Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874.leerem Dunst verflüchtigte und nirgends mehr einen gesundgedie¬ Doch es wäre zu wenig, wollten wir nur stehen bleiben bei Zunächst ist es der träge Egoismus, welcher gerne die nächst¬ leerem Dunſt verflüchtigte und nirgends mehr einen geſundgedie¬ Doch es wäre zu wenig, wollten wir nur ſtehen bleiben bei Zunächſt iſt es der träge Egoismus, welcher gerne die nächſt¬ <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0023" n="13"/> leerem Dunſt verflüchtigte und nirgends mehr einen geſundgedie¬<lb/> genen Kern beſaß, in dem ſie thatkräftig hätte fußen können.</p><lb/> <p>Doch es wäre zu wenig, wollten wir nur ſtehen bleiben bei<lb/> dieſer am Ende noch ziemlich harmloſen, halb komiſchen halb<lb/> liebenswürdigen Ueberſchwänglichkeit. Auf einer ſchiefen Ebene<lb/> geht es weiter, ehe man es ſich verſieht. Wie leicht wird aus<lb/> der Ueber-, alſo Unnatur die Unwahrheit, eine mehr oder weniger<lb/> bewußte Heuchelei! Das zeigt ſich auch hier: die Extreme berühren<lb/> ſich, die Ueberſpannung wird zur Abſpannung und der hochklingende<lb/> Sinn fürs Große entpuppt ſich gar vielfach als Deckmantel <hi rendition="#g">be¬<lb/> ſchränkter Selbſtſucht</hi>.</p><lb/> <p>Zunächſt iſt es der <hi rendition="#g">träge</hi> Egoismus, welcher gerne die nächſt¬<lb/> liegenden Pflichten von ſich abwälzt, indem er ſich mit ſcheinbar<lb/> Größerem, aber Fernerem und ſchon darum Leichterem entſchuldigt.<lb/> Die hohe Weisheit unſerer Sprüchwörter, dieſer naturwüchſigen<lb/> Moral, kennt in kleineren Kreiſen dieſes oder doch ein verwand¬<lb/> tes Uebel wohl, wenn ſie draſtiſch von manchen Menſchen als Ge¬<lb/> ſellſchaftsengeln und Hausteufeln redet. Oder wie Viele rennen<lb/> in allerlei frommen wie profanen Vereinen herum und vernach¬<lb/> läſſigen über ſolchen vermeintlich „guten Werken“ die unſchein¬<lb/> bareren, weil ſtillen Pflichten daheim, deren Erfüllung kein Extra¬<lb/> verdienſt verleiht. Daß dieß eine Modekrankheit gerade unſerer,<lb/> zuweilen auch übermäßig auf Aſſoziation bedachten Zeit iſt,<lb/> können uns ſelbſt Romane und Novellen als keineswegs gering¬<lb/> zuſchätzende Zeitſpiegel reichlich belehren. Insbeſondere dürfte<lb/> es mit dem leichten Katholiſiren der weiblichen Natur zuſammen¬<lb/> hängen, deren normale Tugend eine mehr pflanzenartige und ſtill¬<lb/> verborgene iſt, daß namentlich die modernen Emanzipationsgelüſte<lb/> — außer dem pſychologiſch motivirten Reiz der „Präſidentſchaft“<lb/> in ſolchen Vereinen — ſich durch ſolche keineswegs immer nur<lb/> löbliche und erſprießliche Sachen eine gewiſſe künſtliche Ueberver¬<lb/></p> </body> </text> </TEI> [13/0023]
leerem Dunſt verflüchtigte und nirgends mehr einen geſundgedie¬
genen Kern beſaß, in dem ſie thatkräftig hätte fußen können.
Doch es wäre zu wenig, wollten wir nur ſtehen bleiben bei
dieſer am Ende noch ziemlich harmloſen, halb komiſchen halb
liebenswürdigen Ueberſchwänglichkeit. Auf einer ſchiefen Ebene
geht es weiter, ehe man es ſich verſieht. Wie leicht wird aus
der Ueber-, alſo Unnatur die Unwahrheit, eine mehr oder weniger
bewußte Heuchelei! Das zeigt ſich auch hier: die Extreme berühren
ſich, die Ueberſpannung wird zur Abſpannung und der hochklingende
Sinn fürs Große entpuppt ſich gar vielfach als Deckmantel be¬
ſchränkter Selbſtſucht.
Zunächſt iſt es der träge Egoismus, welcher gerne die nächſt¬
liegenden Pflichten von ſich abwälzt, indem er ſich mit ſcheinbar
Größerem, aber Fernerem und ſchon darum Leichterem entſchuldigt.
Die hohe Weisheit unſerer Sprüchwörter, dieſer naturwüchſigen
Moral, kennt in kleineren Kreiſen dieſes oder doch ein verwand¬
tes Uebel wohl, wenn ſie draſtiſch von manchen Menſchen als Ge¬
ſellſchaftsengeln und Hausteufeln redet. Oder wie Viele rennen
in allerlei frommen wie profanen Vereinen herum und vernach¬
läſſigen über ſolchen vermeintlich „guten Werken“ die unſchein¬
bareren, weil ſtillen Pflichten daheim, deren Erfüllung kein Extra¬
verdienſt verleiht. Daß dieß eine Modekrankheit gerade unſerer,
zuweilen auch übermäßig auf Aſſoziation bedachten Zeit iſt,
können uns ſelbſt Romane und Novellen als keineswegs gering¬
zuſchätzende Zeitſpiegel reichlich belehren. Insbeſondere dürfte
es mit dem leichten Katholiſiren der weiblichen Natur zuſammen¬
hängen, deren normale Tugend eine mehr pflanzenartige und ſtill¬
verborgene iſt, daß namentlich die modernen Emanzipationsgelüſte
— außer dem pſychologiſch motivirten Reiz der „Präſidentſchaft“
in ſolchen Vereinen — ſich durch ſolche keineswegs immer nur
löbliche und erſprießliche Sachen eine gewiſſe künſtliche Ueberver¬
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