Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Der botanische Garten, drei Werste von der Stadt entfernt, ist arm an exotischen Gewächsen und sehr vernachlässiget. Es ist um jeden Schritt schade, den man dahin macht. Einen wahrhaft betrübenden Eindruck machte auf mich das Bild des Herbstes, das ich hier nach einigen Jahren zum erstenmale wieder sah. Ich hätte beinahe die Leute beneidet, die in den heißen Klimaten leben, wenn auch die Hitze viel der Leiden bietet. Man kömmt in Odessa mit der deutschen Sprache ganz gut fort; außer dem ganz gemeinen Volke versteht beinahe alles deutsch. Bei dem Austritte aus dem russischen Reiche hat man mit den Paßangelegenheiten eben so viel Schwierigkeiten wie bei dem Eintritte. Man muß den bei dem Eintritte gelösten Paß wieder verwechseln, wofür man jedesmal zwei Silberrubel zu zahlen hat. Außerdem muß sich der Reisende gefallen lassen, dreimal in die Zeitung gerückt zu werden, damit, wenn er Schulden hat, die Leute von seiner Abreise benachrichtigt werden. Mit diesen Einrückungen gehen im schnellsten Falle acht Tage, oft aber auch zwei bis drei Wochen verloren; nur in dem Falle, daß jemand gut für ihn steht, braucht er die Einrückungen nicht abzuwarten. Der österreichische Consul, Herr Gutenthal, bürgte für mich, und dadurch ward es mir möglich, schon am 2. October dem russischen Reiche Lebewohl zu sagen. Daß ich dies mit leichtem Herzen that, brauche ich meinen Lesern wohl nicht zu versichern. Der botanische Garten, drei Werste von der Stadt entfernt, ist arm an exotischen Gewächsen und sehr vernachlässiget. Es ist um jeden Schritt schade, den man dahin macht. Einen wahrhaft betrübenden Eindruck machte auf mich das Bild des Herbstes, das ich hier nach einigen Jahren zum erstenmale wieder sah. Ich hätte beinahe die Leute beneidet, die in den heißen Klimaten leben, wenn auch die Hitze viel der Leiden bietet. Man kömmt in Odessa mit der deutschen Sprache ganz gut fort; außer dem ganz gemeinen Volke versteht beinahe alles deutsch. Bei dem Austritte aus dem russischen Reiche hat man mit den Paßangelegenheiten eben so viel Schwierigkeiten wie bei dem Eintritte. Man muß den bei dem Eintritte gelösten Paß wieder verwechseln, wofür man jedesmal zwei Silberrubel zu zahlen hat. Außerdem muß sich der Reisende gefallen lassen, dreimal in die Zeitung gerückt zu werden, damit, wenn er Schulden hat, die Leute von seiner Abreise benachrichtigt werden. Mit diesen Einrückungen gehen im schnellsten Falle acht Tage, oft aber auch zwei bis drei Wochen verloren; nur in dem Falle, daß jemand gut für ihn steht, braucht er die Einrückungen nicht abzuwarten. Der österreichische Consul, Herr Gutenthal, bürgte für mich, und dadurch ward es mir möglich, schon am 2. October dem russischen Reiche Lebewohl zu sagen. Daß ich dies mit leichtem Herzen that, brauche ich meinen Lesern wohl nicht zu versichern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0310" n="302"/> <p>Der botanische Garten, drei Werste von der Stadt entfernt, ist arm an exotischen Gewächsen und sehr vernachlässiget. Es ist um jeden Schritt schade, den man dahin macht. Einen wahrhaft betrübenden Eindruck machte auf mich das Bild des Herbstes, das ich hier nach einigen Jahren zum erstenmale wieder sah. Ich hätte beinahe die Leute beneidet, die in den heißen Klimaten leben, wenn auch die Hitze viel der Leiden bietet.</p> <p>Man kömmt in <hi rendition="#aq">Odessa</hi> mit der deutschen Sprache ganz gut fort; außer dem ganz gemeinen Volke versteht beinahe alles deutsch.</p> <p>Bei dem Austritte aus dem russischen Reiche hat man mit den Paßangelegenheiten eben so viel Schwierigkeiten wie bei dem Eintritte. Man muß den bei dem Eintritte gelösten Paß wieder verwechseln, wofür man jedesmal zwei Silberrubel zu zahlen hat. Außerdem muß sich der Reisende gefallen lassen, dreimal in die Zeitung gerückt zu werden, damit, wenn er Schulden hat, die Leute von seiner Abreise benachrichtigt werden. Mit diesen Einrückungen gehen im schnellsten Falle acht Tage, oft aber auch zwei bis drei Wochen verloren; nur in dem Falle, daß jemand gut für ihn steht, braucht er die Einrückungen nicht abzuwarten.</p> <p>Der österreichische Consul, Herr Gutenthal, bürgte für mich, und dadurch ward es mir möglich, schon am 2. October dem russischen Reiche Lebewohl zu sagen. Daß ich dies mit leichtem Herzen that, brauche ich meinen Lesern wohl nicht zu versichern.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> </div> </body> </text> </TEI> [302/0310]
Der botanische Garten, drei Werste von der Stadt entfernt, ist arm an exotischen Gewächsen und sehr vernachlässiget. Es ist um jeden Schritt schade, den man dahin macht. Einen wahrhaft betrübenden Eindruck machte auf mich das Bild des Herbstes, das ich hier nach einigen Jahren zum erstenmale wieder sah. Ich hätte beinahe die Leute beneidet, die in den heißen Klimaten leben, wenn auch die Hitze viel der Leiden bietet.
Man kömmt in Odessa mit der deutschen Sprache ganz gut fort; außer dem ganz gemeinen Volke versteht beinahe alles deutsch.
Bei dem Austritte aus dem russischen Reiche hat man mit den Paßangelegenheiten eben so viel Schwierigkeiten wie bei dem Eintritte. Man muß den bei dem Eintritte gelösten Paß wieder verwechseln, wofür man jedesmal zwei Silberrubel zu zahlen hat. Außerdem muß sich der Reisende gefallen lassen, dreimal in die Zeitung gerückt zu werden, damit, wenn er Schulden hat, die Leute von seiner Abreise benachrichtigt werden. Mit diesen Einrückungen gehen im schnellsten Falle acht Tage, oft aber auch zwei bis drei Wochen verloren; nur in dem Falle, daß jemand gut für ihn steht, braucht er die Einrückungen nicht abzuwarten.
Der österreichische Consul, Herr Gutenthal, bürgte für mich, und dadurch ward es mir möglich, schon am 2. October dem russischen Reiche Lebewohl zu sagen. Daß ich dies mit leichtem Herzen that, brauche ich meinen Lesern wohl nicht zu versichern.
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/310>, abgerufen am 22.02.2025. |