Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.Modifikationen des Wahlgesetzes für die Reichstagswahlen zugestanden Die ganze Verfassung wird mit Unrecht, aus Gehässigkeit, eine Mögen also die Constitutionellen, die aufrichtigen Freunde eines Modifikationen des Wahlgeſetzes für die Reichstagswahlen zugeſtanden Die ganze Verfaſſung wird mit Unrecht, aus Gehäſſigkeit, eine Mögen alſo die Conſtitutionellen, die aufrichtigen Freunde eines <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="21"/> Modifikationen des Wahlgeſetzes für die Reichstagswahlen zugeſtanden<lb/> worden, wenn nur das Prinzip, die Wahl nach drei Curien, beibehal-<lb/> ten wird, — ein Prinzip das auch für das würtembergiſche Wahlgeſetz<lb/> in Berathung kam, aber allzuraſch aufgegeben wurde.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">ganze</hi> Verfaſſung wird mit Unrecht, aus Gehäſſigkeit, eine<lb/><hi rendition="#g">oktroyirte</hi> genannt, denn ſie iſt vorläufig nur Entwurf und wird<lb/> dem zuſammenzuberufenden Reichstag zur Vereinbarung vorgelegt. Es<lb/> wäre <hi rendition="#g">ſchön</hi>, vielleicht <hi rendition="#g">zu ſchön</hi> geweſen, wenn aus dem Schooße<lb/> der Nationalverſammlung die Neugeſtaltung Deutſchlands hervorgegangen<lb/> wäre; davon, daß es nicht geſchehen, ſuche man die Schuld nicht aus-<lb/> ſchließlich in <hi rendition="#g">Einer</hi> Perſon, in <hi rendition="#g">Einer</hi> Partei; Vieles, die ganze<lb/> Lage der Dinge, die ganze Geſchichte und Vergangenheit Deutſchlands,<lb/> hat mitgewirkt. Aber wäre uns auch jener Freudenbecher eingeſchenkt<lb/> worden: bald wären wir doch auf eine bittere Hefe geſtoßen; und viel-<lb/> leicht iſt es beſſer, mit dem Herben und Bittern anzufangen, aus dem<lb/> ſich hoffentlich das Süße entwickelt.</p><lb/> <p>Mögen alſo die Conſtitutionellen, die aufrichtigen Freunde eines<lb/> großen, einigen und mächtigen Deutſchlands in den für Manche ſauren<lb/> Apfel beißen, ſtatt ihn, nach dem unheilvollen Rathe der Demokraten,<lb/> wegzuwerfen! Mögen ſie reiflich und kaltblütig erwägen, was die Folgen<lb/> der Verweigerung des Anſchluſſes ſeyn werden! Die Demokraten, ſoweit<lb/> ſie Schwärmer und Fanatiker ſind, ohne politiſche Einſicht und ge-<lb/> ſchichtliche Kenntniß, Leute von „kürzeſtem Gedärm,“ ſo daß nur das<lb/> letzte Jahr für ſie exiſtirt, mögen im Ernſt die wahnſinnige Ueberzeu-<lb/> gung haben, daß Württemberg für ſich allein eine ſelbſtſtändige Stel-<lb/> lung einnehmen, Preußen die Stirne bieten, die Oaſe der Freiheit in<lb/> Deutſchland werden und am Ende ſiegreich die alleinſeligmachende Lehre<lb/> der Republik, wie den Koran mit dem Schwert, über die Welt ausbrei-<lb/> ten könne; die Peſſimiſten und Nihiliſten, deren es unter ihnen Viele<lb/> gibt, mögen wünſchen, daß nur Alles drunter und drüber gehe, daß<lb/> Umſturz und Chaos Alles verſchlinge, wenn <hi rendition="#g">ihre</hi> Plane ſcheitern; ſie<lb/> mögen Deutſchland lieber unter die Herrſchaft der Kutte und der Knute<lb/> kommen, als mit dem conſtitutionellen Preußen geeinigt ſehen: aber<lb/> können beſonnene und aufrichtige Patrioten jene Träume oder dieſe<lb/> Wünſche theilen? Und doch gibt es in der That kaum ein Drittes, —<lb/> wenn man nicht auf ganz unvorhergeſehene Wendungen der Dinge rech-<lb/> nen, oder vielmehr blind hoffen will, oder blos von der <hi rendition="#g">Zeit</hi> eine<lb/> günſtige Löſung erwartet. Aber ſchon das <hi rendition="#g">Zuwarten</hi> hat, wie die<lb/> Dinge ſtehen, ſeine Gefahren, denn es fördert den ſtets, wenn auch ge-<lb/> heim und unbemerkt fortſchreitenden <hi rendition="#g">Auflöſungsproceß</hi>, dem nur<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0031]
Modifikationen des Wahlgeſetzes für die Reichstagswahlen zugeſtanden
worden, wenn nur das Prinzip, die Wahl nach drei Curien, beibehal-
ten wird, — ein Prinzip das auch für das würtembergiſche Wahlgeſetz
in Berathung kam, aber allzuraſch aufgegeben wurde.
