dienstlichkeit beizulegen suchen. Vornehmlich die in jenen Kreisen viel traktirte "äußere Mission" hat solange nur erst ein zweifel¬ haftes oder doch sehr beschränktes Recht, als die "innere" noch nicht weiter gediehen ist.
Ganz dem zur Seite zu stellen ist im Großen gar häufig der prätenziöse Kosmopolitismus. Mag der vorübergehende studenti¬ sche Frohsinn in heiterer Laune auch einmal singen: "Ueberall bin ich zu Hause, Ueberall bin ich bekannt; Wo mir's gut geht, ist mein Vaterland!" -- das spätere und ernste Leben stellt an¬ dere Forderungen. Besonders kann es das nicht für zulässig er¬ klären, wenn die Unbefriedigung mit dem Eigenen und Nahen, statt Hand zur allmähligen Besserung mitanzulegen, sich mit dem wohl¬ feilen Weltbürgertrost aus der Enge zieht und in diesen Flittermantel gehüllt die Stürme der Zeit an sich vorüberbrausen läßt. Es liegt ja auf platter Hand, wie eben unsre deutschen Geistesgrößen des vorigen Jahrhunderts in dieser Weise nur aus der Noth der Gegenwart eine Tugend machten und in der idealen Flucht zum Welt- oder Menschheitsganzen sich zu trösten suchten über die er¬ bärmliche Kleinlichkeit der reellen heimischen Zustände, die mit der Größe ihres eigenen Genius um so greller kontrastirte. Wir füh¬ len uns von Ferne nicht berufen, deßhalb einen Stein auf die sonst so hellglänzenden Namen des eigenen Volks zu werfen oder altklugen Sinnes jene gewaltigen Heroen zu tadeln, denen wir ja trotzdem so unendlich Vieles und Großes auf den mannigfachsten Gebieten zu danken haben, soweit es ein deutsches Volk gibt. Nur soviel dürfen wir immerhin aus jenem geschichtlichen Ver¬ ständniß lernend entnehmen, daß selbige Stimmung lange nicht die allein geisteswürdige, modernklassische und auch für uns noch muster¬ gültige sei, da sie ja nur als Ausfluß ungesunder Zustände und de߬ halb pessimistischer Verzweiflung an der Wirklichkeit sich erweist.
Aehnlich, bloß mit viel schwächerer, wo nicht ganz mangeln¬
dienſtlichkeit beizulegen ſuchen. Vornehmlich die in jenen Kreiſen viel traktirte „äußere Miſſion“ hat ſolange nur erſt ein zweifel¬ haftes oder doch ſehr beſchränktes Recht, als die „innere“ noch nicht weiter gediehen iſt.
Ganz dem zur Seite zu ſtellen iſt im Großen gar häufig der prätenziöſe Kosmopolitismus. Mag der vorübergehende ſtudenti¬ ſche Frohſinn in heiterer Laune auch einmal ſingen: „Ueberall bin ich zu Hauſe, Ueberall bin ich bekannt; Wo mir's gut geht, iſt mein Vaterland!“ — das ſpätere und ernſte Leben ſtellt an¬ dere Forderungen. Beſonders kann es das nicht für zuläſſig er¬ klären, wenn die Unbefriedigung mit dem Eigenen und Nahen, ſtatt Hand zur allmähligen Beſſerung mitanzulegen, ſich mit dem wohl¬ feilen Weltbürgertroſt aus der Enge zieht und in dieſen Flittermantel gehüllt die Stürme der Zeit an ſich vorüberbrauſen läßt. Es liegt ja auf platter Hand, wie eben unſre deutſchen Geiſtesgrößen des vorigen Jahrhunderts in dieſer Weiſe nur aus der Noth der Gegenwart eine Tugend machten und in der idealen Flucht zum Welt- oder Menſchheitsganzen ſich zu tröſten ſuchten über die er¬ bärmliche Kleinlichkeit der reellen heimiſchen Zuſtände, die mit der Größe ihres eigenen Genius um ſo greller kontraſtirte. Wir füh¬ len uns von Ferne nicht berufen, deßhalb einen Stein auf die ſonſt ſo hellglänzenden Namen des eigenen Volks zu werfen oder altklugen Sinnes jene gewaltigen Heroën zu tadeln, denen wir ja trotzdem ſo unendlich Vieles und Großes auf den mannigfachſten Gebieten zu danken haben, ſoweit es ein deutſches Volk gibt. Nur ſoviel dürfen wir immerhin aus jenem geſchichtlichen Ver¬ ſtändniß lernend entnehmen, daß ſelbige Stimmung lange nicht die allein geiſteswürdige, modernklaſſiſche und auch für uns noch muſter¬ gültige ſei, da ſie ja nur als Ausfluß ungeſunder Zuſtände und de߬ halb peſſimiſtiſcher Verzweiflung an der Wirklichkeit ſich erweiſt.
