Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.freie Blick über eine ausgedehnte Ebene schweifte, an deren Anfange die Festung Adjunta lag. -- Um acht Uhr Morgens hatten wir sie schon erreicht. In Adjunta residirte Kapitän Gill, an den ich durch Briefe Herrn Hamilton's empfohlen war. Als ich ihm nach den ersten Begrüßungen den Wunsch äußerte, die berühmten Felsentempel von Adjunta zu besuchen, bedauerte er sehr, nicht einen Brief von mir vierundzwanzig Stunden früher empfangen zu haben. Dies hätte mir einige engl. Meilen erspart, da die Tempel näher bei Furdapoor als bei Adjunta liegen. Was war zu thun? Die Tempel wollte ich durchaus sehen, Zeit hatte ich nur wenig zu verlieren, und so entschloß ich mich kurz, den Weg wieder zurück zu machen. Ich nahm nur etwas Nahrung zu mir und bestieg sogleich ein Pferd aus des Kapitäns Stall, das mich in einer starken Stunde über den Gebirgspaß brachte. Der Weg nach den Tempeln wendet sich von hier rechts in wilde, öde Bergthäler, deren Todtenstille kein Vogelsang, kein Lebenshauch stört. Sie waren vollkommen geeignet, die Erwartung nach den zu schauenden Wundern zu steigern und zu spannen. Die Tempel, 27 an der Zahl, sind in hohe, halbzirkelförmig laufende, senkrechte Felswände eingehauen. An einigen Felswänden erheben sich zwei Stockwerke oder Tempel über einander, zu deren Höhe Wege an den Wänden führen, die aber so schmal und ausgebrochen sind, daß man oft kaum weiß, wohin den Fuß setzen. Unter sich sieht man schauerliche Tiefen, in die sich ein Bergstrom verliert, nach oben erheben sich die glatten Felswände noch freie Blick über eine ausgedehnte Ebene schweifte, an deren Anfange die Festung Adjunta lag. — Um acht Uhr Morgens hatten wir sie schon erreicht. In Adjunta residirte Kapitän Gill, an den ich durch Briefe Herrn Hamilton’s empfohlen war. Als ich ihm nach den ersten Begrüßungen den Wunsch äußerte, die berühmten Felsentempel von Adjunta zu besuchen, bedauerte er sehr, nicht einen Brief von mir vierundzwanzig Stunden früher empfangen zu haben. Dies hätte mir einige engl. Meilen erspart, da die Tempel näher bei Furdapoor als bei Adjunta liegen. Was war zu thun? Die Tempel wollte ich durchaus sehen, Zeit hatte ich nur wenig zu verlieren, und so entschloß ich mich kurz, den Weg wieder zurück zu machen. Ich nahm nur etwas Nahrung zu mir und bestieg sogleich ein Pferd aus des Kapitäns Stall, das mich in einer starken Stunde über den Gebirgspaß brachte. Der Weg nach den Tempeln wendet sich von hier rechts in wilde, öde Bergthäler, deren Todtenstille kein Vogelsang, kein Lebenshauch stört. Sie waren vollkommen geeignet, die Erwartung nach den zu schauenden Wundern zu steigern und zu spannen. Die Tempel, 27 an der Zahl, sind in hohe, halbzirkelförmig laufende, senkrechte Felswände eingehauen. An einigen Felswänden erheben sich zwei Stockwerke oder Tempel über einander, zu deren Höhe Wege an den Wänden führen, die aber so schmal und ausgebrochen sind, daß man oft kaum weiß, wohin den Fuß setzen. Unter sich sieht man schauerliche Tiefen, in die sich ein Bergstrom verliert, nach oben erheben sich die glatten Felswände noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0061" n="53"/> freie Blick über eine ausgedehnte Ebene schweifte, an deren Anfange die Festung <hi rendition="#aq">Adjunta</hi> lag. — Um acht Uhr Morgens hatten wir sie schon erreicht.