Die ganze Verfaſſung wird mit Unrecht, aus Gehäſſigkeit, eine
oktroyirte genannt, denn ſie iſt vorläufig nur Entwurf und wird
dem zuſammenzuberufenden Reichstag zur Vereinbarung vorgelegt. Es
wäre ſchön, vielleicht zu ſchön geweſen, wenn aus dem Schooße
der Nationalverſammlung die Neugeſtaltung Deutſchlands hervorgegangen
wäre; davon, daß es nicht geſchehen, ſuche man die Schuld nicht aus-
ſchließlich in Einer Perſon, in Einer Partei; Vieles, die ganze
Lage der Dinge, die ganze Geſchichte und Vergangenheit Deutſchlands,
hat mitgewirkt. Aber wäre uns auch jener Freudenbecher eingeſchenkt
worden: bald wären wir doch auf eine bittere Hefe geſtoßen; und viel-
leicht iſt es beſſer, mit dem Herben und Bittern anzufangen, aus dem
ſich hoffentlich das Süße entwickelt.
Mögen alſo die Conſtitutionellen, die aufrichtigen Freunde eines
großen, einigen und mächtigen Deutſchlands in den für Manche ſauren
Apfel beißen, ſtatt ihn, nach dem unheilvollen Rathe der Demokraten,
wegzuwerfen! Mögen ſie reiflich und kaltblütig erwägen, was die Folgen
der Verweigerung des Anſchluſſes ſeyn werden! Die Demokraten, ſoweit
ſie Schwärmer und Fanatiker ſind, ohne politiſche Einſicht und ge-
ſchichtliche Kenntniß, Leute von „kürzeſtem Gedärm,“ ſo daß nur das
letzte Jahr für ſie exiſtirt, mögen im Ernſt die wahnſinnige Ueberzeu-
gung haben, daß Württemberg für ſich allein eine ſelbſtſtändige Stel-
lung einnehmen, Preußen die Stirne bieten, die Oaſe der Freiheit in
Deutſchland werden und am Ende ſiegreich die alleinſeligmachende Lehre
der Republik, wie den Koran mit dem Schwert, über die Welt ausbrei-
ten könne; die Peſſimiſten und Nihiliſten, deren es unter ihnen Viele
gibt, mögen wünſchen, daß nur Alles drunter und drüber gehe, daß
Umſturz und Chaos Alles verſchlinge, wenn ihre Plane ſcheitern; ſie
mögen Deutſchland lieber unter die Herrſchaft der Kutte und der Knute
kommen, als mit dem conſtitutionellen Preußen geeinigt ſehen: aber
können beſonnene und aufrichtige Patrioten jene Träume oder dieſe
Wünſche theilen? Und doch gibt es in der That kaum ein Drittes, —
wenn man nicht auf ganz unvorhergeſehene Wendungen der Dinge rech-
nen, oder vielmehr blind hoffen will, oder blos von der Zeit eine
günſtige Löſung erwartet. Aber ſchon das Zuwarten hat, wie die
Dinge ſtehen, ſeine Gefahren, denn es fördert den ſtets, wenn auch ge-
heim und unbemerkt fortſchreitenden Auflöſungsproceß, dem nur
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