sich dahinein, gleich einer verscheuch- ten Maus, zu verbergen. Es ist also auch an keine Union oder Frieden zwischen erhabenen und kriechenden Poeten zu gedenken. Denn bey andern Friedens-Geschäften geben beyde Theile nach, und lassen etwas von ihren An- sprüchen gegen einander schwinden; oder auch, sie verwechseln die Gebiete, und tritt einer dem andern was von seinem ab, dagegen er sich in ein ihm gelegeneres Stück Land des andern setzet. Aber der erhabene Poete kann so wenig von sei- nen Ansprüchen gegen den kriechenden was fal- len lassen, als ihm auch nichts von seinem Re- vier abtreten. Es würde sonst eben so heraus kommen, als wenn die Maus mit dem Fische accordiren wollte, der Fisch solle auf der Erde,
und
vor der erhabenen Dichterey.
der in die Hoͤhe, wie das gedaͤmpfte Feuer, wenn es Luft bekoͤmmt.
§ 5. Aus dem angefuͤhrten erhellet nun ſo viel bereits zur Gnuͤge, daß die erhabenen und kriechenden Poeten gegen einander zwey Schlacht-Heere formiren, die ſtets mit einan- der zu Felde liegen, einander ſcharmuziren, at- taquiren und zu uͤberwaͤltigen ſuchen. Der er- habene Poet, wenn er ja den Kuͤrzern zoͤge, hat die freye Luft vor ſich, ſich immer hoͤher zu ſchwingen, daß ihm der kriechende poetiſche Wurm nicht nachkommen koͤnne. Der krie- chende Poete aber hat auch von der vorſichtigen Natur ſeine Frey-Staͤdte und Retirade-Oerter erhalten, naͤmlich die Fels-Loͤcher und Kluͤfte der Erden, ſich dahinein, gleich einer verſcheuch- ten Maus, zu verbergen. Es iſt alſo auch an keine Union oder Frieden zwiſchen erhabenen und kriechenden Poeten zu gedenken. Denn bey andern Friedens-Geſchaͤften geben beyde Theile nach, und laſſen etwas von ihren An- ſpruͤchen gegen einander ſchwinden; oder auch, ſie verwechſeln die Gebiete, und tritt einer dem andern was von ſeinem ab, dagegen er ſich in ein ihm gelegeneres Stuͤck Land des andern ſetzet. Aber der erhabene Poete kann ſo wenig von ſei- nen Anſpruͤchen gegen den kriechenden was fal- len laſſen, als ihm auch nichts von ſeinem Re- vier abtreten. Es wuͤrde ſonſt eben ſo heraus kommen, als wenn die Maus mit dem Fiſche accordiren wollte, der Fiſch ſolle auf der Erde,
und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0133"n="125"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">vor der erhabenen Dichterey.</hi></fw><lb/>
der in die Hoͤhe, wie das gedaͤmpfte Feuer, wenn<lb/>
es Luft bekoͤmmt.</p><lb/><p>§ 5. Aus dem angefuͤhrten erhellet nun ſo<lb/>
viel bereits zur Gnuͤge, daß die erhabenen und<lb/>
kriechenden Poeten gegen einander <hirendition="#fr">zwey<lb/>
Schlacht-Heere</hi> formiren, die ſtets mit einan-<lb/>
der zu Felde liegen, einander ſcharmuziren, at-<lb/>
taquiren und zu uͤberwaͤltigen ſuchen. Der <hirendition="#fr">er-<lb/>
habene</hi> Poet, wenn er ja den Kuͤrzern zoͤge, hat<lb/>
die <hirendition="#fr">freye Luft</hi> vor ſich, ſich immer hoͤher zu<lb/>ſchwingen, daß ihm der <hirendition="#fr">kriechende poetiſche<lb/>
Wurm</hi> nicht nachkommen koͤnne. Der <hirendition="#fr">krie-<lb/>
chende</hi> Poete aber hat auch von der vorſichtigen<lb/>
Natur ſeine Frey-Staͤdte und Retirade-Oerter<lb/>
erhalten, naͤmlich die <hirendition="#fr">Fels-Loͤcher</hi> und <hirendition="#fr">Kluͤfte<lb/>
der Erden,</hi>ſich dahinein, gleich einer verſcheuch-<lb/>
ten Maus, zu verbergen. Es iſt alſo auch an<lb/><hirendition="#fr">keine Union</hi> oder <hirendition="#fr">Frieden</hi> zwiſchen erhabenen<lb/>
und kriechenden Poeten zu gedenken. Denn<lb/>
bey andern Friedens-Geſchaͤften geben <hirendition="#fr">beyde<lb/>
Theile nach,</hi> und laſſen etwas von ihren An-<lb/>ſpruͤchen gegen einander ſchwinden; oder auch,<lb/>ſie <hirendition="#fr">verwechſeln</hi> die Gebiete, und tritt einer dem<lb/>
andern was von ſeinem ab, dagegen er ſich in<lb/>
ein ihm gelegeneres Stuͤck Land des andern ſetzet.<lb/>
Aber der erhabene Poete kann ſo wenig von ſei-<lb/>
nen <hirendition="#fr">Anſpruͤchen</hi> gegen den kriechenden was fal-<lb/>
len laſſen, als ihm auch nichts von ſeinem <hirendition="#fr">Re-<lb/>
vier</hi> abtreten. Es wuͤrde ſonſt eben ſo heraus<lb/>
kommen, als wenn die Maus mit dem Fiſche<lb/>
accordiren wollte, der Fiſch ſolle auf der Erde,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[125/0133]
vor der erhabenen Dichterey.
der in die Hoͤhe, wie das gedaͤmpfte Feuer, wenn
es Luft bekoͤmmt.
§ 5. Aus dem angefuͤhrten erhellet nun ſo
viel bereits zur Gnuͤge, daß die erhabenen und
kriechenden Poeten gegen einander zwey
Schlacht-Heere formiren, die ſtets mit einan-
der zu Felde liegen, einander ſcharmuziren, at-
taquiren und zu uͤberwaͤltigen ſuchen. Der er-
habene Poet, wenn er ja den Kuͤrzern zoͤge, hat
die freye Luft vor ſich, ſich immer hoͤher zu
ſchwingen, daß ihm der kriechende poetiſche
Wurm nicht nachkommen koͤnne. Der krie-
chende Poete aber hat auch von der vorſichtigen
Natur ſeine Frey-Staͤdte und Retirade-Oerter
erhalten, naͤmlich die Fels-Loͤcher und Kluͤfte
der Erden, ſich dahinein, gleich einer verſcheuch-
ten Maus, zu verbergen. Es iſt alſo auch an
keine Union oder Frieden zwiſchen erhabenen
und kriechenden Poeten zu gedenken. Denn
bey andern Friedens-Geſchaͤften geben beyde
Theile nach, und laſſen etwas von ihren An-
ſpruͤchen gegen einander ſchwinden; oder auch,
ſie verwechſeln die Gebiete, und tritt einer dem
andern was von ſeinem ab, dagegen er ſich in
ein ihm gelegeneres Stuͤck Land des andern ſetzet.
Aber der erhabene Poete kann ſo wenig von ſei-
nen Anſpruͤchen gegen den kriechenden was fal-
len laſſen, als ihm auch nichts von ſeinem Re-
vier abtreten. Es wuͤrde ſonſt eben ſo heraus
kommen, als wenn die Maus mit dem Fiſche
accordiren wollte, der Fiſch ſolle auf der Erde,
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/133>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.