Aehnlich, bloß mit viel ſchwächerer, wo nicht ganz mangeln¬
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dienſtlichkeit beizulegen ſuchen. Vornehmlich die in jenen Kreiſen
viel traktirte „äußere Miſſion“ hat ſolange nur erſt ein zweifel¬
haftes oder doch ſehr beſchränktes Recht, als die „innere“ noch
nicht weiter gediehen iſt.
Ganz dem zur Seite zu ſtellen iſt im Großen gar häufig der
prätenziöſe Kosmopolitismus. Mag der vorübergehende ſtudenti¬
ſche Frohſinn in heiterer Laune auch einmal ſingen: „Ueberall
bin ich zu Hauſe, Ueberall bin ich bekannt; Wo mir's gut geht,
iſt mein Vaterland!“ — das ſpätere und ernſte Leben ſtellt an¬
dere Forderungen. Beſonders kann es das nicht für zuläſſig er¬
klären, wenn die Unbefriedigung mit dem Eigenen und Nahen, ſtatt
Hand zur allmähligen Beſſerung mitanzulegen, ſich mit dem wohl¬
feilen Weltbürgertroſt aus der Enge zieht und in dieſen Flittermantel
gehüllt die Stürme der Zeit an ſich vorüberbrauſen läßt. Es
liegt ja auf platter Hand, wie eben unſre deutſchen Geiſtesgrößen
des vorigen Jahrhunderts in dieſer Weiſe nur aus der Noth der
Gegenwart eine Tugend machten und in der idealen Flucht zum
Welt- oder Menſchheitsganzen ſich zu tröſten ſuchten über die er¬
bärmliche Kleinlichkeit der reellen heimiſchen Zuſtände, die mit der
Größe ihres eigenen Genius um ſo greller kontraſtirte. Wir füh¬
len uns von Ferne nicht berufen, deßhalb einen Stein auf die
ſonſt ſo hellglänzenden Namen des eigenen Volks zu werfen oder
altklugen Sinnes jene gewaltigen Heroën zu tadeln, denen wir ja
trotzdem ſo unendlich Vieles und Großes auf den mannigfachſten
Gebieten zu danken haben, ſoweit es ein deutſches Volk gibt.
Nur ſoviel dürfen wir immerhin aus jenem geſchichtlichen Ver¬
ſtändniß lernend entnehmen, daß ſelbige Stimmung lange nicht die
allein geiſteswürdige, modernklaſſiſche und auch für uns noch muſter¬
gültige ſei, da ſie ja nur als Ausfluß ungeſunder Zuſtände und de߬
halb peſſimiſtiſcher Verzweiflung an der Wirklichkeit ſich erweiſt.
Aehnlich, bloß mit viel ſchwächerer, wo nicht ganz mangeln¬
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Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfleiderer_kosmopolitismus_1874/24>, abgerufen am 02.03.2025.
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