</p> <p>In <hi rendition="#aq">Adjunta</hi> residirte Kapitän <hi rendition="#aq">Gill</hi>, an den ich durch Briefe Herrn <hi rendition="#aq">Hamilton’s</hi> empfohlen war. Als ich ihm nach den ersten Begrüßungen den Wunsch äußerte, die berühmten Felsentempel von <hi rendition="#aq">Adjunta</hi> zu besuchen, bedauerte er sehr, nicht einen Brief von mir vierundzwanzig Stunden früher empfangen zu haben. Dies hätte mir einige engl. Meilen erspart, da die Tempel näher bei <hi rendition="#aq">Furdapoor</hi> als bei <hi rendition="#aq">Adjunta</hi> liegen. Was war zu thun? Die Tempel wollte ich durchaus sehen, Zeit hatte ich nur wenig zu verlieren, und so entschloß ich mich kurz, den Weg wieder zurück zu machen. Ich nahm nur etwas Nahrung zu mir und bestieg sogleich ein Pferd aus des Kapitäns Stall, das mich in einer starken Stunde über den Gebirgspaß brachte.</p> <p>Der Weg nach den Tempeln wendet sich von hier rechts in wilde, öde Bergthäler, deren Todtenstille kein Vogelsang, kein Lebenshauch stört. Sie waren vollkommen geeignet, die Erwartung nach den zu schauenden Wundern zu steigern und zu spannen.</p> <p>Die Tempel, 27 an der Zahl, sind in hohe, halbzirkelförmig laufende, senkrechte Felswände eingehauen. An einigen Felswänden erheben sich zwei Stockwerke oder Tempel über einander, zu deren Höhe Wege an den Wänden führen, die aber so schmal und ausgebrochen sind, daß man oft kaum weiß, wohin den Fuß setzen. Unter sich sieht man schauerliche Tiefen, in die sich ein Bergstrom verliert, nach oben erheben sich die glatten Felswände noch </p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0061]
freie Blick über eine ausgedehnte Ebene schweifte, an deren Anfange die Festung Adjunta lag. — Um acht Uhr Morgens hatten wir sie schon erreicht.
In Adjunta residirte Kapitän Gill, an den ich durch Briefe Herrn Hamilton’s empfohlen war. Als ich ihm nach den ersten Begrüßungen den Wunsch äußerte, die berühmten Felsentempel von Adjunta zu besuchen, bedauerte er sehr, nicht einen Brief von mir vierundzwanzig Stunden früher empfangen zu haben. Dies hätte mir einige engl. Meilen erspart, da die Tempel näher bei Furdapoor als bei Adjunta liegen. Was war zu thun? Die Tempel wollte ich durchaus sehen, Zeit hatte ich nur wenig zu verlieren, und so entschloß ich mich kurz, den Weg wieder zurück zu machen. Ich nahm nur etwas Nahrung zu mir und bestieg sogleich ein Pferd aus des Kapitäns Stall, das mich in einer starken Stunde über den Gebirgspaß brachte.
Der Weg nach den Tempeln wendet sich von hier rechts in wilde, öde Bergthäler, deren Todtenstille kein Vogelsang, kein Lebenshauch stört. Sie waren vollkommen geeignet, die Erwartung nach den zu schauenden Wundern zu steigern und zu spannen.
Die Tempel, 27 an der Zahl, sind in hohe, halbzirkelförmig laufende, senkrechte Felswände eingehauen. An einigen Felswänden erheben sich zwei Stockwerke oder Tempel über einander, zu deren Höhe Wege an den Wänden führen, die aber so schmal und ausgebrochen sind, daß man oft kaum weiß, wohin den Fuß setzen. Unter sich sieht man schauerliche Tiefen, in die sich ein Bergstrom verliert, nach oben erheben sich die glatten Felswände noch
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/61>, abgerufen am 16.02.2025. |