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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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gereizte Stelle erreichen könnte, doch die gleichseitige Hand
wählt. Ich habe das Experiment häufig gemacht und es nie
anders gefunden.

Irritirt man wenig, ist die Bewegung langsam, irritirt man
mehr, so ist die Bewegung schneller und ausgedehnter, über¬
haupt von dem Reize sehr abhängig, ganz wie bei den Bewe¬
gungen Enthaupteter. --

Das Thier behält, wenn es nach der Enthauptung eine Be¬
wegung ausgeführt hat, die einmal angenommene Lage bei; ebenso
der Schlafende. Wie jenes führt er sehr häufig Bewegungen
nur halb aus, wenn das irritirende Moment nicht kräftig genug
gewirkt hat. Kitzelt man ihn leise und nur ein wenig im Ge¬
sicht, so erhebt sich der Arm ein wenig, führt eine kleine Strecke
weit den Arm in der Direction zur gereizten Stelle. Aber die
Bewegung hält plötzlich inne, das Glied bleibt in der Lage und
die frühere Ruhe ist zurückgekehrt.

Zu diesen Argumenten vereinigt sich noch für den selbstän¬
digen Beobachter das Eigenthümliche in jenen Bewegungen, das
sich leicht sehen, aber schwer beschreiben lässt.

Wir fragen nun: Sind Das auch Reflexe, wie die Schule
lehrt? Cuvier glaubte nicht, dass ein Schlafender, der sich
bewege und bequemere Lagen wähle, der Empfindung und des
Bewusstseins vollständig beraubt sei, indem er mit dialektischer
Schärfe angiebt, wie Daraus, dass der Mensch sich einer Empfin¬
dung nicht mehr erinnere, noch nicht bewiesen sei, dass er sie
nicht gehabt habe. Die jetzige physiologische Schule glaubt
auch hier Reflexe vor sich zu sehen.

Folgendes Experiment wird nun den Ungläubigsten über¬
zeugen von der Natur der Bewegungen Schlafender. Ich expe¬
rimentirte an einem dreijährigen Knaben; Kinder schlafen fester
als Erwachsene und scheinen reizbarer zu sein. Ich kitzelte
den kleinen Jungen am rechten Nasenloche, worauf er sein rech¬
tes Händchen erhob und gleichsam eine abwehrende Bewegung
gegen mich machte, um sodann sein rechtes Nasenloch zu rei¬
ben. Kitzelte ich das linke, so nahm er die linke Hand. Um

gereizte Stelle erreichen könnte, doch die gleichseitige Hand
wählt. Ich habe das Experiment häufig gemacht und es nie
anders gefunden.

Irritirt man wenig, ist die Bewegung langsam, irritirt man
mehr, so ist die Bewegung schneller und ausgedehnter, über¬
haupt von dem Reize sehr abhängig, ganz wie bei den Bewe¬
gungen Enthaupteter. —

Das Thier behält, wenn es nach der Enthauptung eine Be¬
wegung ausgeführt hat, die einmal angenommene Lage bei; ebenso
der Schlafende. Wie jenes führt er sehr häufig Bewegungen
nur halb aus, wenn das irritirende Moment nicht kräftig genug
gewirkt hat. Kitzelt man ihn leise und nur ein wenig im Ge¬
sicht, so erhebt sich der Arm ein wenig, führt eine kleine Strecke
weit den Arm in der Direction zur gereizten Stelle. Aber die
Bewegung hält plötzlich inne, das Glied bleibt in der Lage und
die frühere Ruhe ist zurückgekehrt.

Zu diesen Argumenten vereinigt sich noch für den selbstän¬
digen Beobachter das Eigenthümliche in jenen Bewegungen, das
sich leicht sehen, aber schwer beschreiben lässt.

Wir fragen nun: Sind Das auch Reflexe, wie die Schule
lehrt? Cuvier glaubte nicht, dass ein Schlafender, der sich
bewege und bequemere Lagen wähle, der Empfindung und des
Bewusstseins vollständig beraubt sei, indem er mit dialektischer
Schärfe angiebt, wie Daraus, dass der Mensch sich einer Empfin¬
dung nicht mehr erinnere, noch nicht bewiesen sei, dass er sie
nicht gehabt habe. Die jetzige physiologische Schule glaubt
auch hier Reflexe vor sich zu sehen.

Folgendes Experiment wird nun den Ungläubigsten über¬
zeugen von der Natur der Bewegungen Schlafender. Ich expe¬
rimentirte an einem dreijährigen Knaben; Kinder schlafen fester
als Erwachsene und scheinen reizbarer zu sein. Ich kitzelte
den kleinen Jungen am rechten Nasenloche, worauf er sein rech¬
tes Händchen erhob und gleichsam eine abwehrende Bewegung
gegen mich machte, um sodann sein rechtes Nasenloch zu rei¬
ben. Kitzelte ich das linke, so nahm er die linke Hand. Um

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[134/0156] gereizte Stelle erreichen könnte, doch die gleichseitige Hand wählt. Ich habe das Experiment häufig gemacht und es nie anders gefunden. Irritirt man wenig, ist die Bewegung langsam, irritirt man mehr, so ist die Bewegung schneller und ausgedehnter, über¬ haupt von dem Reize sehr abhängig, ganz wie bei den Bewe¬ gungen Enthaupteter. — Das Thier behält, wenn es nach der Enthauptung eine Be¬ wegung ausgeführt hat, die einmal angenommene Lage bei; ebenso der Schlafende. Wie jenes führt er sehr häufig Bewegungen nur halb aus, wenn das irritirende Moment nicht kräftig genug gewirkt hat. Kitzelt man ihn leise und nur ein wenig im Ge¬ sicht, so erhebt sich der Arm ein wenig, führt eine kleine Strecke weit den Arm in der Direction zur gereizten Stelle. Aber die Bewegung hält plötzlich inne, das Glied bleibt in der Lage und die frühere Ruhe ist zurückgekehrt. Zu diesen Argumenten vereinigt sich noch für den selbstän¬ digen Beobachter das Eigenthümliche in jenen Bewegungen, das sich leicht sehen, aber schwer beschreiben lässt. Wir fragen nun: Sind Das auch Reflexe, wie die Schule lehrt? Cuvier glaubte nicht, dass ein Schlafender, der sich bewege und bequemere Lagen wähle, der Empfindung und des Bewusstseins vollständig beraubt sei, indem er mit dialektischer Schärfe angiebt, wie Daraus, dass der Mensch sich einer Empfin¬ dung nicht mehr erinnere, noch nicht bewiesen sei, dass er sie nicht gehabt habe. Die jetzige physiologische Schule glaubt auch hier Reflexe vor sich zu sehen. Folgendes Experiment wird nun den Ungläubigsten über¬ zeugen von der Natur der Bewegungen Schlafender. Ich expe¬ rimentirte an einem dreijährigen Knaben; Kinder schlafen fester als Erwachsene und scheinen reizbarer zu sein. Ich kitzelte den kleinen Jungen am rechten Nasenloche, worauf er sein rech¬ tes Händchen erhob und gleichsam eine abwehrende Bewegung gegen mich machte, um sodann sein rechtes Nasenloch zu rei¬ ben. Kitzelte ich das linke, so nahm er die linke Hand. Um

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/156>, abgerufen am 27.11.2024.